Brüssel

Die Karten werden neu gemischt

Stand: 08.09.2014, 15:11 Uhr

Junckers Kommission: Ein Siegerteam?

 Darauf haben in Brüssel alle seit Wochen gewartet: Der designierte Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat endlich die Ressortverteilung bekannt gegeben. Gut dabei weg gekommen sind vor allem die nordischen und kleine Länder. Deutschland hingegen muss sich mit einer Enttäuschung abfinden. Großbritannien und Frankreich haben es immerhin geschafft, Schlüsselressorts zu besetzen – obwohl die Personalien nicht unumstritten waren. Aber einen begehrten Vize-Präsidentenjob haben auch sie nicht bekommen.

Bevor er sein Amt als Kommissionschef antreten durfte, musste sich Jean Claude Juncker einiges an Kritik anhören. Auch, dass er ein Mann von gestern sei, seine Politik unmodern.

Computerfreak oder nicht

Weil Juncker aber auch Humor hat, konterte er selbstironisch. Er lies einen Clip anfertigen, in dem er einen Twitter-Beitrag mit Feder und Tinte zu Papier brachte. Spitzbübisch kommentierte er: „Man muss kein Computerfreak sein, um an den technischen Fortschritt zu glauben.“

Jetzt hat er einen, der auch nicht unbedingt als Computerfreak bekannt ist zum Kommissar für Digitales ernannt: Günther Oettinger, seit fünf Jahren Energiekommissar und auch schon mal Ministerpräsident von Baden-Württemberg gewesen. Dieser nahm die Ernennung weniger mit Humor an, aber dafür sportlich:

„Ich will kein Freak werden. Ich will Sachkunde einbringen, ich will Fleiß einbringen, und ich war in meiner ganzen Zeit in der deutschen Politik immer in der Medienpolitik.“ (…)„Ich traue mir zu, mich einzuarbeiten und dann in wenigen Wochen mich zu melden mit einer klaren Vision, wohin die digitale Agenda Europas gehen soll.“

Topjobs gehen an andere

Die schwäbischen Tugenden werden ihm sicherlich nützlich sein. Doch einen prestigeträchtigen Posten gab es für Oettinger eben nicht. Die vergab Juncker an andere Nationen.

Dass Deutschland zu kurz kommt, würde Juncker aber so nie sagen: „In Günther Oettingers Hand liegt es ob wir - ja oder nein - es schaffen, im Rahmen des digitalen einheitlichen europäischen Marktes zwei Millionen Arbeitsplätze in den nächsten Jahren zu schaffen. Das ist schon eine hervorgehobene Position, die der deutsche Kommissar da einnimmt.“

Das kann man auch anders sehen. Denn Oettinger wird ein Vize-Präsident vor die Nase gesetzt. Juncker will eine Zweiklassenkommission.

Juncker krempelt die Kommissionsspitze um

Aus 27 Kommissaren, werden 20. Darüber wird eine neue Ebene aus sieben Vize-Präsidenten  eingezogen. Die haben ressortübergreifenden Befugnisse. Diese sieben Vize- Posten gingen nur an Topleute wie Ex-Regierungschefs und Außenminister.

Hat Deutschland etwa den falschen aufgeboten? Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen kommentiert das so: „Jean-Claude Juncker hat von Anfang an klar gemacht: Länder, die Kommissare schicken mit hoher Qualifikation, aus Spitzenpositionen und vor allen Dingen Frauen, werden mit entsprechend einflussreichen Posten belohnt.“

In der Tat, es gibt gleich drei Vize-Präsidentinnen. Die anderen Frauen besetzen fast alle sehr wichtige Ressorts.

 Deutschland hätte vielleicht einen anderen schicken sollen

Der Niederländer Frans Timmermans soll sogar der oberste Vize-Präsident werden. Die rechte Hand von Juncker. Er war bisher Außenminister. Auch Frankreich und Großbritannien kommen besser weg als Deutschland. Der umstrittene Sozialist Pierre Moscovici wird Wirtschafts-Kommissar. Er hatte als Finanzminister in Paris nicht einmal die europäsichen Stabilitätskriterien erreicht. Ausgerechnet der als bankenfreundlich geltende Jonathan Hill wird für die Finanzdienste zuständig sein.  Beides Schlüsselressorts.

Trotzdem, da sind sich fast alle einig. In Junckers neuer Kommission liegt eine große Chance. Günter Verheugen, der den Apparat von innen kennt, meint: „Das war unbedingt notwendig. Es führt dazu, dass die Politikbereiche besser mit einander abgestimmt werden.  Eine stärkere politische Kontrolle und Leitung stattfindet. Das Problem ist allerdings, dass kann nur funktionieren, wenn in der Kommission selber sich ein tiefgreifender Kulturwandel vollzieht.“

Juncker hat nun fünf Jahre Zeit, zu beweisen, dass er ein Siegerteam aufgestellt hat. Seinen Humor wird er da sicher noch brauchen

Autorin: Judith Wedel