Praktikant steht am Kopierer

Praktikum in Brüssel

Wichtiges Vitamin B?

Stand: 21.10.2014, 12:33 Uhr

Karriere in der „Euro-Bubble“ – Praktikantenhauptstadt Brüssel

Donnerstag ist am Place Luxembourg Praktikantentag. Junge Spanier und Briten, Slowaken und Griechen – auf dem Platz vor dem Europaparlament läuten sie dann in den Kneipen das Wochenende ein. Der volle „Place Lux“ gibt an diesen Abenden eine Ahnung davon, wie viele Nachwuchsakademiker im Brüsseler Europaviertel ihr berufliches Glück suchen. In den EU-Institutionen, aber auch in ihrer Umgebung.

Auch Flavia Scafetti wollte eine dieser Praktikantinnen werden. Das war vor ein paar Monaten. In Rom hatte sie gerade ihren Bachelor in Politikwissenschaften gemacht – und gerade wegen der schwierigen Lage in Italien schien Brüssel ihr der perfekte Ort, um Berufserfahrung zu sammeln. Das Europaviertel: Ein ganzer Stadtteil voll potentieller Arbeitgeber für junge Politikabsolventen – dachte sie damals.

Europas Praktikantenhauptstadt

Arbeit fand Flavia am Place Luxembourg tatsächlich – allerdings nicht im EU-Parlament, sondern gleich gegenüber: In einem Café kellnert sie mehrere Tage pro Woche. Die zahllosen Praktikumsbewerbungen – keine Chance! Bei wie vielen Organisationen sie sich beworben hat, kann sie längst nicht mehr zählen. „Sogar bei den European Friends of Armenia, von denen ich vorher nicht mal wusste, dass es sie gibt“, sagt sie mit selbstironischem Lachen. „Aber selbst die haben sich bisher nicht gemeldet.“

Das Problem: Auf viele Karrierechancen kommen im Europaviertel noch mehr Bewerber. Brüssel ist Europas Praktikantenhauptstadt, der Hauptumschlagplatz für akademisches Frischfleisch: Allein die EU-Kommission vergibt in diesem Jahr 1200 Praktikumsplätze. Dazu kommen das Parlament und vor allem jede Menge Lobbyverbände, Vertretungen und Organisationen im Umfeld der EU, die gute und billige Arbeitskräfte suchen – und finden. Die Hoffnung auf Brüssel als ideales Karrieresprungbrett lockt zahllose Uni-Absolventen ins Europaviertel.

Unterbezahlt und überqualifiziert

Die Konkurrenz für Flavia war entsprechend groß: „Überall wo ich mich mit meinem Bachelor beworben habe, hatten vor mir schon vier Bewerber mit doppeltem Master mit Auszeichnung angeklopft. Und wenn du drei Fremdsprachen sprichst, ist immer irgendjemand da, der noch eine vierte kann.“ Dabei waren die Praktika, auf die sie sich bewarb, in der Regel nicht einmal bezahlt. Von einigen Ausnahmen – wie den direkten EU-Praktika – einmal abgesehen, muss man sich ein Praktikum in Brüssel erst einmal leisten können. Gezahlt wird bei vielen Organisationen wenig bis gar nichts.

Im vergangenen Jahr trieb die miese Bezahlung die Brüsseler Praktikanten sogar zu „Sandwich-Protesten“ auf die Straße. Als Praktikant, so der Tenor, könne man sich hier zum Mittagessen nur ein Sandwich leisten: Erstens, weil ein warmes Essen zu teuer sei. Zweitens, weil ohnehin keine Zeit für eine richtige Mittagspause bliebe.

„Networking“ ist alles

Auch Thomas Moskal kann sich sein Praktikum im Europaparlament nur mit Hilfe leisten: „Ohne die Unterstützung meiner Eltern wäre dieses Praktikum nicht möglich“, sagt der Allgäuer, der für vier Monate im Büro von Markus Ferber (CSU) arbeitet. Wie viel genau er verdient, darf er nicht sagen - die Währung in der hier gerechnet wird, ist aber sowieso eine andere: „Networking lernt man hier sehr schnell“, sagt Thomas. Empfänge und Vorträge, Häppchen und Visitenkarten- auch er hat diese Seite von Brüssel schon kennengelernt und sieht gute wie schlechte Seiten: Einerseits finde man leicht Anschluss und nette Bekanntschaften. „Auf der anderen Seite bleiben die Kontakte oft recht oberflächlich.“

Im Moment beantwortet Thomas vor allem Bürgeranfragen. „Da lernt man, eine riesige Bandbreite abzudecken. Es wird oft sehr speziell, heute hatte ich zum Beispiel eine Anfrage zum Thema Walfang.“ Zugleich sucht er aber auch Perspektiven für die Zeit nach Studienabschluss – denn eins ist klar: Das Angebot an gutem Nachwuchs ist größer als die Nachfrage. Flavia hat daraus ihre Konsequenzen gezogen: Sie geht bald erst einmal zurück nach Italien. Dort macht sie erst einmal ihren Master. Und dann? Im Moment würde die Italienerin es gern noch einmal im Europaviertel probieren. „Vielleicht nicht in den EU-Institutionen selbst, aber es gibt hier so viele spannende Perspektiven!“ Flavia und Brüssel – die beiden haben noch eine Rechnung offen.

Autorin: Jana Fischer