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Abstieg ohne Generalprobe

Ein Erlebnisbericht von den Dreharbeiten zu "NRW von unten"

Stand: 04.11.2015, 14:39 Uhr

„Muss das wirklich sein?“ Drehbuchautor Rüdiger Heimlich beugt sich über einen kaum schulterbreiten Schacht, der senkrecht ins Dunkle fällt. „Am Besten kopfüber rein“, rät Höhlenforscher Stefan Voigt, „das geht so drei Meter runter und dann auf allen Vieren durch einen schmalen Gang weiter. Dann hast du das Schlimmste erst Mal hinter dir!“

Making of

Wieder an der frischen Luft im Sauerland macht das Team Pause vom Dreh. Von links nach rechts: Andreas Faigle (Ton), Jörg Adams (Kamera), Alexander Platte (Höhlenforscher), Jörg Siepmann (Regie), Bastian Barenbrock (2. Kamera)

Irgendwo im Sauerland, an einem Waldhang, versteckt unter Blattwerk gibt es eine mit Schloss und Riegel gesicherte Stahlluke. Darunter liegt die geheime Unterwelt Nordrhein-Westfalens: ein kilometerlanges Labyrinth aus feucht-kalten Gängen, schroffen Spalten und haushohen Hallen mit bizarren Tropfsteingebilden, mineralischen Preziosen und versteinerten Meereslebewesen. Auf der Suche nach dem spektakulären Drehort unter den rund 1200 Höhlen in NRW haben sich Regisseur Jörg Siepmann und Autor Rüdiger Heimlich Höhlenforschern  in NRW anvertraut. Danach hatten sie das Schlimmste erst mal hinter sich.

Eine Kletterpartie bei absoluter Dunkelheit

Männer in einem großen Abwasserschacht mit Ziegelwänden

Köln von unten: Stefan Schmitz und sein Team von den Entwässerungsbetrieben Köln an ihren Arbeitsplatz in den Tiefen des Kölner Untergrunds.

Dafür begann für das Kamerateam Jörg Adams, Bastian Barenbrock, Christian Wiege, Sophie Menacher und Andreas Faigle eine waghalsige Kraftprobe: Bis zu 30 Meter musste sich das Team abseilen: in der Riesenkluft der Hüttenbläser Schachthöhle bei Iserlohn. Da war längst noch sicher, ob das Equipment es überhaupt bis zum Ziel schafft. Für diesen Dreh gab es keine Generalprobe. Unmöglich im Voraus jede schmale Kluft zu berechnen. In Situationen, in denen eigentlich jede Hand zum Selbstsichern oder Abseilen gebraucht wird, drehte das Team die Kletterpartie der Höhlenforscher gleich mit. Dabei war größte Behutsamkeit angesagt. Erstmals wurde mit besonders lichtempfindlicher Technik gedreht. Selbst bei absoluter Dunkelheit zauberte die Kamera ein Bild. 

Kamerateam in einem dunklen Bergwerksstollen

Ohne Auto geht im riesigen Labyrinth unter Tage nichts. Das Salzbergwerk Borth hat eine Fläche von 40 Quadratkilometern.

Aus acht Grad feuchter Kälte ging es dann auf staubtrockene 30 Grad 900 Meter unter den Niederrhein. Im Salzbergwerk Borth kam das Team in der baumwollenen Bergmannskluft ins Schwitzen. Der Dreh begleitete Antje Bräunig zu ihrem Arbeitsplatz vor Ort. Im offenen Jeep ging es zwanzig Minuten durch schier endlose Tunnel. Eine Fahrt wie durch eine nächtliche Schneelandschaft, vorbei an Lager- und Werkhallen für die gigantischen Abbaumaschinen, vorbei an aberhunderten von leeren Salzkammern, jede bis zu 20 Meter hoch und 600 Meter lang. Unter der Bislicher Insel hängt Markscheiderin Antje Bräunig „die Stunde“, ein Begriff aus der Zeit, als die Richtung des Vortriebs noch nach der Uhrzeigerrichtung ausgerufen wurde – heute macht das der Laserstrahl. Dann hieß es in Deckung gehen – die Sprengmeister rückten an.

Antikes Bauwunder und moderne Technik

Kamera und Kamerteam in einer Höhle

In der Atta-Höhle: Einmal weit vorgedrungen, heißt es auch schon aufwändige Licht- und Kameratechnik zu platzieren.

Die abenteuerliche Filmreise führte von der Stadt unter Tage in die enge Röhre der römischen Eifelwasserleitung. Mit modernster 3 D Vermessungstechnik dokumentiert der Film erstmals den genauen Verlauf dieses antiken Bauwunders. Ein Team von Studenten um Professor Grewe stellte die Vermessungsmethoden der alten Römer nach. Modernste Helikoptertechnik begleitete sie dabei, um zu verstehen, wie es den Römern gelang, den unterirdischen Wasserweg durch die Eifel-Wälder zu legen.

Gruppenbild Team in einem Salzbergwerk

Gruppenbild mit Dame im Salzbergwerk Borth: Christoph Moor (Ton), Bastian Barenbrock (2. Kamera), Antje Bräunig (Markscheiderin), Jörg Siepmann (Regie), Jörg Adams (Kamera) und Ulrich Goebel (Pressesprecher).

Unter der Altstadt von Köln hieß es dann: mit einem Kanu durch die Kanalisation. Waghalsig auch der Flug mit der Drohne durch die riesigen Untertagebauten des neuen Emscherkanals bei Duisburg. Hier war Maßarbeit gefragt. Ein unterirdisches Rückhaltebecken wurde zum düsteren Tatort für eine Feuerwehrübung der etwas anderen Art. Hier wurde wie für einen Spielfilm mit Special Effects der Ausbruch eines unterirdischen Feuers realistisch inszeniert. Unter den Bürotürmen eines Düsseldorfer Dax-Konzerns wurde dann ein anderes Katastrophenszenario gedreht: das Team musste dafür jedes Mal durch die Sicherheitsschleusen hinab ins Allerheiligste des Unternehmens, ins Rechenzentrum. Hier probte der IT-Leitstand verschiedene Krisensituationen wie den Stromausfall. Unser Dreh im atombombensicheren Serverraum wurde mit Argusaugen begleitet. Aber nach einem langen Drehtag hatten auch die Sicherheitsleute endlich das Schlimmste hinter sich.