Kariöse Milchzähne

Mehr Karies bei Kleinkindern

Die Gefahr aus der Nuckelflasche

Stand: 25.08.2015, 17:45 Uhr

Die Zahngesundheit wird immer besser - nur nicht bei den Kleinkindern. Karies an Milchzähnen ist ein ernstes Problem. Ärzte und Krankenkassen wollen mit Vorsorgemodellen der Zahnfäule entgegenwirken.

Milchzähne bleiben doch eh nicht im Mund. Sie fangen irgendwann an zu wackeln und fallen aus. Wieso also sind sie so wichtig und wieso ist ihre Pflege umso wichtiger? Zahnärzte fordern, dass schon bei Kleinkindern der Zahnarztbesuch zu einem festgeschriebenen Standard wird, vergleichbar zu den vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt, den sogenannten "Us".

Denn: Immer mehr Kleinkinder haben kranke Milchzähne. Das ergibt sich unter anderem aus Untersuchungen der Krankenkasse DAK. Laut ihr sind Zahnprobleme die häufigste chronische Erkrankung im Kleinkind- und Vorschulalter - fünfmal häufiger als Asthma und siebenmal häufiger als Heuschnupfen. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens hatte bereits im November eine Initiative vorgestellt, die die Zahngesundheit von Kleinkindern fördern soll.

Volkskrankheit Karies

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind rund 95 Prozent aller Europäer von Karies betroffen - im Volksmund auch Zahnfäule genannt. Und genau so sieht es auch aus, wenn Karies die Zähne befallen hat: schwarz. Umso wichtiger ist es, Karies frühzeitig zu erkennen und zu behandeln - auch bei Milchzähnen. Doch was ist Karies überhaupt? Karies ist die Zerstörung der Zahnsubstanz auf mikrobieller Ebene. Wird Zahnbelag nicht regelmäßig entfernt, entwickeln die Mikroorganismen aggressive Säuren. Die greifen den Zahnschmelz an - zuerst zu sehen an weißen oder bräunlichen Flecken. Der Zahn ist an diesen Stellen entkalkt. Unbehandelt breitet sich die Zahnfäule weiter aus und kann bis zum Zahnverlust führen. In jedem Fall aber wird es schmerzhaft.

Zivilisationskrankheit Karies

Karies wird durch die im Zahnbelag vorkommenden Bakterien, Ernährungsgewohnheiten, die Beschaffenheit der Zähne, den Speichel und den Faktor Zeit begünstigt. Dass vor allem die zucker- und kohlenhydratreiche Ernährung in eine Rolle spielt, zeigen Vergleiche mit Menschen, die sich traditionell ernähren, etwa Inuit oder Massai. Aber auch in Europa trat bei den Menschen zum Beispiel während des zweiten Weltkrieges weniger Karies auf, während die Zahlen mit dem steigenden Wohlstand und den damit geänderten Ernährungsgewohnheiten stark anstiegen.

Karies bei Kleinkindern

"Die Hauptursache für Karies im Kleinkindalter sind Fruchtsäfte in der Nuckelflasche", sagt die Dr. Elham Andabili-Barthel. Dieser "Nuckelkaries" trete bei 15 Prozent, in sozial schwächeren Schichten sogar bei bis zu 35 Prozent der Kleinkinder auf, so die Kinderzahnärztin. "Bei den Schneidezähnen fängt es an und breitet sich dann auf die Backenzähne aus." Und auch wenn die Milchzähne sowieso wieder ausfallen - "sie sind für die spätere Entwicklung enorm wichtig", erklärt sie. "Wenn ein Zahn verloren geht, kippen die Nachbarzähne in die Lücke, und der nachfolgende Zahn hat keine Chance." Langwierige Behandlungen beim Kieferorthopäden können die Folge sein.

Außerdem habe man während des Zahnwechsels ja mehrere Jahre erste und zweite Zähne gemeinsam im Mund. So würden auch die bleibenden Zähne befallen - mit weitreichenden Konsequenzen für das gesamte Erwachsenenleben. Und da sei ja auch noch der soziale Faktor, sagt Andabili-Barthel: "Wenn ein Kind schwarze Zähne hat, wird es im Kindergarten gehänselt. Und dazu kommen noch die Schmerzen", denn auch kranke Milchzähne können ordentlich weh tun. Wenn die Kinder dann bei ihr auf dem Behandlungsstuhl sitzen, ist es für eine sanfte und angstfreie Gewöhnung an den Zahnarzt längst zu spät.

Möglichst frühe Vorsorge

Aus all diesen Gründen befürwortet Dr. Elham Andabili-Barthel den Vorstoß der DAK, schon werdende Eltern in die Vorsorge einzubeziehen. Denn die seien in dieser Phase, bevor das Kind da ist und der Alltag mit dem neuen Familienmitglied beginnt, sehr aufnahmebereit. So lassen sie sich sensibilisieren, zum Beispiel für die Gefahr aus der Nuckelflasche.

"Ein halber Liter Apfelsaft mit der Aufschrift 'ohne Zuckerzusatz' enthält zum Beispiel 19 Stücke Würfelzucker", verdeutlicht die Kinderzahnärztin. "Apfelschorle, Fanta und Cola haben das Wasser als Getränk abgelöst, die Ernährungsgewohnheiten ändern sich, das sind Fallen, in die Eltern tappen." Und natürlich das Thema Mundhygiene, das heißt: richtig putzen und ab dem ersten Milchzahn putzen. Für Andabili-Barthel ganz wichtig: "Die Eltern müssen sich durchsetzen, beim Zähneputzen darf es keine Diskussionsgrundlage geben."

Kassenmodelle und Gesundheitsministerin

Einige Kassen wollen nun mit Vorsorgemodellen Karies im Kleinkinderalter gegensteuern. Dazu gehören bei der DAK etwa die Beratung von Schwangeren und drei zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen für Kinder im Alter von zweieinhalb Jahren bis zum sechsten Geburtstag. Die Initiative von NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens geht in dieselbe Richtung. Eine Beilage im offiziellen Vorsorgeuntersuchungsheft soll seit diesem Jahr Eltern an den Zahnarztbesuch erinnern. Verbindlich ist das bisher allerdings nicht. Das hätten Ärzte und Kassen gerne. Doch um ein ähnliches Kontrollsystem wie bei den U-Untersuchungen aufzubauen, braucht es einen Beschluss durch den Gemeinsamen Bundesausschuss - das oberste Beschlussgremium der Selbstverwaltung von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen - in Berlin.