Unterstützung für Böhmermann: Satiriker halten zusammen

Stand: 17.04.2016, 14:15 Uhr

Was darf Satire? "Alles", sagt Kurt Tucholsky. Wirklich? Darüber diskutiert Deutschland. Immerhin: Böhmermann bekommt viel Rückendeckung, von anderen Satirikern, von Politikern, von inzwischen rund 234.000 Unterstützern einer Onlinepetition.

Von Martina Züger/@martina_zueger und Anja Likusa

Böhmermanns Gedicht - der Rückblick

ZDF-Moderator Jan Böhmermann, 35 Jahre alt, hatte in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" ein Gedicht mit dem Titel "Schmähkritik" auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgetragen. Zuvor hatte er aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das so in Deutschland nicht erlaubt sei. Dieser Aspekt geht jedoch in der Debatte völlig unter. Der Komiker Oliver Kalkofe springt in einem bewegenden Facebook-Statement seinem Kollegen Böhmermann bei. "Die satirische Plattform der ganzen Geschichte war niemals das unsinnigerweise immer wieder rezitierte und vollkommen unwichtige Gedicht, sondern die Aktion darum herum."

Das ZDF löschte das Gedicht, in dem Böhmermann den türkischen Staatspräsidenten unter anderem "sackdoof, feige und verklemmt" genannt hatte, am 1. April 2016 aus der Mediathek.

Was darf Satire in Deutschland?

Die türkische Regierung fordert in einer diplomatischen Note an die deutsche Bundesregierung eine Strafverfolgung Böhmermanns. Sie bezieht sich dabei auf den umstrittenen Paragraphen §103, der besagt, dass die Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern strafbar ist. Zusätzlich stellte Erdogan als Privatperson einen Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Mainz wegen Beleidigung.

Eine Verurteilung von Böhmermann ist keinesfalls sicher. Denn die große Frage lautet: War das Ganze eine "Schmähkritik"? Nur dann kommt eine strafbare Beleidigung in Frage.

Nach Einschätzung des Hamburger Medienrechtlers Stefan Engels hat der Fall das Zeug, durch alle Instanzen bis vors Bundesverfassungsgericht zu gehen. Am Ende müsse das höchste deutsche Gericht womöglich Grenzen völlig neu definieren, sagte Engels. "Ich habe einen Fall in dieser Zuspitzung noch nicht erlebt." Das Spannende daran sei, dass Böhmermann Erdogan mit seinem 'Schmähgedicht' nach eigener Aussage gar nicht schmähen, sondern lediglich ein Beispiel dafür geben wollte, wie eine Schmähung aussehen würde. Das müsse bei der Bewertung berücksichtigt werden.

Wer unterstützt Böhmermann?

Viele deutsche Kabarettisten und Satiriker springen Jan Böhmermann bei, dazu Politiker, Journalisten und inzwischen rund 234.000 Unterstützer einer Online-Petition. Der Komiker Oliver Kalkofe schreibt auf Facebook: "Diese ganze vollkommen absurde Staatsaffäre um die kleine poetische Verbal-Entgleisung des dünnen blassen Jungen weitet sich gerade zu einer der bizarrsten, erschreckendsten und für unsere Meinungs- und Redefreiheit auch gefährlichsten Diskussionen seit Langem aus."

Auch Kollege Oliver Welke nimmt Böhmermann in Schutz. Dass der Fall überhaupt - auch wenn er bis heute in der türkischen Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielt - die derzeitige Dimension in Deutschland erreicht hat, liegt nach Ansicht des "heute-show"-Moderators Oliver Welke auch an der Bundeskanzlerin. Zu einem "Fall Böhmermann" sei die Sache erst geworden, als sich Merkel dazu habe zitieren lassen, sagte Welke der "Bild"-Zeitung. "Ein großer Fehler, der ihr hoffentlich leidtut." Merkel hatte über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilen lassen, sie finde Böhmermanns "Schmähgedicht" "bewusst verletzend".

"Ich finde Ihr Gedicht gelungen. Ich habe laut gelacht", schrieb Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner in einem offenen Brief. Auch die Direktorin des Deutschen Karikaturen-Museums in Hannover, Gisela Vetter-Liebenow, betont, im konkreten Fall sei es eine explizit der Satire gewidmete Fernsehsendung gewesen. "Diese Satire macht uns noch einmal deutlich, dass wir genau hinschauen sollten, was in der Türkei passiert", sagte die Kunsthistorikerin. "Wenn es darum geht, auf unerträgliche Missstände hinzuweisen, dann darf Satire wirklich alles - so wie es bereits der Schriftsteller Kurt Tucholsky formuliert hat."

Wer stellt sich gegen Böhmermann?

Am Montag (11.04.2016) wurden weitere Petitionen gestartet, in denen eine mögliche Strafverfolgung des Moderators befürwortet wird. Die größte startete Selman Öz unter dem Titel "Darf die Pressefreiheit Menschen beleidigen und verleumden. Ich sage 'Nein'." Die Petition kam allerdings bis Sonntag (17.04.2016) nur auf 812 Unterstützer.

Am Freitag (15.04.2016) gab Angela Merkel der Staatsanwaltschaft grünes Licht für Ermittlungen gegen Böhmermann. Damit machte die Bundesregierung den Weg frei für eine Strafverfolgung des ZDF-Satirikers nach §103 StGB wegen der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts. Allerdings verkündete die Kanzlerin gleichzeitig, den Paragraf 103 abschaffen zu wollen. SPD-Minister wie Frank-Walter Steinmeier und Heiko Maas distanzierten sich ausdrücklich von Merkels Entscheidung.

Wie geht es weiter?

Die Ausgabe des Neo Magazin Royale für Donnerstag (14.04.2016) wurde abgesagt. "Grund ist die massive Berichterstattung und der damit verbundene Fokus auf die Sendung und den Moderator", schreiben die Fernsehmacher.

Böhmermann selbst äußerte sich am Samstag (16.04.2016) auf der Facebook-Seite des Neo Magazin Royale. Gewohnt humoristisch kündigte er eine "kleine Fernsehpause" an: "..., damit sich die hiesige Öffentlichkeit und das Internet mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge wie die Flüchtlingskrise, Katzenvideos oder das Liebesleben von Sophia Thomalla konzentrieren kann. [...].

Das ZDF will an seinem Moderator und der Sendung festhalten. "Die Sendung wird wie bisher fortgeführt", teilte der Sender mit. ZDF-Intendant Thomas Bellut sicherte Böhmermann zudem die volle rechtliche Unterstützung des Senders zu: "Wir gehen mit ihm durch alle Instanzen", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".