Ade du schöne Pressefreiheit in Deutschland

Stand: 20.04.2016, 13:33 Uhr

Einschränkungen der Pressefreiheit - da haben wir lange Zeit in andere Länder geblickt. Länder, in denen Journalisten ihr Leben aufs Spiel setzen. Doch nun rücken auch wir in den Fokus: Die Organisation Reporter ohne Grenzen nimmt einen Verfall der Pressefreiheit in Deutschland wahr.

+++Leipzig, 21.01.2015: Journalisten bespuckt und geschlagen +++ Dresden, 28.09.2015: Zeitungsjournalisten getreten und geschlagen +++ Magdeburg, 27.01.2016: Journalisten mit Pfefferspray angegriffen +++ So und ähnlich lauten die Schlagzeilen, die in den vergangenen zwölf Monaten immer wieder von Demonstrationen gemeldet wurden, bei denen die sogenannten Wutbürger auf die Straße gingen. Ihre Wut ließen sie an denen aus, die eigentlich nur über die Kundgebungen berichten wollten.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat die Fälle weltweit aufgelistet, auch die in Deutschland. Doch was verstört: Auch hier, wo die Pressefreiheit zur DNA der Verfassung zählt, werden die Arbeitsbedingungen für Journalisten schlechter. Ergebnis: Deutschland rutsch im Ranking der Pressefreiheit ab, landet auf Platz 16, liegt nun hinter Luxemburg, Estland und Belgien; allerdings weiterhin um Längen vor Staaten wie China, Sudan oder Aserbaidschan.

Gewalt und Einschüchterung auch in NRW

Auch in NRW ist die Arbeit für Journalisten schwerer geworden. Insbesondere im Norden von Dortmund. Dort, wo Neonazis die Szene zu dominieren versuchen und zielgerichtet Journalisten angehen. So etwa im März 2015, als Neonazis den Journalisten Markus Arndt mit Steinen bewerfen und verletzen. Zuvor hatten sie bereits eine gefälschte Todesanzeige mit seinem Namen veröffentlicht.

Der Journalist sieht die Angriffe auf ihn mit professioneller Distanz. Man wisse ja, auf was man sich einlässt. „Wir Journalist sind halt unbequem und dann holt man sich die eine oder andere Schramme.“ Doch sollte die Gefahr dieser Angriffe nicht unterschätzt werden. Auf unsere Reporter Jan Hofer und Jonas Wixforth hatten Neonazis Böller geworfen.

"Für mich eine neue Situation"

Martin von Mauschwitz erlebt bei einer Livereportage über Hogesa in Köln, wie Journalisten angegangen werden. "Die Menschen kamen ganz nah an mich heran, mit dem Fuß wurde ein Stativ für meine Kamera weggetreten und es wurde auch Lügenpresse gerufen." Körperliche Angriffe gab es zum Glück nicht. Doch für den Moderator der Aktuellen Stunde ist es eine neue Situation. "Das habe ich so früher nicht erlebt." Dennoch will sich von Mauschwitz von den Drohungen nicht beeinflussen lassen. "Ich werde da weiterhin ohne Vorurteile hingehen", sagt er.

Bedrohung überwiegend von rechts

Die Gewalt kommt in NRW nicht nur von rechts. Auch religiöse Extremisten drohen Reportern, die deren Aktivitäten nachgehen. So vor einer Moschee in Solingen. Selbst Polizisten kommen nicht immer mit der Arbeit der Journalisten klar. Vorwürfe gibt es etwa wegen eines Polizeieinsatzes in Garzweiler, bei dem Reporter mit Tränengas besprüht wurden. Reporter ohne Grenzen hat speziell für die Aktuelle Stunde die Übergriffe in Nordrhein-Westfalen zusammengestellt:

Dortmund, 07.01.2014: Rechtsextremist versucht Reporterin ein Mobiltelefon zu entreißen
Dortmund, 23.08.2014: Reporter zu Boden gerissen
Köln, 28.10.2014: Reporter gewaltsam bedroht
Dortmund, 15.12.2014: Reporter mit Farbbeutel attackiert
Dortmund, 26.12.2014: Rechtsexremisten demonstrieren vor dem Haus eines Journalisten
Dortmund, 07.01.2015: Rechtsextremist versucht Reporter ein Mobiltelefon zu entreißen
Köln, 14.01.2015: Fotografen belästigt und bedroht
Duisburg, 26.01.2015: Kamerateam des WDR massiv bedroht und unter Polizeischutz gestellt
Dortmund, 05.02.2015: Todesdrohung gegen Journalisten
Dortmund, 28.02.2015: Auto eines Sportreporters attackiert
Dortmund, 09.03.2015: Journalist mit Steinen beworfen und leicht verletzt
Garzweiler, 15.08.2015: Reporter mit Tränengas besprüht

"Man kann schlecht Interviews neben Wachleuten oder Polizisten führen"

Die Entwicklung der Pressefreiheit wird von Reporter ohne Grenzen mit Sorgen betrachtet. Michael Rediske, Vorstand der Organisation, bedrückt vor allem: "Die gesamte Diskussion in Deutschland läuft ja darauf hinaus, dass bestimmte Gruppen der Bevölkerung Journalisten als ihre Gegner ansehen. Stichwort Lügenpresse. Dadurch und nicht zuletzt auch durch die Verbreitung im Internet und den sozialen Medien sinkt die Hemmschwelle für Aggressionen, verbale, wie direkte Aggressionen gegen Journalisten." Und das hat Konsequenzen: Journalisten müssten vorsichtiger sein. "Zum Teil lassen sie sich von Sicherheitskräften begleiten", weiß Rediske. Doch auch dies ist nicht unproblematisch. Schließlich könne man schlecht ein Interview neben Wachleuten oder Polizisten führen. "Insofern schränkt das schon die Möglichkeiten ein, direkt vor Ort zu agieren." Dabei hat Rediske vor allem die Pegida-Demos im Blick.