Nizza - wie soll man das bloß den Kindern erklären?!

Stand: 15.07.2016, 18:12 Uhr

Viele Verletzte und Tote in Nizza, darunter Erwachsene und Kinder. Das ist grausam und kaum zu fassen. Wie erklärt man das den Kindern, die ja immer nach dem Warum fragen? Ein Interview mit Markus Mörchen von den Kindernachrichten "logo!".

Von Sabine Schmitt

Warum fährt jemand in eine Menschenmenge und tötet und verletzt viele Erwachsene und Kinder? Was sagt man da jetzt als Mutter oder Vater?

Markus Mörchen: Die Frage nach dem Warum zu beantworten ist schwierig. Bei Nizza gerade auch deshalb, weil wir die Hintergründe der Tat noch nicht kennen. Es ist zwar von Terror die Rede. Es könnte aber auch eine Amokfahrt gewesen sein. Deshalb werden wir die Frage heute nicht beantworten. Wenn man aber weiß, es sind Terroristen, dann kann man schon versuchen, das zu erklären.


Ist es gut, auch als Eltern irgendwann mit "Ich weiß es auch nicht" zu antworten und einfach da zu sein?

Mörchen: Auf jeden Fall. Kinder merken es, wenn Eltern selbst verunsichert sind. Da ist es ehrlicher, das zuzugeben und vielleicht zu versuchen, zusammen Antworten zu finden oder zu sagen: Manchmal tun Menschen Dinge, die kann man nicht erklären. Und für Kinder da zu sein, ihnen zuzuhören und sie wichtig zu nehmen, das ist das Wichtigste überhaupt.

Was sollten Kinder jetzt auf keinen Fall mitbekommen?

Mörchen: Details über den Tathergang. Das sagt vermutlich auch jeder Psychologe. Wir werden relativ wenig über den Tathergang berichten und auch keine bewegten Bilder dazu zeigen. Wir zeigen im Beitrag maximal ein Foto von dem Auto und auch keine Opfer. Opfer zu zeigen ist undenkbar. Bei uns gibt es maximal Aufnahmen von Rettungskräften, also von Leuten, die sich um Opfer bemühen. Es gibt gerade viele grauenvolle Bilder im Internet und den Medien, die Kinder auf keinen Fall sehen sollten. Ob man das verhindern kann, weiß ich nicht.

Sollten an so einem Tag Radio und Fernseher besser auslassen?

Mörchen: Es ist immer die Frage, wie viel ich meinen Kindern auch zutraue. Aber auch eine genaue Tatbeschreibung im Radio kann Bilder im Kopf hervorrufen. Auch das sollte man verhindern. Wenn man als Eltern hört, dass gerade darüber geredet wird, würde ich empfehlen, je nachdem, wie die Kinder konstituiert sind, das Radio auszuschalten. Es ist ganz wichtig, dass Eltern eine Kontrollfunktion einnehmen – und das heute noch viel mehr als früher.

Warum ist die Kontrollfunktion der Eltern heute noch wichtiger?

Mörchen: Früher gab es Radio und Fernsehen, und man konnte relativ gut einschätzen, was Kinder mitbekommen. Heute sind schon Minuten nach der Tat die ersten Bilder im Internet, oft gibt es sie sogar live. Viele Eltern wissen auch gar nicht, wo sich die Kinder da im Netz rumtreiben und an welchen Stellen Kinder mit solchen Ereignissen konfrontiert werden. Da sollte man unbedingt ein Auge drauf haben und dann vor allem auch mit den Kindern darüber sprechen. Das ist wirklich ganz wichtig. Man sollte die Kinder nicht damit alleine lassen.

Wie mächtig wirken Nachrichten auf Kinder?

Mörchen: Nachrichten wirken dann sehr, sehr mächtig auf Kinder, wenn sie mit starken Bildern in Verbindung stehen. Und das hier sind ja sehr, sehr starke Bilder. Allein wenn man darüber redet und beschreibt, was da in Nizza passiert ist, dann ist das schon fast unfassbar, sich das vorzustellen. Das wird man auch nicht vor Kindern verbergen können. Deswegen ist es wichtig, dass man mit ihnen darüber spricht. Man sieht die Bilder in den Zeitungen. Man läuft daran vorbei. Man sieht die Bilder überall im Internet und im Fernsehen. Deswegen muss man im Blick behalten, wie sehr Kinder so etwas belastet.

Was sind die Gefahren, wenn man als Elternteil versagt?

Mörchen: Eltern sollten auf keinen Fall Angst davor haben zu versagen. Sie sollten sich Gedanken machen und Kinder vor allem ernst nehmen. Wenn man einfach ein großes Bewusstsein dafür mitbringt und man sich selbst mit Medien auseinandersetzt, dann kann man gar nichts falsch machen.

Und wenn das Kind etwas mitbekommen hat, was nicht entsprechend gefiltert wurde?

Mörchen: Kein einziges Elternteil kann sein Kind davor bewahren. Und wer diesen Anspruch hat, macht sich zu großen Druck. Das geht gar nicht. Man sollte es einfach nicht unbedacht dem Kind überlassen. Man sollte auch nicht den Fehler machen, zu glauben, man könnte Kinder davon komplett abschirmen. Und wenn man selbst nicht weiß, wie man damit umgehen soll, sollte man sich Rat einholen.

Können Nachrichten Kinder traumatisieren?

Mörchen: Ja natürlich, wenn Kinder zu früh mit falschen Bildern konfrontiert werden. Da muss man sich nicht wundern, wenn das Kind sehr schlecht schläft oder ein kleines Trauma davon trägt. Man muss schon dafür sorgen, dass Kinder, soweit es geht, nur das zugemutet wird, was ihnen zuzumuten ist. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.