So war's 1913

Der Bau der Möhnetalsperre

Stand: 06.07.2013, 14:30 Uhr

Vor 100 Jahren wird eine der größten und schönsten Talsperren des Landes gebaut: die Möhnetalsperre. Rund 134 Millionen Kubikmeter Wasser drücken gegen die Staumauer, am Grund ist die massive Talsperre mehr als 30 Meter dick. 1913 ist das ein Bauprojekt der Superlative.

Die Familiengeschichte von Karl-Heinz Wilmes ist eng verbunden mit dem Stausee. Das Heimatdorf seiner Urgroßeltern gibt es nicht mehr, es liegt in den Wassermassen der Talsperre. Von ihrem Haus gibt es nur noch ein Foto. "Durch den Bau der Möhnetalsperre wurde unsere Familie umgesiedelt. Wäre sie nicht gebaut worden, würden wir heute vielleicht noch dort wohnen", spekuliert Wilmes.

Planungsphase ab 1905

Schon 1905 wird das Großprojekt Möhnetalsperre geplant. Das Wasser der Ruhr kann die wachsende Industrie im Ruhrgebiet nicht mehr zuverlässig versorgen. Im Sommer 1904 wird das Wasser so knapp, dass gehandelt werden muss. "Die Industrie kam zum Erliegen, für die Menschen gab es nichts zu trinken, die Brunnen trockneten aus. Das waren die entscheidenden Kriterien, neben vielen kleinen Staubecken ein Großprojekt in Angriff zu nehmen", erklärt Peter Wirth, Stadtarchivar der Gemeinde Möhnesee.

Knapp fünf Jahre lang schuften Hunderte Arbeiter auf der Großbaustelle, die meisten kommen aus Südeuropa. Die Arbeit ist ein Knochenjob. "Insgesamt wurden 265.000 Kubikmeter Material verbaut", weiß Peter Wirth. "Gekostet hat die Talsperre 21.500.000 Mark. Wenn wir das in die heutige Zeit umrechnen, ist das rund eine Milliarde Euro." 

Sicherung der Wasserversorgung der Region

Im Juli 1913 wird die Möhnetalsperre eingeweiht. Endlich ist die Wasserversorgung der Region gesichert – und das Sauerland um eine Freizeitattraktion reicher. Der 2. Weltkrieg ändert das. Karl-Heinz Wilmes ist fünf Jahre alt, als in der Nacht zum 17. Mai 1943 die Kampfflieger angreifen. "Es war eine sehr helle Vollmondnacht", erinnert er sich. "Die Flugzeuge flogen im Tiefflug auf die Staumauer zu. Dann begann der Kampf. Die deutsche Flak schoss auf die Flugzeuge, die Flugzeuge schossen zurück. Plötzlich wurde es ganz still. Da sagte meine Großmutter: 'Jetzt haben sie die Möhnetalsperre zerstört.'"

Zerstörung im 2. Weltkrieg

Die Staumauer ist empfindlich getroffen, die Wassermassen ergießen sich ins Möhnetal. "Das war wie ein Tsunami", erinnert sich Karl-Heinz Wilmes, "es gab keinen Baum und keinen Strauch mehr. Alle Häuser waren verschwunden." Mindestens 1.200 Menschen sterben, viele ertrinken in ihren Kellern, in denen sie Schutz suchen. Das Ziel, die kriegswichtige Wirtschaft im Ruhrgebiet nachhaltig zu schwächen, verfehlen die Briten mit ihrem Angriff. Auch weil Kriegsminister Albert Speer schon am nächsten Tag den schnellen Wiederaufbau der Mauer befiehlt. Hunderte Zwangsarbeiter schuften hier, sie werden sogar vom Atlantikwall abgezogen. Nach nur fünf Monaten ist die Talsperre wieder in Betrieb.

Auch wenn immer wieder an die dramatische Geschichte der Talsperre erinnert wird: Die meisten Urlauber lieben vor allem die Landschaft, den See, die vielen Möglichkeiten, sich zu entspannen. Wenn es gerade mal nicht regnet, geht es für viele Familien aus dem Ruhrgebiet ab auf den Campingplatz an den Möhnesee. Andere Reiseziele locken sie kaum – dafür ist es hier einfach zu schön.