Wie tickt der Horror-Clown?

Stand: 24.10.2016, 17:15 Uhr

Mehr als 80 Attacken von Horror-Clowns gab es alleine am Wochenende in NRW. Eine Woche vor Halloween droht Justizminister Kutschaty nun mit Knast. Der Kölner Psychologe Ulrich Schmitz erklärt das Phänomen. Wer steckt hinter der Maske?

Aktuelle Stunde: Woher kommt das Phänomen der Horror-Clowns?

Ulrich Schmitz: Das ist eine ziemlich schlichte Form, einfach mal böse zu sein, Leute zu ärgern und aufgestaute Aggressivität rauszulassen. Das hat keinen kulturellen Hintergrund, sondern befriedigt einfach nur die Lust daran, andere Leute zu erschrecken, während man selber Spaß hat.

Aktuelle Stunde: Es geht ja nicht nur um das Erschrecken, sondern auch um die Androhung von Gewalt. Was sind das für Menschen, die so etwas tun?

Horror-Clown

"Das Erschrecken ist schon immer ein Bestandteil von Menschen"

Schmitz: Ich gehe davon aus, dass es jüngere Menschen zwischen 17 und Anfang 20 sind. Die machen Blödsinn, das gehört einfach dazu. In diesem speziellen Fall funktioniert die ethische Bremse aber wohl nicht und sie machen sich über die Konsequenzen keine Gedanken. Überspitzt könnte man sie in die Nähe der Steine-Werfer auf Autobahnbrücken rücken. Auch da geht es um ein vermeintliches Leuteärgern – ohne Rücksicht auf Verluste. Erwachsene, die fest im Leben stehen, handeln bewusster.

Aktuelle Stunde: Wie kommt es zu dem aggressiven Verhalten? Was staut sich bei den Jugendlichen an?

Schmitz: Junge Menschen sind auf der Startbahn des Lebens. Sie sind zwar schon auf Tempo, aber es ist noch völlig unklar, welche Turbulenzen auf sie zukommen. Hinzu kommt der gesellschaftliche Leistungsdruck. Vor allem bei Jungs schafft das Ungewissheit, Ärger und Reibung. Das muss irgendwo raus.

Aktuelle Stunde: Es werden immer mehr Fälle gemeldet. Wie kommt es zu diesem Nachahmertum?

Psychologe Ulrich Schmitz

Psychologe Ulrich Schmitz

Schmitz: Das Phänomen mit den Horror-Clowns kommt nicht wie Phönix aus der Asche, sondern hat Geschichte. Seit einiger Zeit läuft bei Youtube eine Prankwelle. Da werden Videos veröffentlicht, die zeigen, wie andere Menschen geleimt werden. Das wird millionenfach geklickt, vor allem von Jugendlichen in ihrem Zwischenreich zwischen Unabhängigkeit und großer Abhängigkeit von den Eltern. Und auf diese Stimmung aufgepropft haben wir jetzt diese Horror-Clown-Welle.

Aktuelle Stunde: Maske, Kettensäge, Messer. Da muss noch etwas dazukommen, um andere Menschen auch zu bedrohen. Was ist das?

Schmitz: Wir Menschen neigen dazu, Dinge zu toppen. Das haben wir bei verschiedenen Wellen im Internet wie zum Beispiel bei der Ice Bucket Challenge gesehen. Der Eimer kaltes Wasser reicht irgendwann nicht mehr, es muss die Baggerschaufel sein … So ist es hier auch. Eine kleine Schadenfreude und ein bisschen Ärger sind nicht genug. Dann kommt die laufende Kettensäge ins Spiel, um andere zu erschrecken – und sich selbst besonders toll zu fühlen.

Aktuelle Stunde: Was ist das Besondere an der Verkleidung als Clown?

Horror-Clown

Die Mischung aus Clown und Horror irritiert

Schmitz: Wir irritieren dann am meisten, wenn wir ein Phänomen nicht klar ausmachen können. So entstehen auch optische Täuschungen. Gerade diese Vermischung von Horror und Clown führt in unserer Wahrnehmung zu einer starken Irritation, weil man es nicht richtig einordnen kann. Da setzt der Schreckmoment ein. Hinzu kommt die Anonymität. Hinter der Clownsmaske kann man sich hervorragend verstecken. Man ist nicht identifizierbar und kann den Schreckmoment nutzen, um wieder abzuhauen.

Aktuelle Stunde: Müssen Menschen Angst haben vor dem, was gerade passiert?

Schmitz: Nein, mit Sicherheit nicht. Wenn wir auf alte Kunstwerke wie etwa die von Hieronymus Bosch blicken, sieht man böse Details und Gruseltierchen. Das Erschrecken ist schon immer ein Bestandteil von Menschen gewesen, auch der Spaß daran. Von daher rate ich: runterkochen. Das gibt sich wieder. Man sollte sich darauf einstellen, dass ein Horror-Clown um die Ecke kommen kann. Ich würde einfach gähnend abwinken und mich umdrehen.