"Blindflug im Auto"

Stand: 13.09.2016, 16:30 Uhr

"Wir würden doch auch nicht mitten auf der Straße 15 Sekunden die Augen schließen - auf einem Telefon zu tippen, ist genau dasselbe", sagt Nina Vogt von der Polizei Dortmund. Nach einer neuen Studie wird das Handy besonders oft auf der Autobahn genutzt. Nina Vogt beschreibt, was sie in ihrem Berufsalltag schon alles gesehen hat und das ist erschreckend!

Von Nina Vogt, Sprecherin der Dortmunder Polizei (Gastbeitrag)

An einen Fall erinnern sich meine Kollegen stets sofort. Ein Lkw-Fahrer telefonierte beim Fahren mit seiner Frau und verunglückte tödlich. Die Rettungskräfte bargen nicht nur ihn, der nicht mehr unter uns war, sondern auch sein Telefon - an dem noch immer seine Frau war. Der Fall ist besonders tragisch, aber er zeigt: Es kann nichts geben, das so wichtig ist wie das eigene Leben - und das anderer Menschen! Sie müssen sich Folgendes vorstellen: Schauen Sie auf den Tachometer, dauert das nur eine Sekunde. In dieser Zeit sind bei einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern bereits 14 Meter gefahren und bei 100 km/h bereits 30 Meter. Eine Mobilfunknummer oder einige Sätze ins Mobiltelefon einzugeben, dauert aber schon zehn bis fünfzehn Sekunden. In dieser Zeit sind Sie bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h schon 200 Meter gefahren und bei 100 km/h fast 400 Meter.

Diese Fahrer sind im Blindflug unterwegs

All denjenigen, die sagen, ich guck' doch nur mal kurz aufs Telefon, sage ich: Auf der Fahrbahn ist das ein unendlich langes Stück! Diese Fahrer sind im Blindflug unterwegs. Wir würden doch auch nicht mitten auf der Straße fünfzehn Sekunden die Augen schließen - aber auf einem Telefon zu tippen, ist genau dasselbe. Kollegen von uns aus Herdecke hatten bereits einen Fall, bei dem eine 21-jährige Fahrerin auf die Gegenfahrbahn geriet, weil sie offenbar eine Nachricht tippte. Wir selbst mussten 2014 in Dortund-Brechten erleben, wie ein 13-jähriger Junge von einem Auto in einen Graben geschleudert wurde, weil der Fahrer offenbar "nur kurz" aufs Display schaute. Der Junge leidet bis heute an den Folgen des Verkehrsunfalls.

Einen besonders dreisten Handyverstoß haben wir in diesem Jahr bei einem Gaffer beobachtet. Ein Lkw-Fahrer filmte beim Fahren mit seinem Handy einen Unfall auf der anderen Fahrtrichtung der Autobahn. Er hatte den gesamten Oberkörper in Richtung der Gegenfahrbahn gedreht und vom Geschehen auf seiner eigenen Straße nichts mehr mitbekommen. Das ist nicht mehr nur eine besorgniserregende Entwicklung, das ist wahnsinnig gefährlich. Unsere Kollegen konnten ihn dabei fotografieren - und den Verstoß damit auch ahnden. Wenn wir das Personal haben, stellen wir bei Unfällen inzwischen - so oft es geht - Polizisten ab, die wiederum die Gaffer fotografieren.

Dunkelziffer ist bei Handyverstößen hoch

Dass auf Autobahnen mehr Handyverstöße stattfinden als in der Stadt, können wir für den Zuständigkeitsbereich der Polizei Dortmund so nicht bestätigen. Aber die Dunkelziffer ist bei diesem Thema hoch: Wir können ja nicht jedes Fahrzeug 24 Stunden am Tag überwachen. Viele Handyverstöße werden wir also gar nicht feststellen und damit auch nicht ahnden können. Generell sind die Zahlen für solche Delikte in den letzten Jahren stark gestiegen, auch wenn wir von der Dortmunder Polizei von 2014 zu 2015 einen kleinen Rückgang verzeichnet haben.

Für die Zukunft machen wir uns große Sorgen. Für viele Menschen ist es selbstverständlich, dass sie ihr Telefon rund um die Uhr benutzen - eben auch am Steuer. Wir können nur versuchen, immer wieder daran zu erinnern, wie gefährlich das ist - und die Verstöße konsequent ahnden.