"Sehr konkreter Vorwurf gegen Erdogan"

Stand: 16.08.2016, 14:46 Uhr

Die türkische Regierung soll terroristische Organisationen bewusst unterstützen. Diese Einschätzung geht zumindest aus einem vertraulichen Schreiben der Bundesregierung hervor, das der ARD vorliegt. Was heißt das jetzt? Welche Brisanz hat diese Aussage? Das haben wir ARD-Korrespondent Arnd Henze gefragt, der das Papier gelesen hat:

Aktuelle Stunde: Wie sind Sie auf das geheime Papier gestoßen, in dem die Bundesregierung die Vorwürfe gegen die türkische Regierung und Präsident Erdogan erhebt?

Arnd Henze: "Das Schreiben ist die Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei. Im öffentlichen Teil davon heißt es, man könne zu den Fragen aus 'Gründen des Staatswohls' nichts sagen. Im vertraulichen Teil hingegen steht, dass die Regierungspartei AKP und der Präsident Terrororganisationen wie die Hamas nach Einschätzung der Bundesregierung unterstützen."

Aktuelle Stunde: Inwiefern ist diese Antwort auf die Anfrage brisant?

Henze: "Hinter vorgehaltener Hand hat man schon lange Verbindungen der Türkei zu den Terrororganisationen vermutet, aber es ist nie offen ausgesprochen worden. Nun lesen wir das schwarz auf weiß als Position der Bundesregierung - und sie beinhaltet den sehr konkreten Vorwurf gegen Präsident Erdogan, diese Unterstützung von islamistischen und terroristischen Gruppen persönlich zu fördern. "

Aktuelle Stunde: Welche Bedeutung hat das nun für das deutsch-türkische Verhältnis?

Henze: "Bislang hat unsere Regierung immer versucht, im Verhältnis mit der Türkei die Wogen zu glätten. Sie hat etwa auch Verständnis für die drastischen Maßnahmen nach dem Putschversuch gezeigt. Jetzt erhebt sie aber einen gravierenden Vorwurf - und das kann neue Spannungen zwischen den Ländern auslösen. Die Frage, die vor allem die Opposition stellt, lautet nun: Welches Bild der Türkei gilt nun? Ist sie Partner oder Drehkreuz für den Terror? "

Aktuelle Stunde: Nicht nur die widersprüchlichen Aussagen sind brisant, auch die Vorgehensweise hat überrascht.

Henze: "Es ist ungewöhnlich, dass das Innenministerium auf Basis von Informationen des Bundesnachrichtendienstes außenpolitische Fragen beantwortet. Für die wäre ja eigentlich das Auswärtige Amt zuständig. Dem lag die Stellungnahme aber nicht vor. Ob das ein bewusster Querschuss war oder einen Haltungswechsel der Regierung kennzeichnet, bleibt jetzt abzuwarten."

Aktuelle Stunde: Wie reagiert man in Berlin nun auf das Schreiben?

Henze: "Man ist alarmiert, nach außen dringt aber bislang wenig. Gewartet wird nun auf eine Reaktion der türkischen Regierung. Aber: In der Sache teilen ja viele den Verdacht, der ausgesprochen wurde. Und man wird diese Aussage wohl auch kaum zurücknehmen und sagen können, dass Erdogan doch nichts damit zu tun hat."