Angeklickt: Life in a Bubble

Stand: 28.10.2016, 18:05 Uhr

Vor drei Jahren war das Internet für die Kanzlerin noch "Neuland". Heute fordert sie von US-Konzernen wie Google oder Facebook, ihre Algorithmen offenzulegen. Tatsächlich weiß kaum jemand, wie Google zu seinen Suchtreffern kommt und nach welchen Kriterien Facebook entscheidet, welche Posts in der Timeline auftauchen. Unser Netzkenner Jörg Schieb erklärt.

Wenn wir einen Suchbegriff bei Google eingeben, passiert im Hintergrund jede Menge. Noch während wir tippen, gibt es erste Wortvorschläge und Google meint zu wissen, was wir eintippen wollen. Danach werden blitzschnell die passenden Webseiten herausgesucht und angezeigt. Und nicht nur Webseiten: Auch passende Infos, Bilder und Videos. Das alles machen wir täglich Dutzende Male, und sind in der Regel dankbar für die hilfreichen Suchergebnisse. Das Problem ist: Google allein entscheidet, was relevant ist und was nicht, was bei den Fundstellen auf den ersten Plätzen landet und was ganz weit hinten.

Suchmaschinen wie Google haben damit eine ungeheure Macht: Was sie für relevant halten, ist auch relevant. Denn wenn die eigentlich gesuchte Webseite auf Seite drei oder zehn erscheint, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass wir darauf klicken.

Wer oder was entscheidet darüber, was wir im Netz finden?

Was relevant ist und was nicht, entscheidet ein komplexer Algorithmus. Ein Computerprogramm, das sich jede einzelne Webseite genau anschaut. Es spielt eine Rolle, wie lang der Text ist, wie seriös der Autor, wie viele andere Webseiten auf die Seite verlinken und vieles andere mehr. Über 200 Kriterien gibt es. Google informiert im Netz nur grob über die Mechanismen.

Doch die eigentliche Formel ist und bleibt geheim. Keine Suchmaschine verrät, welche Faktoren eine Rolle spielen und wie groß die Bedeutung bestimmter Aspekte ist. Ist es also beispielsweise wichtiger, einen langen Text zu haben oder viele andere Webseiten, die auf eine Seite verlinken?

Wir können also weder sehen noch wissen, ob uns die Kriterien überzeugen. Genau das kritisiert die Bundeskanzlerin - Angela Merkel wüsste gerne genauer, nach welchen Kriterien das Wissen der Welt sortiert, geordnet und gewichtet wird.

Denn ständig werden die Algorithmen feinjustiert und verändert. Was heute noch wichtig war, um auf den vorderen Rängen zu stehen, kann morgen schon unwichtig sein – und umgekehrt. Das macht schon deutlich, wie willkürlich die Beurteilung erfolgt. Die Konzerne entscheiden, was gut für uns ist.

Wenn allerdings zu genau bekannt ist, wie die Suchmaschinen Inhalte bewerten, wäre das auch nicht gut. Denn es gibt eine Vielzahl von Dienstleistern, die gegen Bezahlung eine Suchmaschinenoptimierung anbieten. Bei der "Search Engine Optimization" werden die Inhalte so frisiert, dass sie in den Suchmaschinen besser auffindbar sind.

Auch das verzerrt die Wirklichkeit. Und je mehr die Experten darüber wissen, wie Suchmaschinen bewerten, desto gezielter können sie ihre Webseiten anpassen.

Zeigen die Sozialen Medien das Internet neutraler?

Nicht nur Suchmaschinen entscheiden, was wir sehen und was nicht. Das gleiche Phänomen haben wir bei YouTube, Facebook, Twitter und Co. Auch hier spielt "Relevanz" eine Rolle – und die Anbieter entscheiden, was in der Trefferliste auftaucht.

Im Fall von Facebook ist es sogar so, dass keineswegs alles in meiner Timeline zu sehen ist. Wenn ich mit vielen Menschen befreundet bin, filtert Facebook eigenständig Posts heraus: Die nach Ansicht von Facebook interessant für mich sind, erscheinen – die aus Sicht von Facebook uninteressant sind, werden unterdrückt.

Facebook hat einen "Edgerank" genannten Algorithmus im Einsatz, der da vollkommen automatisch entscheidet. Auch Facebook informiert uns grob, welche Kriterien es gibt. Aber nicht im Detail. Facebook hat also die Macht und ist der Herrscher über Sichtbar und Unsichtbar.

Was die Filterbubble den Nutzern zeigt

Weil die Algorithmen von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken dazu tendieren, uns nur das zu zeigen, was uns interessiert, entsteht eine sogenannte Filterblase: Alle Nachrichten, Bilder, Postings, die nicht zu unseren Interessen passen, erscheinen erst gar nicht.

Wenn Vegetarier keine Steaks zu sehen bekommen, mag das noch nützlich erscheinen. Wenn aber bestimmte politische Themen unterdrückt werden, weil sie nicht zu meinen Interessen passen, hat das eine einseitige Sichtweise zur Folge. Man hat das Gefühl, alle Freunde denken gleich – weil die Freunde, die anders denken, nicht in der Timeline auftauchen.

Mit einem Trick kann man es aber schaffen, dass alles in der Facebook-Timeline auftaucht. Zumindest die Postings aller Freunde. Das geht aber nur am Computer – nicht auf dem Smartphone. Wie das geht, erklärt Jörg Schieb im Blog.