Wirtschaftsfaktor FIFA

Wer kann Druck auf die FIFA ausüben?

Stand: 28.05.2015, 19:01 Uhr

Bestechungsvorwürfe rund um die Vergabe von Medien- und Werberechten haben in Zürich zu Festnahmen von FIFA-Funktionären geführt. An Sepp Blatter scheinen die Vorwürfe abzuperlen. Wer kann Druck auf die FIFA ausüben?

Wer profitiert von der FIFA und dem System Blatter?

Vor allem die kleinen Länder, die auf die FIFA und ihre Geldzahlungen angewiesen sind, sagt der Sportjournalist Robert Kempe. "Blatter ist seit 40 Jahren in der FIFA, seit 17 Jahren Präsident und war Generalsekretär – er hat quasi jedes Amt inne gehabt, das es im Fußballweltverband gibt, und kennt den Verband in- und auswendig. Er fing mit der Entwicklungshilfe im Verband an und kennt dadurch jeden der 209 Verbandsvertreter in Afrika und der Karibik mit Namen. Solange die wissen, dass sie das Geld bekommen, so lange sind sie Blatter auch loyal."

Wem schadet das System?

"Der Fußballsport an sich ist der ideelle Akteur, der am stärksten darunter leidet", sagt Jürgen Mittag, Leiter des Instituts für europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung der Sporthochschule Köln. "Verlierer sind all diejenigen, die bestimmte Ansprüche an den Fußballsport an sich haben und die Werte im Sport. Die Integrität des Sports hat am stärksten in vergangenen Jahren gelitten." Die FIFA firmiere zwar als gemeinnütziger Verein, der sich "Fairplay" auf die Fahnen geschrieben habe, stehe aber gerade nicht für Wertvorstellungen und Normen, die damit verbunden seien. "Wenn man sich anschaut, was in den letzten Jahren unter den Begriffen der Korruption und Bestechung im Rahmen der FIFA auszumachen war, dann muss man sagen: Das kann so nicht im Sinne des Fußballs und der Integrität des Fußballs sein", sagte Mittag.

Wer kann Druck auf die FIFA ausüben?

Die FIFA sei ein in sich geschlossenes System, in dem es nur begrenzt Gegengewichte gebe, so das nüchterne Fazit des Sportpolitik-Experten Mittag. "Gerade Sportorganisationen, die erhebliche Finanzmittel besitzen, verfügen über Möglichkeiten, diese Mittel immer zur eigenen Machtsicherung einzusetzen." Das sei auch der Grund, warum in der Exekutive und in der Führungsspitze in internationalen Sportorganisationen nur relativ wenige Amtswechsel stattfinden. Um das zu ändern, gebe es drei Möglichkeiten, sagte Mittag: "Man müsste erstens innerhalb der FIFA ansetzen, was schwierig ist, weil es keine namhafte Opposition gibt, die auch über entsprechende institutionelle Möglichkeiten verfügt. Zweite Möglichkeit wäre, außerhalb der Organisation anzusetzen. Hier könnte man die Wirtschaftsunternehmen fragen, die den Fußballweltverband sponsern. Drittens müsste man beim Konsumenten ansetzen, also beim Fußballzuschauer."

Was können Fußballfans tun?

"Es gibt viele kritische Fans", weiß ARD-Sportjournalist Kempe. "Die FIFA hat nicht den besten Stellenwert, sie wird oft mit Korruption, Nepotismus und mafiösen Strukturen in Verbindung gebracht. Es gibt, glaube ich, niemanden, der im Fußball ein so schlechtes Image hat wie die FIFA. Das ist ja das Surreale: Fußball ist so erfolgreich wie nie und der Weltverband hat die schlimmsten Imagewerte, die man sich vorstellen kann." Jeder einzelne müsste sich fragen, ob er die FIFA durch den Fußball-Fernsehkonsum unterstützen will – oder nicht, sagt auch Jürgen Mittag. Der Sportpolitik-Experte weiß, dass dieser Vorschlag nicht fruchten wird. "So kritisch die Dinge im Vorfeld einer Fußballweltmeisterschaft oder einer Präsidentschaftswahl auch beleuchtet werden: Wenn der Ball einmal rollt, sind alle Kritikpunkte vergessen. Dann stürzen wir uns alle mit Verve auf das Fußballereignis." Fußball sei einfach ein Premiumprodukt – und werde von den Konsumenten auch als solches wahrgenommen.

Würde ein Boykott der FIFA etwas bringen?

Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport von Transparency International, spricht sich gegen einen Boykott der FIFA oder der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft aus. Das bringe nichts, sagte sie im Südwestrundfunk. Stattdessen müsse der Fußballweltverband von innen erneuert werden. Die Sportexpertin forderte die deutschen und europäischen Fußball-Funktionäre auf, sich noch mehr bei der FIFA zu engagieren, den Mund aufzumachen, die wunden Punkte anzusprechen und so mehr Druck auszuüben. Auch den Forderungen, die Weltmeisterschaften in Russland und Katar neu auszuschreiben, erteilte Schenk eine Absage. Es gebe bisher keinen Nachweis, dass bei der Vergabe Korruption stattgefunden habe. Stattdessen müsse bei den Migrantenarbeitern in Katar mehr Druck gemacht werden. Man dürfe die anderen Probleme bei der FIFA "nicht aus den Augen verlieren".

Welche Macht haben die Sponsoren?

Der FIFA-Korruptionsskandal lässt bei den Sponsoren des Fußballweltverbandes die Alarmglocken schrillen. Die wichtigsten Werbepartner fürchten aufgrund der kriminellen Machenschaften der Topfunktionäre immer mehr auch um das eigene Image ihrer Marken. Sowohl der Kreditkartenriese VISA als auch der deutsche Sportartikelhersteller Adidas sowie der Coca-Cola-Konzern gaben Pressemitteilungen heraus, in denen sie den Verband zu sauberen Geschäften auffordern. Ende vergangenen Jahres waren aufgrund des Image-Desasters die FIFA schon die langjährigen Sponsoren Sony und Emirates abgesprungen. Sylvia Schenk von Transparency International bezeichnet die Gefahr massiver Einnahmeverluste für die FIFA als einen Weg zu glaubwürdigen Veränderungen. "Jeder Druck hilft", so Schenk.

Welche Rolle spielen die Medien?

"Die Medien agieren nicht viel anders als die Zuschauer", sagt Sportpolitik-Experte Mittag. "Aktuell kocht die Erregung hoch; es gibt eine intensive Berichterstattung und die wird auch über die Wiederwahl von Blatter anhalten. Dann wird das Interesse aber wieder deutlich zurückgehen und die eigentliche Spielberichterstattung in den Vordergrund rücken", so seine Prognose. Spätestens wenn die nächste Fußball-WM laufe, würden die Negativentwicklungen der letzten Jahre kein Thema mehr sein. "Deshalb muss ich auch den Medien den Vorwurf machen, Spielball des Systems FIFA zu sein. Man stellt zwar kritische Fragen, aber die Anzahl der Journalisten, die sich mit sportpolitischen Fragen beschäftigen, ist doch relativ überschaubar."

Der nächste Höhepunkt im FIFA-Kalender ist die Fußball-WM der Frauen in Kanada vom 6. Juni bis 5. Juli 2015.