TÜV-Zertifikate

Wo TÜV draufsteht, ist auch TÜV drin?

Stand: 09.04.2015, 19:06 Uhr

Der TÜV steht für sichere und gute Produkte, für unabhängige Überprüfung und Qualität. Zertifiziert wird alles Mögliche, Aufzüge, Kinderspielzeug und sogar Finanzprodukte. Doch bewertet wird oft nicht das ganze Produkt - für Kunden unübersichtlich, kritisieren Verbraucherschützer.

Was der TÜV mit seinem Zeichen versieht, ist sicher und gut. Davon ging auch die Frau aus, die den TÜV Rheinland auf Schadensersatz wegen mangelhafter Brustimplantate verklagt hat. Und da war der Anlageskandal der Firmengruppe S&K Immobilien, bei dem sich viele Anleger auf die Bescheinigung des TÜV Süd verlassen hatten. Wie sicher sind also die TÜV-Siegel, und was sagen sie aus?

Was ist der TÜV?

Wegen der zunehmenden Unfälle mit explodierenden Dampfkesseln während der Industrialisierung gründeten Unternehmen, die überwachungspflichtigte Anlagen betrieben, Ende des 19. Jahrhundert in ganz Deutschland regionale Vereine zur Überwachung der der Dampfkessel, sogenannte "Dampfkessel-Überwachungs-und Revisions-Vereine" (DÜV). Ab 1871 entband die Mitgliedschaft in einem solchen Verein ein Unternehmen von der staatlichen Inspektion. Die Selbsthilfe-Organisation übernahm somit die zuvor von staatlicher Seite erfolgte Überprüfung. Später wurde das auf andere technische Bereiche ausgeweitet, etwa die regelmäßige Fahrzeugüberprüfung sowie die Führerscheinprüfung. Der Name änderte sich in TÜV, für Technischer Überwachungsverein.

Inzwischen sind aus den Vereinen Gesellschaften hervorgegangen, die in Deutschland überwiegend in den drei großen Holdings TÜV Süd, TÜV Rheinland und TÜV Nord organisiert sind. Nach wie vor nehmen sie hoheitliche Überwachungsaufgaben wie den Fahrzeug-TÜV oder andere Sicherheitsüberprüfungen wahr. Das geht, da alle TÜV-Gesellschaften zu mindestens 25,1 Prozent einem Technischen Überwachungsverein e.V. angehören, der nach wie vor als Selbsthilfe-Organisation der deutschen Wirtschaft vom Staat mit den genannten hoheitlichen Aufgaben beliehen ist ("TÜV-Konvention").

Welche Produkte prüft der TÜV?

Die Palette dessen, was die TÜV-Gesellschaften prüfen, hat sich inzwischen stark vergrößert. Das reicht von technischen Sicherheitsfragen bei Autos, Fahrstühlen und Geräten über Kinderspielzeug bis hin zu Kundenzufriedenheit, Serviceleistungen und Banken- und Versicherungsprodukten. Die ursprünglich regionale Abgrenzung der Vereine ist infolge von Deregulierung und Liberalisierung aufgelöst, sodass die Gesellschaften inzwischen auch miteinander und mit anderen Unternehmen konkurrieren - zumindest in den Bereichen der freien Wirtschaft - und das weltweit. In Deutschland erwirtschaften die TÜV-Gesellschaften einen jährlichen Gewinn von über vier Milliarden Euro.

Was sagt ein TÜV-Zertifikat aus?

Ein vom TÜV zertifiziertes Produkt muss nicht in seiner Ganzheit überprüft und für "sehr gut" beziehungsweise "gut" befunden sein. Insofern ist das Zertifikat keine Empfehlung für ein Produkt, der man blind vertrauen kann. Ein genaues Hinschauen, was tatsächlich überprüft wurde und was die Prüfkriterien waren, ist nötig. So kann das Siegel beispielsweise lediglich einen Nebenprozess abdecken, etwa die Beratungsqualität zu einer Lebensversicherung. Zur Qualität der Versicherung selbst sagt es dann nichts aus. Oder Fondsprodukte erhalten bezogen auf ihre plausiblen Prospekte eine sehr gute Note. Qualität und Sicherheit spielen bei der Beurteilung aber keine Rolle.

Kritik an TÜV-Zertifikaten im Bereich freie Wirtschaft

Verbraucherschützer kritisieren, dass Kunden mit den Zertifikaten in falscher Sicherheit gewiegt werden. Neben den nur für einzelne Produktprozesse vergebenen Siegeln gibt es solche, hinter denen sich andere Prüfkriterien verbergen, als der Kunde gemeinhin erwartet. Ein Beispiel ist das Zertifikat "Service tested" des TÜV Saarland. Bekommen kann das jeder, vom Möbelhaus, Reiseveranstalter und Behörde bis Makler, Autohaus oder Internetportal. Denn dahinter verbirgt sich eine Kundenbefragung, meist auf Basis der Daten, die der TÜV vom jeweiligen Unternehmen direkt bekommt.

Der Eindruck, dass jeder ein Zertifikat bekommen kann, der dafür zahlt, drängt sich Kritikern auf, nicht zuletzt durch die fast wahllos erscheinende Ausweitung der Bereiche, die zertifiziert werden. Zum Beispiel prüfen TÜV Nord und TÜV Rheinland im Auftrag von Palmölproduzenten, ob deren Plantagen in Asien den Vorgaben des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) genügen, also "nachhaltig" betrieben werden. Dabei käme es immer wieder zu Gefälligkeitsgutachten, sagen Kritiker. Insgesamt verhärtet sich ihr Verdacht: Es gehe den TÜV-Gesellschaften darum, immer größer zu werden, um Wachstum, um Umsatzsteigerung. Alle TÜV-Gesellschaften haben inzwischen Aktiengesellschaften oder andere privatwirtschaftliche Unternehmensformen gegründet, die Bedeutung von Unternehmensgewinnen lässt sich da kaum kleinreden. Die Währung für das Wachstum ist der nach wie vor gute Ruf des TÜV-Siegels.

Zertifikate für Medizinprodukte

Aktuell musste sich der TÜV Rheinland fragen lassen, ob er bei der Zertifizierung des Produktionsprozesses der Brustimplantate der französischen Firma PIP versagt hat. Verhandelt wurde vor dem Bundesgerichtshof, der das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Prüfpflichten des TÜV vorgelegt hat. Problematisch bei der Beurteilung ist, dass Medizinprodukte registriert werden und ein CE-Siegel bekommen. Damit sind sie für den Handel zugelassen, aber eine Prüfung der Patientensicherheit, wie es sie bei Arzneimitteln gibt, findet nicht statt.

Die Gerichte lehnten einen Anspruch von Betroffenen aber bisher mit der Begründung ab, der TÜV sei nicht mit einer Aufsichtsbehörde vergleichbar und habe wie ein privater Gutachter im Auftrag des französischen Herstellers nur bescheinigen sollen, ob die angewandte Technologie und das Verfahren korrekt seien. Ob PIP für die Implantate zugelassenes Silikon benutzt habe, habe ausschließlich in der Verantwortung der französischen staatlichen Behörden gelegen.