Nach dem Mülheimer Stellwerksbrand

Ohne Weichensteller läuft nichts

Stand: 05.10.2015, 12:19 Uhr

Ein Stellwerk brennt aus, hunderttausende Pendler spüren die Folgen. Wie werden nach dem Ausfall in Mülheim an der Ruhr Signale und Weichen bei der Bahn gesteuert? Machen neue Betriebszentralen und Computertechnik den Schienenalltag sicherer?

Wie viele Reisende sind betroffen?

Hier gibt es nur Schätzungen. Das Stellwerk liegt an der Strecke zwischen Duisburg und Essen, eine der meistbefahrenen der Welt. Dort verläuft eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen der Deutschen Bahn. Sie geht von einer Million Pendlern aus, die jeden Tag auf den betroffenen Strecken unterwegs sind. Betroffen ist vor allem der Nahverkehr zwischen Duisburg und Essen. Der Fernverkehr wird über Gelsenkirchen und Wuppertal umgeleitet, er hält daher nicht in Bochum und Essen. Dazu kommen noch Güterzüge.

Wie kann das ausgebrannte Mülheimer Stellwerk ersetzt oder überbrückt werden?

"Das geht leider nur sehr schwer oder sehr eingeschränkt", sagt Bahnsprecher Dirk Pohlmann. Ein Stellwerk ist eine wichtige Schaltzentrale der Bahn. Hier wird entschieden, ein Signal auf Grün oder Rot zu setzen, einen Zug fahren zu lassen oder nicht. Weil das Löschwasser die Schalttechnik des Stellwerks zerstört hat, müssten die für einen sicheren Fahrbetrieb wichtigen Infos nun manuell weitergegeben werden. "Aktuell sind die Weichen in eine Richtung fest gestellt, damit einige Linien in eine Richtung durchfahren können." Es könne kein Nachbar-Stellwerk die Aufgaben des Mülheimer Standorts übernehmen. Außerdem werden zahlreiche Züge umgeleitet, es fahren Ersatzbusse.

Wann läuft alles wieder normal?

Dazu will die Deutsche Bahn aktuell keine Aussage machen. Am Montag (05.10.2015) tagt ein Krisenstab. Klar ist nur: Ist das Relais-Stellwerk aus dem Jahr 1967 ein Totalschaden, könnte ein Wiederaufbau Jahre dauern. Ob das nötig ist, kann erst entschieden werden, wenn die Bahn sich den ausgebrannten Technik-Raum in Ruhe ansehen konnte. Da die Technik aus den 60er und 70er Jahren stammt, könnte es zudem schwierig sein, Ersatzteile zu besorgen.

Was ist ein Relais-Stellwerk?

Einfach gesagt, ist es ein Stellwerk, in dem Knöpfe gedrückt werden, es funktioniert elektrisch. Es gibt nur "An" und "Aus". Das Drücken einer einzelnen Taste macht noch nichts, es müssen in der Regel zwei Tasten gedrückt werden, damit Signale und Weichen für eine Fahrt gestellt werden. So sollen Fehler vemieden werden. Die Deutsche Bahn ersetzt derzeit in NRW immer mehr alte Stellwerke durch neue elektronische Stellwerke, die mit der Betriebszentrale in Duisburg verbunden sind. Für den Standort in Mülheim war das für 2020 geplant.

Was ist ein elektronisches Stellwerk?

In einem elektronischen Stellwerk (ESTW) läuft die gesamte Steuerung über Computer. Statt Bedienungshebeln und -knöpfen sind jetzt der Bedienstift, die Maus oder eine Rollkugel das Arbeitsgerät des Fahrdienstleiters. Strecken werden "freigeklickt". Das System verweigert eine Eingabe, wenn zum Beispiel versehentlich zwei Züge auf ein Gleis geschickt werden. Dabei ersetzt ein ESTW mehrere kleine alte Stellwerke. Mit der Inbetriebnahme des elektronischen Stellwerks Wuppertal (geplant für 2017) sollen zum Beispiel die Stellwerke in Gruiten, Wuppertal-Vohwinkel und Wuppertal Hauptbahnhof aus den 1960ern und 70er Jahren abgelöst werden. Gesteuert wird alles dann aus Betriebszentrale der DB Netz AG in Duisburg.

Was bedeutet die zentrale Steuerung für künftige Ausfälle?

Je weniger Stellwerke es gibt, desto größer könnten die Auswirkungen sein, wenn eines ausfällt. Bahnsprecher Dirk Pohlmann kann zumindest beruhigen, was die bereits laufenden elektronischen Stellwerke angeht: Abgesehen von Umstellungsproblemen beim Start habe es in NRW keine auffälligen Störungen mehr gegeben. Gibt es Probleme bei der Datenübermittlung von der Zentrale in Duisburg, könnten vor Ort Mitarbeiter an Notbedienplätzen eingreifen. Dass es nicht eine bundesweite Zentrale für die Steuerung des kompletten Bahnverkehrs gibt, begründet die Bahn mit der Sicherheit. Fahrdienstleiter bräuchten immer gute Ortskenntnis und müssten den Überblick behalten können.