Gesetz soll Patienten schützen

Wenn der Arzt korrupt ist

Stand: 29.07.2015, 10:22 Uhr

Harte Strafen für niedergelassene Ärzte, die sich bestechen lassen. Dazu gibt es jetzt einen Gesetzentwurf - und die Pharmaindustrie will Zuwendungen künftig öffentlich machen. Verbraucherschützern reicht das alles nicht.

Was soll der neue Gesetzentwurf?

Geld oder Geschenke annehmen - zum Beispiel dafür, dass sie Medikamente einer bestimmten Firma verschreiben. Bislang machten sich damit nur angestellte Ärzte strafbar, bei niedergelassenen Medizinern gab es eine Gesetzeslücke. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hatte vor rund zweieinhalb Jahren entschieden, dass das jetzige Strafrecht nicht auf niedergelassene Mediziner anwendbar sei, weil sie weder als Amtsträger noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen handeln.

Für wen soll das Gesetz gelten?

Außer für niedergelassene Ärzte auch für Apotheker, Physiotherapeuten und Pflegekräfte. Niedergelassene Ärzte sind Ärzte, die eine eigene Praxis oder Gemeinschaftspraxis haben. Das können zum Beispiel Hausärzte sein, aber auch Fachärzte wie etwa Orthopäden, Augenärzte oder Frauenärzte. Ihnen drohen nach dem Gesetzentwurf bis zu drei Jahren Haft, wenn sie sich bestechen lassen. Besonders schwere Fälle von Bestechung oder Bestechlichkeit sollen sogar mit fünf Jahren Haft geahndet werden.

Wie groß ist das Problem der Korruption?

"Das weiß niemand", sagt Ilona Köster-Steinebach, Gesundheitsexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Das liegt daran, dass die Strafverfolgung bisher nicht möglich war, da es kein Gesetz gab." Eine letzte anonyme Umfrage vom GKV Spitzenverband stammt von 2011. Demnach gaben 52 Prozent der befragten Ärzte an, schon mal Geldgeschenke erhalten zu haben. 38 Prozent berichteten von Sachgeschenke, 27 Prozent seien bezahlte Kooperationen eingegangen, 21 Prozent haben sich Tagungen bezahlen lassen.

Das grundsätzliche Problem an Korruption im Gesundheitswesen, so Köster-Steinebach: "Korruptes Verhalten zielt ja immer darauf ab, dass Patienten eine andere Versorgung bekommen, als die medizinisch angemessenste. Daraus folgt auch, dass Patienten auch körperlich geschädigt werden können, weil sie wegen Korruption eine andere als die richtige Behandlung bekommen."

Wie gut ist der Gesetzentwurf aus Sicht von Verbraucherschützern?

Es ist gut, dass es ihn gibt, sagt Ilona Köster-Steinebach. Die Gesundheitsexpertin vom Bundesverband der Verbraucherzentralen schiebt aber direkt ein "Aber" hinterher: Es gebe dringend Verbesserungsbedarf. Durch das Gesetz werden bisher nur geschützt:

  • der Wettbewerb, das heißt derjenige Hersteller, der nicht zum Zuge kommt, weil ein anderes Medikament verordnet wird als seines.
  • die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen - die Kassen sollen davor geschützt werden, zu teure Leistungen zu zahlen, weil zum Beispiel ein Arzt Zuwendungen erhalten hat.

Nicht geschützt würden im Augenblick der Patient, sein Vertrauen in das Gesundheitssystem und seine Gesundheit. Und laut Gesetzentwurf dürfen und können Patienten, Patientenorganisationen und auch Verbraucherschützer auch künftig bei Korruptionsverdacht keinen Strafantrag stellen. "Sie können sich bei einem Verdacht nur an ihre Krankenkasse wenden und hoffen, dass die Kasse dem nach geht", sagt Ilona Köster-Steinebach.

Wie können Patienten mögliche Korruption erkennen?

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen nennt folgende Beispiele auf die man achten kann:

  • Wenn ein Patient von einem Medikament, das gut funktioniert, auf ein anderes umgestellt wird.
  • Wenn es eine Empfehlung für einen Behandler gibt, ohne dass es dafür eine Begründung gibt. Eine gute Begründung wäre zum Beispiel eine Empfehlung für einen Arzt, der eine Operation besonders häufig vornimmt.
  • Medikamente, die Patienten gratis als Pröbchen mitgegeben werden, sind laut Verbraucherzentrale übrigens kein Grund zur Sorge.

Was sagen die Ärzte zum Gesetz?

Viele sind von dem Gesetz offenbar nicht begeistert. Das Online-Ärztenetzwerk coliquio, nach eigenen Angaben mit 125.000 Ärzten das größte im deutschsprachigen Raum, hat seine Mitglieder befragt. Das Ergebnis: Die Gegner seien bisher in der Überzahl. Bei der Umfrage machten allerdings nur 275 Ärzte mit. 42 Prozent waren der Meinung: Selbst kleinste Geschenke zu verbieten, sei der falsche Ansatz. In den Raum zu stellen, dass Ärzte sich durch Kugelschreiber und Notizblöcke bestechen lassen, sei geradezu beleidigend.

Dr. Peter Potthoff ist Vorsitzender der Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO), dem Zusammenschluss aller Ärzte, Psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Nordrhein, die Kassenpatienten behandeln. Er sagt: Das Gesetz sei nicht schädlich, aber im Grunde überflüssig. Korruption könne schon durch die Berufsordnung bestraft werden.

Wie reagiert die Pharmaindustrie?

Die Pharmaindustrie setzt auf freiwillige Maßnahmen: Viele Unternehmen haben sich im Verein "Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie" zusammengeschlossen. Sie wollen ab 2016 veröffentlichen, welche Zuwendungen sie an Ärzte, Krankenhäuser und gesundheitspolitische Institutionen leisten, so steht es im so genannten "Transparenzkodex" des Vereins. Laut Verein sind alle großen internationalen Pharma-Unternehmen Mitglied - darunter zum Beispiel Bayer, Grünenthal, Novartis, Pfizer, Merck.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht das zwiegespalten. Auf der einen Seite sei es gut, dass sich relevante Firmen zur Einhaltung bestimmter Regeln verpflichten. Auf der anderen Seite sei eine unabhängige Kontrolle besser als eine freiwillige Selbstauskunft. "Solche freiwilligen Selbstauskünfte und Kontrollen erfolgen gerne dann, wenn ansonsten eine schärfere Gesetzgebung droht", sagt Ilona Köster-Steinebach vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.