Klagen im Abgas-Skandal

Betrug, Mängel, Schadensersatz

Stand: 07.10.2015, 21:25 Uhr

Eine Kölner Autobesitzerin klagt im Abgas-Skandal gegen VW. Lohnt sich das? Vier Vorwürfe, die vor Gericht verhandelt werden können und ihre Aussicht auf Erfolg.

Vorwurf 1: Das Auto hat einen Sachmangel

  • Der Vorwurf: Das Auto hat einen Sachmangel, im konkreten Fall: eine Software, die Abgaswerte manipuliert.
  • Vorgehen: Der Käufer wendet sich an den Händler, wenn die Frist nicht abgelaufen ist. Der Händler hat den Wagen verkauft und muss den Mangel beheben. Allerdings: Zuerst muss nachgewiesen werden, dass in einem Prüfzyklus ein Mängel aufkam, weil die Software lief. "Die Tatsache, dass die Manipulationssoftware in einem Wagen aufgespielt wurde, ist noch kein Sachmangel", erklärt der Düsseldorfer Fachanwalt für Verkehrsrecht Henrik Momberger.
  • Macht es Sinn zu klagen? Derzeit nicht. Das sagen Momberger und auch Beate Wagner, Rechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Wagner: "Eine Klage macht erst dann Sinn, wenn VW sich nicht kooperativ zeigt." Danach sieht es aber derzeit eher nicht aus. Die Rückrufaktion soll im Januar beginnen. Dann sollen die Fahrzeuge nachgebessert werden.
  • Welche Fristen gelten? Wer als Privatmann einen Neuwagen kauft, muss Sachmängel ab dem Tag des Kaufes innerhalb von zwei Jahren geltend machen. Bei einem Gebrauchtwagen gilt eine Frist von einem Jahr.

Vorwurf 2: Der Händler hat mich betrogen

  • Der Vorwurf: Der Händler wusste von der Software und hat den Autokäufer betrogen.
  • Vorgehen: Der Käufer erstattet Anzeige und muss dem Händler nachweisen, dass er beim Verkauf Kenntnis davon hatte, dass in dem Wagen eine entsprechende Software verbaut ist.
  • Wie sind die Chancen auf Erfolg? Im Juristendeutsch geht es um die sogenannte Arglist. Sie muss dem Verkäufer nachgewiesen werden. "Das dürfte kaum funktionieren", sagt der Fachanwalt Momberger.

Vorwurf 3: Mir ist durch die Manipulation ein Schaden entstanden

  • Der Vorwurf: Dem Käufer ist durch die manipulierte Software ein Schaden entstanden – etwa durch die notwenige Nachbesserung, durch eventuelle Mehrkosten beim Kraftstoffverbrauch oder auch durch eine Wertminderung; der Skandal könnte auch Auswirkungen auf den Wiederverkaufswert der Autos haben.
  • Vorgehen: Der Käufer wendet sich innerhalb der Sachmängelfrist an den Händler oder nach Ablauf der Verjährungsfrist bei Bestätigung des Manipulationsvorwurfs an den Hersteller. Er macht Ansprüche aus sittenwidriger Schädigung geltend, so der Jurist.
  • Macht es Sinn zu klagen? "Schadensersatzansprüche kommen gegen VW durchaus in Betracht", sagt Fachanwalt Momberger. Trotzdem rät er zum Abwarten. "Wenn ich VW in der Sache juristisch beraten würde, würde ich zu einer Pauschale zur Wertminderung raten. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die juristischen Berater das Thema mit dem Konzern diskutieren und dass so eine Pauschale zusätzlich zur Nachbesserung angeboten werden wird."

Vorwurf 4: Das Auto hat erhebliche Mängel

  • Der Vorwurf: Das gekaufte Fahrzeug hat erhebliche Mängel und erfüllt nicht das, was beim Kauf versprochen wurde.
  • Vorgehen: Der Käufer erklärt gegenüber dem Verkäufer den Rücktritt vom Kaufvertrag; wenn der Verkäufer dies nicht akzeptiert, besteht die Möglichkeit der Klage.
  • Wie sind die Chancen auf Erfolg? Nicht gut. Damit ein Mangel als erheblich gilt, müsste zum Beispiel die Nachbesserung mehr als fünf Prozent des Kaufpreises kosten oder der Kraftstoffverbrauch um mehr als zehn Prozent davon abweichen, was beim Kauf versprochen wurde, so der Jurist.

Die Aussicht auf Erfolg ist bei Klagen sehr zweifelhaft. Trotzdem werben Kanzleien im Abgas-Skandal mit kostenloser Erstberatung. Warum?

Ob erfolgreich oder nicht: Kanzleien können an solchen Fällen schnell verdienen. Ihr Lohn bemisst sich am Streitwert – und der Streitwert ist der (hohe) Fahrzeugwert. "Das muss jeder Anwalt selbst wissen", sagt Momberger. "Ich halte das Vorgehen aufgrund der jetzigen Situation für ein Geschäftsmodell, dass es bei uns nie geben würde."