Die geschenkte Stunde

Susanne hilft bei Lauras wichtigem Brief

Stand: 23.02.2015, 11:37 Uhr

Als 16-Jährige zum ersten Mal die leibliche Mutter wiedertreffen? Und dann erfahren, dass es da noch eine ältere Schwester gibt? Laura erlebt das gerade. Zusammen mit Susanne Wieseler schreibt sie den ersten Brief an die unbekannte Schwester.

Laura hatte keinen leichten Start ins Leben. Ihre Mutter ist schwer alkohol- und drogenabhängig - auch in der Schwangerschaft war sie das. Gleich nach der Geburt hat die Mutter Laura abgegeben. Mit neun Wochen kam sie zu ihren Pflegeeltern. Die Prognose damals: Sie würde nie laufen und sprechen lernen. Dank dem Engagement ihrer Pflegefamilie kann sie das heute - und vieles mehr. Die Ärztliche Kinderschutzambulanz in Remscheid betreut Laura. Und von dort kam auch die Bitte um eine ungewöhnliche Geschenkte Stunde: Laura möchte einen Brief an ihre unbekannte Schwester schreiben. Dafür braucht sie Hilfe.

Woher komme ich?

Susanne Wieseler kommt und trifft Laura in der Kinderschutzambulanz. Wolfgang Köppe betreut die Jugendliche und ihre Pflegefamilie seit zwei Jahren. Damals hatte Laura Wut im Bauch, fühlte sich verloren. Weil sie wissen wollte, wo sie herkommt, wer ihre leibliche Mutter ist. Köppe war in der schwierigen Zeit ihr "Coach", sagt sie heute. "Übersetzer", sagt er dazu. Er habe ihr gezeigt, wie es zu Hause besser laufen kann.

"Ich war zerrissen im Inneren"

In der Remscheider Einrichtung begegnete Laura vor fünf Monaten auch erstmals ihrer leiblichen Mutter. "Das war ein Schock. Aber ich habe ihr die Chance gegeben, mich kennenzulernen", sagt Laura. "Ich war erst einmal zerrissen im Inneren. Wusste nicht, wohin mit mir." "Ich habe gehört, Du hast noch eine ältere Schwester", fragt Susanne nach. "Ich weiß, dass sie in Griechenland lebt, in einem Heim. Da soll sie ihren Schulabschluss machen", sagt Laura. Nun will sie auch diese Lücke in ihrem Leben schließen - und ihre Schwester Jennifer kennenlernen.

Jedes Wort zählt

Aber wie soll der Kontakt entstehen? Laura denkt an einen Brief: "Dann ist sie nicht gleich so überfordert." Also schreiben die 16-Jährige und Susanne Wieseler ihr gemeinsam. Jede Formulierung will genau überlegt sein. Nicht zu fordernd, aber offen und interessiert an Kontakt. Susanne schlägt immer neue Sätze vor. Für Laura ist es eine große, eine wichtige Aufgabe - obwohl ihr das Schreiben schwer fällt.

"Der Weg war schmerzhaft"

Die Pflegeeltern Annette und Markus Schulten warten im Nebenzimmer. Zwischendurch hat Susanne ein wenig Zeit, um mit ihnen zu sprechen. Wie ist das für die beiden, dass ihre Tochter jetzt den Kontakt zu ihrer leiblichen Familie sucht? "Der Weg war schmerzhaft, aber das löst sich jetzt auf", sagt Annette Schulten. "Sie hat auch von ihrer leiblichen Mutter gesagt bekommen: 'Da, wo Du jetzt bist, ist genau der richtige Platz für Dich. Da gehörst Du hin.'"

Große Erwartungen

"Wie wichtig ist das für Sie, wenn Laura jetzt zu Ihnen sagt: 'Du bist meine Mama'?", fragt Susanne nach. "Das ist die Belohnung für 16 Jahre harte Arbeit und auch viel Glück", antwortet die Pflegemutter. "Sie hat die ganze Familie gut aufgemischt, aber sie ist auch eine Bereicherung." Und wie steht sie zu dem Brief an die unbekannte Schwester? "Sich etwas von der Seele zu schreiben, finde ich wichtig. Ich glaube, dass Laura eine große Erwartung hat, aber auch eine große Zurückhaltung, sich selbst zu öffnen." So ein erster Brief ist eine Herausforderung. Laura und Susanne schreiben den Brief an die unbekannte Schwester. Und sind gespannt auf die Antwort.