Zölibat lockern, Diakoninnen zulassen?

Stand: 30.08.2016, 20:07 Uhr

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat eine Antwort auf den Priestermangel in der Kirche: Das Zölibat soll gelockert, Frauen sollen zu Diakoninnen ausgebildet werden.

Aber wie realistisch ist die Forderung der katholischen Laien? Wir haben Fragen und Antworten zusammengestellt:

  • Ist die Forderung so neu und revolutionär, wie es manche Medien und Politiker darstellen?

Nein. Schon 2011 haben katholische Professoren ein viel beachtetes Memorandum veröffentlicht, in dem gefordert wurde, bewährten verheirateten Diakonen die Möglichkeit zu geben, sich zum Priester weihen zu lassen. Später griff der damalige ZdK-Vorsitzende Alois Glück den Vorschlag auf. Auch der Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann zeigte sich 2013 aufgeschlossen und hielt verheiratete Priester für "vorstellbar".

  • Welche Bedeutung, welches Gewicht hat das ZdK?

Das ZdK ist die oberste Instanz der katholischen Laien. Bis in die 1970er Jahre war das Komitee relativ konservativ ausgerichtet. Heute ist das ZdK eine relativ progressive Gruppe innerhalb der katholischen Kirche. "Da geht man auch schon mal in den Clinch mit den katholischen Bischöfen", sagt WDR-Religionsexperte Theo Dierkes.

  • Wie groß ist der Priestermangel derzeit?

Im vergangenen Jahr ließen sich gerade mal 58 Männer in Deutschland zu Priestern weihen – so wenige wie noch nie. Schon jetzt werden immer mehr ausländische Priester in deutschen Gemeinden eingesetzt, um den Priestermangel zu beheben. Experten wie Dierkes schätzen, dass sich die Lage noch verschlechtert: "Auch wenn man noch mehr ausländische Priester holt, wird das auf Dauer nicht funktionieren. Die Laien müssen eingebunden werden, anders geht es nicht." Im Bistum Münster etwa arbeiten schon jetzt leitende Pfarrer mit Seelsorgeteams zusammen, denen Kapläne, Diakone, Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, weitere Pfarrer im Gemeindedienst, Ordensfrauen und -männer und Ruhestandspriester angehören. "Wir haben im Bistum Münster heute mit den Diakonen und den Pastoralreferentinnen und -referenten ein viel differenzierteres seelsorgerisches Angebot und insgesamt eine gleichbleibende seelsorgerische Personaldecke", erklärt Hans-Bernd Köppen, Leiter der Hauptabteilung Seelsorge-Personal. "Zudem wirkt unser Pastoralplan auch darauf hin, Ehrenamtliche mit ihren Begabungen stärker in der seelsorgerischen Arbeit zu fördern."

Viele Katholiken, auch innerhalb des ZdK, sehen das Zölibat weiter als großen Wert an. "Allerdings sehen die Gemeinden auch einen Anspruch und ein Recht auf Eucharistiefeiern", so Religionsexperte Dierkes. "Und im Zweifel bewerten sie dieses Recht höher als die Priester ihr Recht, dass nur sie alleine diese Feiern durchführen dürfen. Im Grunde ist das keine Zölibatfrage, sondern eine Machtfrage."

  • Wie realistisch erscheint eine Umsetzung der Vorschläge?

Derzeit gibt es aus Rom keine Signale, dass der Papst am Zölibat rütteln will. Zudem sieht es Beobachtern zufolge nicht danach aus, dass Papst Franziskus daran denkt, Frauen zu Priesterinnen zu machen. Ohne die entsprechenden Signale aus Rom können die deutschen Laien und auch die Bischöfe fordern und beschließen, was sie wollen – Wirkung wird es keine haben. Laut Dierkes ging von Papst Franziskus ein klares Signal an die Katholiken: "Macht etwas, seid mutig!" Diesen Mut ließen die deutschen Bischöfe allerdings vermissen. "Der Papst sagt sinngemäß: Ihr dürft auch alleine aufbrechen. Aber es geschieht kein Aufbruch in Deutschland", findet Dierkes. Ein erster Schritt der deutschen Bischöfe könne beispielsweise sein, ein Frauendiakonat vorzubereiten und in Rom zu vertreten. "Aber die Debatten dauern viel zu lange und kommen zu keinem Ergebnis", so Dierkes.

  • Ist Deutschland ein Einzelfall oder haben auch die Kirchen anderer Länder mit Priestermangel zu kämpfen?

Die Lage ist in allen westlichen Ländern vergleichbar. In Afrika, Asien und vielen Ländern Südamerikas gibt es dagegen keine Probleme, junge Menschen zu Priestern zu machen. Eine Rolle könnte dabei laut Dierkes spielen, dass der Zölibat in vielen Ländern offenbar nicht so ernst genommen wird. "Die Diskussion um den Zölibat ist sehr deutsch", glaubt Dierkes. "In anderen Ländern wie etwa Nigeria oder Brasilien gibt es das nicht. Dort leben Priester, wie sie wollen – und niemand scheint sich daran zu stören."

  • Wenn die Zölibatpflicht für Priester doch eines Tages fallen sollte – sind dann die Nachwuchsprobleme unter katholischen Geistlichen gelöst?

Wahrscheinlich nicht. Denn auch in der evangelischen Kirche gibt es einen großen Mangel an Geistlichen – obwohl Pfarrer dort heiraten dürfen. Dierkes sieht dort ebenfalls "ein Riesenloch" in naher Zukunft: "Theologie zu studieren ist gerade äußerst unmodern.“