MONITOR Nr. 673 vom 26.02.2015

Die OSZE-Mission in der Ukraine: Das Feigenblatt westlicher Friedenspolitik

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Bericht: Markus Zeidler, Nikolaus Steiner, Frank Konopatzki, Kim Otto

Die OSZE-Mission in der Ukraine: Das Feigenblatt westlicher Friedenspolitik

Monitor 26.02.2015 07:43 Min. Verfügbar bis 26.02.2099 Das Erste

Georg Restle: „Und jetzt zu einem Kampfgebiet, das uns noch viel näher liegt - geographisch jedenfalls, die Ukraine. Der Krieg scheint ja gerade so etwas wie eine Atempause zu machen. Zumindest, wenn man sich die Bilder von heute anschaut. Lange Schlangen von Kampfpanzern, die sich aus dem unmittelbaren Kriegsgebiet zurückziehen. Scheint fast so, als ob das Abkommen von Minsk jetzt doch noch Wirkung zeigt. Ob es aber wirklich zu einem dauerhaften Frieden kommt, daran zweifeln viele. Eine ganz entscheidende Rolle wird dabei einer Organisation zukommen, die fast schon in der historischen Versenkung verschwunden war - die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Gegründet mitten im Kalten Krieg, um den Frieden zu sichern. Zunehmend vernachlässigt, auch weil der Westen lieber auf die NATO und deren Osterweiterung setzte. Genau das kann sich jetzt bitter rächen. Denn die OSZE soll die Waffenruhe in der Ukraine zwar überwachen; die Frage aber ist, ob sie das überhaupt noch kann.“

Der Krieg im Osten der Ukraine. Seit Monaten mittendrin - die Beobachter der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Sie versuchen, die Schrecken des Krieges objektiv zu dokumentieren - als einzig verbliebene neutrale Instanz. In einem Krieg, in dem jeder jedem misstraut.

Frank-Walter Steinmeier: „Dabei brauchen wir die OSZE heute mehr denn je.“

Ursula von der Leyen: „Und es sollte deshalb im Interesse aller sein, genau diese OSZE zu stärken.“

Die OSZE und der Konflikt in der Ukraine. 12. Februar: Unter Vermittlung der deutschen Kanzlerin haben sich die Konfliktparteien in Minsk auf eine Waffenruhe geeinigt. Die OSZE soll sie überwachen; und auch den Abzug schwerer Waffen. Doch kann die OSZE diesen Auftrag überhaupt erfüllen?

Prof. Gert Weisskirchen (SPD), ehem. außenpolitischer Sprecher: „Die Erwartungshaltung gegenüber der OSZE ist zu hoch. Sie hat zu wenig Geld, zu wenig Experten, zu wenig analytische Kapazitäten. Das heißt, an den zentralen Punkten mangelt es der OSZE. Wenn sie ein Friedensbringer sein soll, dann muss sie auch die richtigen, geeigneten Instrumente bekommen.“

Wer hat wann, wo, auf wen geschossen? Die Wahrheitssuche auf dem Schlachtfeld der Propaganda scheiterte bislang allzu oft. Die Tagesberichte der OSZE-Beobachter - sie dokumentieren vor allem: Hilflosigkeit. Bericht vom 5. Januar, östlich von Debalzewe. Es geht um mögliche zivile Opfer. Die OSZE Mission ...

Zitat: „... konnte die Information nicht unabhängig verifizieren.“

Bericht vom 3. Februar. Nördlich von Donezk. Nach einem Feuergefecht mit schweren Waffen. Die OSZE ...

Zitat: „... konnte den Ausgangspunkt und Einschlagsort des Beschusses nicht feststellen.“

Dokumente der Hilflosigkeit, zwei von vielen. Und das hat Gründe. Ganze 500 OSZE-Beobachter sieht das Mandat vor, für die gesamte Ukraine und nicht nur für den Osten, der allein etwa so groß ist wie die Schweiz.

Wolfgang Zellner, Leiter Zentrum OSZE-Forschung, Universität Hamburg: „Stellen Sie sich mal vor, Sie wollen mit 500 Leuten die Schweiz beobachten. Das ist durchaus schon eine Schwierigkeit. Wir haben ja auch in diesem Gebiet auch große Städte. Wie wollen Sie das machen?“

Die russisch-ukrainische Grenze - das Einfallstor für russische Waffen? Die OSZE-Mitarbeiter sollen den Grenzverkehr beobachten. Eine Farce, die der Generalsekretär der OSZE uns gegenüber ziemlich undiplomatisch einräumt.

Lamberto Zannier, OSZE-Generalsekretär (Übersetzung MONITOR): „In Russland beobachten wir nur zwei von acht Grenzübergängen, die nicht von der ukrainischen Seite kontrolliert werden. Deswegen sind wir nicht in der Lage, die ganze Grenze zu kontrollieren. Wenn Sie so wollen, gewährt uns das allenfalls einen flüchtigen Blick, auf das was dort passiert.“

In der Ostukraine geht es um Waffenbewegungen, militärische Täuschungsmanöver, taktisches Verständnis. Doch die Mehrheit der Beobachter in der Ukraine kommt aus zivilen Berufen. Es sind Lehrer, Wissenschaftler, Journalisten, ohne militärisches oder polizeiliches Knowhow. Friedrich Haas hat als politischer Berater mehrfach mit der OSZE in Krisengebieten zusammengearbeitet. Er kennt die Rekrutierungsprobleme der OSZE.

Friedrich C. Haas, Berater und Experte für Krisengebiete: „Sie gehen nicht hin und haben die

Möglichkeit, sich die zehn, hundert, 200 oder 500 Besten rauszusuchen, sondern Sie bekommen von den Mitgliedsstaaten der OSZE Personal gestellt, und mit dem müssen sie leben. Manchmal habe ich auch Personal, wo ich die Frage habe, kann ich ihn überhaupt einsetzen? Aber aus diplomatischen Gründen muss ich ihn irgendwo einsetzen und kann ihn nicht nach Hause schicken.“

Jetzt sollen mehr Beobachter ins Land kommen, heißt es bei der OSZE. Doch die Mitgliedstaaten, die das Personal stellen, haben es bis heute noch nicht einmal geschafft, die Soll-Stärke des bisherigen Mandats von 500 zu erreichen.

Egon Bahr (SPD), Bundesminister a.D.: „Es ist ein Armutszeugnis, dass man das nicht rechtzeitig aufgestockt hat. Dass man das nicht auch ausgestattet hat mit den neuesten technischen Möglichkeiten.“

Und hier beginnt das nächste Problem. Immer wieder verweigern Kämpfer den Beobachtern den Zugang zu Orten, die inspiziert werden sollen. Dabei gebe es andere Möglichkeiten der Aufklärung.

Wolfgang Richter, Stiftung Wissenschaft und Politik: „Es fehlt den Mitarbeitern der OSZE zunächst mal ein regelmäßiger Zugriff auf Satellitenbilder, die man heute ja kommerziell erwerben kann. Dazu braucht es aber entsprechendes Personal, das auch technisch geschult ist, das diese Bilder auch auswerten kann. Und das diese Bilder auch an die entsprechenden Teams verteilen kann, sodass ein Gesamtbild dann entsteht.“

Was mit geringem technischen Aufwand möglich ist, zeigt uns der IT-Experte Timmi Allen. Mit fünf Kollegen hat er öffentlich zugängliche Satellitenbilder ausgewertet. Die Untersuchung fand international Beachtung. Die Experten entdeckten starke Indizien dafür, dass von russischem Territorium aus auf die Ukraine geschossen wurde.

Timmi Allen, Blogger, Investigativteam „Bellingcat“: „Und hier sieht man ganz eindeutig Einschläge von Artillerie auf diesem Feld. Wenn wir alle diese Einschläge vermessen und die Richtung bestimmen - das ist die rote Linie hier, die gelbe Linie hier ist die Grenze zu Russland - dann sehen wir im Prinzip, wohin das führt. Wo wir letztendlich eine Feuerstellung gefunden haben, die markiert ist durch Brandspuren, die Raketenwerfer hinterlassen, wenn sie ihre Raketen abfeuern.“

Ein Beweis für russischen Beschuss? Zumindest ein Beleg dafür, was mit Satellitenaufklärung möglich ist. Und die Luftaufklärung der OSZE? Eine einzige Drohne in der Luft. Statt regelmäßigem Zugriff auf Satellitenbilder. Das klägliche Bild der OSZE in der Ukraine. Gedacht war das einst anders. Die OSZE, das war der Ort, wo Ost und West auf Augenhöhe miteinander sprachen, selbst in den kältesten Zeiten des Kalten Krieges. Auch danach war sie erfolgreicher Vermittler, ob in Tschetschenien oder auf dem Balkan. Doch dann verlor der Westen zunehmend das Interesse an einer gemeinsamen Plattform mit Russland, setzte lieber auf das Militärbündnis NATO, und dessen Osterweiterung. Abgrenzung statt Dialog - Niedergang der OSZE.

Wolfgang Richter, Stiftung Wissenschaft und Politik: „Etwa ab dem Jahr 2001 hat diese Organisation an Bedeutung verloren. Sie ist zurückgetreten hinter die Erweiterungspolitiken. Insbesondere der NATO, zum Teil auch der EU. Und war dann einfach für die Masse der Staaten nicht mehr so relevant.“

Prof. Gert Weisskirchen (SPD), ehem. außenpolitischer Sprecher: „Der Bedeutungsverlust der OSZE rächt sich jetzt in Konfliktsituationen wo die anderen Institutionen und Instrumente, die es gibt, nicht eingesetzt werden können.“

Einst sorgte die OSZE für Vertrauen unter erbitterten Gegnern. Zeit, sich daran zu erinnern. Der Menschen in der Ukraine wegen.

Stand: 26.02.2015, 14:44 Uhr

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2 Kommentare

  • 2 Don.Corleone 27.02.2015, 14:10 Uhr

    Die Kriegshetzer u. treiber sind d. USA an 1. Stelle , allein d. Gedanke an Wa-Lieferung ist schon absurd u. treibt d.Eskalation permanent u. exorbitant in d. Höhe ....., u. merkel/Cdu ? Warum löst sie sich nicht vom Imperium ? Und reicht seiner Exxellenz , Präsident PUTIN d. Friedenshand ? Die Krim ist WEG ! Kommt auch Nicht mehr zurück , weil russisch ! Ost-ukraine ist ist ein Separat.-Gebiet u. muß auch autonom werden , Lossagung von Kiew , BASTA .....! PORO, d. Oligarch muß sich damit abfinden , denn, eine Änderung gäbe es nur über eunen Nuklear-Krieg : die Ersten Opfer wären Deutschland , da würde TOTAL platt gemacht , weil hier d. US-Besatzungsmächte sitzen u. Alles steuern , auch d. Todes-Drohnen ..... dann käme england zeitgleich dran , danach Frankreich , der Schwerpunkt läge in UsA (Ballungszentren würden TOTAL eliminiert). Wollen das d. Westen , incl. merkel ? auch wenn sie immer d.Gg.teil behauptet ? Nato-Militärs u.Waffen sind ja schon von P ...

  • 1 lisa 26.02.2015, 23:23 Uhr

    hallo , was die Ukraine betrifft , ist eine Stellungnahme hier sehr schwer. Wenn das alles stimmt , was man von der Ukraine hört , helfen wir den Falschen. Als ich im TV sah , dass die dort Lenin und Stalindenkmale haben war ich schockiert. Das waren doch ,wie Hitler auch , Verbrecher. Weiterhin : Schulen , die Antisemitismus lehren. Gruseliger geht's nicht mehr. Es gibt Nazis , wie in Russland auch. Am besten hier gar nicht einmischen. Aber dafür ist es zu spät.