MONITOR vom 12.05.2016

Neue Enthüllungen zum Abgasskandal

Kommentieren [6]

Bericht: Peter Onneken

Neue Enthüllungen zum Abgasskandal

Monitor 12.05.2016 07:06 Min. Verfügbar bis 12.05.2099 Das Erste

Georg Restle: „Zunächst aber zu einer Zahl, die uns alle aufrütteln sollte. 7.000 Menschen sterben allein in Deutschland Jahr für Jahr wegen Autoabgasen. Die Zahl macht deutlich, dass es beim sogenannten Abgasskandal um weit mehr geht, als nur um technische Details. Und trotzdem scheint der Bundesverkehrsminister das Problem nicht wirklich so richtig ernst zu nehmen. Auf immer neue Enthüllungen reagierte Alexander Dobrindt mit immer neuen Beschwichtigungen. Das könnte sich jetzt aber ändern. Monatelang haben wir gemeinsam mit Kollegen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel und der Deutschen Umwelthilfe bei einem großen Autohersteller recherchiert - und sind fündig geworden. Peter Onneken über die ganz speziellen Abgastricks bei Opel.“

Der Minister und seine Abgas-Kommission. Monatelang haben sie untersucht, gingen einer einzigen Frage nach. Manipulieren die anderen Hersteller so wie VW? Das Resultat: Beim Prüftest auf der Rolle sind alle sauber, auf der Straße sind viele viel zu schmutzig. Aber anders als bei VW findet der Minister das völlig legal.

Zitat: „Es konnte […] bei keinem weiteren Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung wie bei bestimmten Fahrzeugen des VW-Konzerns nachgewiesen werden.“

Der Minister gibt sich damit zufrieden. Die Hersteller versprechen ein kleines bisschen Nachbesserung - freiwillig. Alle können damit leben: er hat es irgendwie versucht und sie kommen mit ihren jahrelangen Grenzwertüberschreitungen ohne Sanktionen davon. Ein fauler Kompromiss. Wie faul sieht man sehr gut am Opel Zafira. Auch er wurde offiziell getestet, ist auf der Straße richtig schmutzig. Ein Grund: Unterhalb von 17° C funktioniert die Abgasnachbehandlung kaum. Doch das sei erlaubt, Motorenschutz sagt Opel. Dem Minister reicht das, denn Opel verspricht: Die Abgasreinigung funktioniere in einem Temperaturfenster „im Bereich von 20°C bis 30° C“ „vollumfänglich“, nur das seien „normale Betriebsbedingungen“. Moment! Temperaturen unter 20° C eine Ausnahme? Wir haben nachgefragt beim Deutschen Wetterdienst. 893 Stunden im Jahr haben wir im Schnitt Temperaturen zwischen 20 und 30° C. Das entspricht gerade einmal 10 Prozent des Jahres.

Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe: „Wenn hier im Falle von Opel über 80 Prozent der Jahresstunden ein Fahrzeug ohne funktionierende Abgasreinigung unterwegs ist, kann dies nicht im Sinne der Zulassungsbestimmung sein und deswegen muss die Regierung jetzt endlich handeln.“

Was uns interessiert: Funktioniert die Abgasnachbehandlung wenigstens innerhalb des engen Temperaturfensters „vollumfänglich“? Wir testen erneut. Im Labor und auf der Straße. Helfen soll uns dieser Mann, Felix Domke. Der Softwareentwickler hat mit Autos sonst eigentlich wenig zu tun, und doch muss Opel vor seiner Expertise zittern. Hamburg Ende Dezember. Domke demonstriert das, was bisher keiner schaffte. Beim Chaos Computer Club zeigt er, wie Volkswagen auf dem Prüfstand betrogen hat, ohne dass es die Behörden gemerkt haben wollen.

Felix Domke: „We as hackers, we can go one step further. We can take a look at the ECU.“

Gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe und dem Spiegel bitten wir ihn, auch die von General Motors entwickelte Motorsteuerung e98 aus einem Opel Zafira zu analysieren. Gelingt ihm, woran Kraftfahrtbundesamt und Ministerium seit Monaten scheitern? Findet er eine schlüssige Erklärung für das Phänomen: im Test sauber, auf der Straße schmutzig? Wenige Wochen später. Wir haben umfangreich getestet. Wieder auf der Rolle, nur diesmal analysiert Felix Domke parallel die Motorsteuerung. Funktioniert die Abgasreinigung bei Opel wenigstens im engen Temperaturfenster vollumfänglich? Klares Ergebnis der Untersuchungen - nein.

Felix Domke: „Wenn man schneller als 2.400 Umdrehungen fährt, wenn man zum Beispiel einmal so beschleunigt und danach wieder normal weiterfährt, dann ist das System trotzdem in einem Zustand, wo es weniger reduziert und dreckiger arbeitet.“

Ein weiteres Beispiel auf der Autobahn. Kein Tempolimit, freie Fahrt. Dafür hat Opel den SCR-Kat verbaut. Er reinigt mit Harnstoff. Doch fährt man über 145 km/h, wird die Dosierung gedrosselt. Und die Abgase werden richtig schmutzig. Erst wenn man zwei Minuten unter 140 km/h fährt, springt die Abgasreinigung wieder an. Diese Abschaltungen kann Felix Domke im Programm-Code der Motorsteuerung nachweisen.

Felix Domke: „Also hier ist ein Ausschnitt der Motorsteuerungssoftware und hier sieht man, dass die aktuelle Geschwindigkeit abgefragt wird und man sieht, dass ab dem Überschreiten einer bestimmten Geschwindigkeit eine interne Variable gesetzt wird.“

Insgesamt findet Domke mehrere Abschalteinrichtungen. Die Temperatur: Das System funktioniert voll nur zwischen 17 und 33° C. Den Atmosphärendruck: Das System funktioniert voll nur bis zu 915 mbar, das entspricht etwa 850 Meter über Meeresspiegel, nur bis 2.400 Umdrehungen und uneingeschränkt nur bis 140 km/h. Demnach also alles andere als vollumfänglich. Wir haben Opel detailliert mit unseren Recherchen konfrontiert. Doch die Rüsselsheimer wollen auch jetzt nicht vor die Kamera. Wie so oft in den letzten Monaten schweigt Opel zu den eigentlichen Vorwürfen, erklärt aber:

Zitat: „Unsere Software war nie darauf ausgelegt zu täuschen oder zu betrügen.“

Und:

Zitat: „[…] dass wir keine Software einsetzen, die feststellt, ob ein Auto einem Abgastest unterzogen wird.“

Doch danach haben wir gar nicht gefragt. Für Umweltrechtsprofessor Martin Führ ist das gar nicht entscheidend. Prüferkennung hin oder her, die von Opel verwendeten Abschalteinrichtungen sind für ihn schlicht illegal, weil sie gegen die EU-Verordnung verstoßen.

Martin Führ: „Aus meiner Sicht ist es sowohl bei VW als auch bei Opel eine Abschaltvorrichtung. Wie die technisch angelegt ist, das ist unerheblich, beides ist ein Verstoß gegen die Verordnung. Der Verkehrsminister müsste die bereits erteilten Typenzulassungen prüfen, er müsste dann feststellen, ob eine verbotene Abschalteinrichtung vorliegt und das hätte zur Folge, dass er die Typenzulassung widerrufen müsste und damit darauf hinwirken, dass die Hersteller wieder das geltende Recht einhalten.“

Bleibt die Frage: Warum hat das Kraftfahrtbundesamt sich mit den offenbar falschen Angaben von Opel zufrieden gegeben? Und warum hat die Behörde nicht selbst herausgefunden, was wir festgestellt haben? Das hätten wir gerne vom Minister erfahren. Sprechen will er mit uns nicht.

Reporter: „Ganz kurz eine Frage für Monitor zu den Abschalteinrichtungen bei Opel. Warum unternehmen Sie nichts gegen Opel?“

Immerhin, Alexander Dobrindt will unsere Recherche-Ergebnisse jetzt prüfen. Aber es geht nicht nur um ein Fahrzeug, nicht um einen Hersteller allein. Es geht um eine ganze Branche und letztlich um einen Minister, der endlich durchgreifen muss.

Georg Restle: „Wir sind sehr gespannt, ob Verkehrsminister Dobrindt es dieses Mal wirklich ernst meint. Nach unseren letzten Enthüllungen zum Abgasskandal ist er nämlich schlichtweg abgetaucht.“

Stand: 13.05.2016, 16:32 Uhr

Kommentare zum Thema

Kommentar schreiben

Unsere Netiquette

*Pflichtfelder

Die Kommentartexte sind auf 1.000 Zeichen beschränkt!

6 Kommentare

  • 6 Egal 22.03.2017, 15:01 Uhr

    So Herr Onneken - und nun? Opel hat nachweislich nicht betrogen, bestätigt von der französischen Untersuchungskommission. Sieht so aus als hättest Du und Dein fragwürder Hacker-Kumpel und einen Bären aufgebunden. Stellen wir fest - Ihr (Fake-News) dürft das, richtig? :D

  • 5 Marcel 16.05.2016, 23:30 Uhr

    Hallo, nur mal zum besseren Verständnis. Viele verbreiten hier einfach halbwissen. Das was Opel abschaltet elektrisch mit einem Temperaturfenster ist die AGR. Abgasrückführung...die ist eh nur in bestimmten Drehzahlbereichen aktiv. Abgesehen von Minimaler Abgasverbesserung bringt sie nur Probleme....früher hatten die Fahrzeuge sowas nicht mal....und wenn ein Fahrzeug das hat dann legt man so einen Mist still. Wenn sie nämlich nicht mehr ordnungsgemäss funktioniert, dann hat der Motor schlechtere Abgaswerte als je zu vor...kein Wunder wenn er permanent sein eigenes Abgas mit einatmet über die Rückführung...zur Erinnerung...heisse Ansaugluft = nicht gut!! Wenn hier also von einer abschalteinrichtung gesprochen wird ist das schlichtweg falsch... Die Abgase gehen nach wie vor durch Kat, DPF sofern vorhanden ganz normal durch. Das lässt sich nicht einfach abschalten....dazu müssten ja Bypass Rohre vorhanden sein. Liebe grüsse von einem Dieselfahrer der nicht mal AGR und so ...

  • 4 Maren Müller 16.05.2016, 01:34 Uhr

    Rechercheteam? Wird der Spiegel jetzt nach der SZ auch mit Rundfunkbeiträgen subventioniert? Wozu braucht Monitor den Spiegel für eine solche Recherche?

  • 3 Horst MÜLLER 13.05.2016, 20:51 Uhr

    Es ist schon interessant, wie sich nun die " Besserwisser " zu dem Abgasthema melden. Der "Eine " , der unter Anderem vor ca. 15 Jahren an der TU in Darmstadt tätig war, nun versucht, sich als Software-Spezialist aufzuspielen. So etwas nenne ich " Trittbrettfahrer.

  • 2 B.W. 13.05.2016, 12:08 Uhr

    Noch ein paar Details zur Abgasreinigungs bei deutschen Autobauern [Opel, VW. u.a.]: Diese funktiontiert natürlich - wie berichtet - nur, wenn T>17°C, max. 2400UpM, P>850 mbar, v<140kmh usw. Zusätzlich müssen - unbestätigten Meldungen zufolge - auch noch Ostern, Weihnachten und Pfingsten auf denselben Tag fallen, Vollmond scheinen und der Wochentag mit P beginnen ... Ein Ausstattungsmerkmal mit derartigen Funktionseinschränkungen würde vom Kunden unter normalen Umständen [z.B. bei der Klimaanlage od. Radio] als unbrauchbar bzw. nicht vorhanden wahrgenommen und sicher nicht zusätzl. bezahlt !!! Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Auto aus deutscher Produktion vorgeschriebene, angegebene u. propagierte Abgas- u. Verbrauchswerte einhält [also umweltfreundlich ist] ist m. E. deutlich geringer als die eines Hauptgewinns im Lotto ! Für diese Betrugs- u. Abzockleistung gibt´s jetzt im Rahmen der E-Mobilitätsförderung nochmals für "gute Arbeit" u. "hochwertigen Produkte" eine Prämie au ...

  • 1 ein Dobrindt 13.05.2016, 00:36 Uhr

    ein Dobrindt ist die kleinste Abstand zwischen deutscher Autoindustrie und Bundesregierung. Erkennbar nur unter dem Mikroskop. Dennoch ist es ein Unterschied gezielt einen Prüfstand zu erkennen oder die laschen Gesetze aufs äußerste auszureizen. Im ersteren Fall handelte es sich eindeutig um eine bewusste Täuschung. Wir brauchen endlich praxistaugliche und verlässliche Daten aller Emissionen sowohl von Benzinern wie von Dieseln. Nur kann man das von einem Minister, der die C02-Wete immer noch nicht veröffentlichen will vermutlich nicht erwarten. Dann sind andere Institutionen, wie ADAC oder Magazine in der Verantwortung den Verbraucher aufzuklären. Leider berichten deutsche Autozeitungen aber lieber über den neuesten Audi und noch härtere Fahrwerke, als über Umweltthemen. Und die Deutschen? Die blicken schon länger nicht mehr durch. Halten alle Hersteller für Betrüger, also muss man am Kaufverhalten ja dann auch nichts ändern. Die paar Leute, die ein Auto aber nach Umwelt ...