MONITOR Nr. 672 vom 05.02.2015

Corporate Publishing: Geheim-PR zwischen Bücher-Deckeln

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Bericht: Matthias Holland-Letz, Philipp Jahn

Corporate Publishing: Geheim-PR zwischen Bücher-Deckeln

Monitor 05.02.2015 08:42 Min. Verfügbar bis 05.02.2099 Das Erste

Georg Restle: „Wenn Unternehmen versuchen, ihre Werbebotschaften unters Volk zu bringen, ist ihnen fast jedes Mittel recht. Auch wenn’s dabei nicht immer ganz sauber zugeht. Und am besten verpackt man seine Werbung so, dass sie gar nicht als solche erkennbar ist. Das nennt sich dann Product Placement oder ganz schnöde - Schleichwerbung. Wir sind jetzt auf ein ganz neues Geschäftsmodell gestoßen. Und dabei geht es ausgerechnet um ein Medium, das eigentlich als besonders glaubwürdig gilt. Matthias Holland-Letz und Philipp Jahn zeigen Ihnen jetzt, zu welchen Mitteln Unternehmen und Verlage greifen, wenn es darum geht, Ihnen Werbebotschaften unterzujubeln, und das, während Sie eigentlich nur ein gutes Buch lesen wollen.”

Bücher - Wissensspeicher seit Jahrhunderten.

Mann auf der Straße: „In den Büchern liegt die Kraft. Denn ohne Bücher keine Bildung!“

Frau auf der Straße: „Dem schenke ich Glauben, was in den Büchern steht.“

Junge Frau auf der Straße: „Das hat jemand aufgeschrieben, hat sich da auch Gedanken drüber gemacht und dann weiß man auch, das stimmt!“

Weiß man das wirklich? Wir sind bei Nick und Phil. Ihre Welt dreht sich um alles, was vier Räder hat. Das Kinderzimmer, ein regelrechter Parkplatz für Spielzeugautos. Und auch in ihren Büchern dürfen Autos natürlich nicht fehlen.

Sabrina Juschka, Mutter: Papas neuer Truck. Wie wird ein LKW gebaut? Weißt du, wie das geht?Weißt du, wie das geht? Sollen wir mal gucken? Papas neuer LKW macht fast keine Schadstoffe mehr. Das finde ich gut. Papas neuer LKW hat einen Stern, es ist ein Mercedes.

Das neueste Modell, angepriesen als schadstoffarm und zuverlässig. Unverhohlene Werbebotschaften. Das Buch gab es auch in Buchläden - für 12,95 Euro. Dass Mercedes es in Auftrag gegeben hat, steht nirgends. Nur im Impressum erfährt man von einer „Zusammenarbeit mit der Daimler AG“.

Sabrina Juschka, Mutter: „Ich find's schade, dass das so benutzt wird, also schon bei Kindern.“

Aus Sicht der Daimler AG ist das Buch kein PR-Instrument und der kleine Hinweis im Impressum „sollte (…) grundsätzlich genügen“. Dem PR-Professor reicht das nicht.

Günter Bentele, Deutscher Rat für Public Relations: „Kinder können sich natürlich deutlich schlechter wehren und sie haben den Blick auf die Welt - können sie noch gar nicht haben - nicht, den Erwachsene haben. Also ist das besonders verwerflich, wenn diese Zielgruppe so manipuliert wird.“

Was Verlag und Unternehmen hier tun, folgt einer klaren Strategie. Wir treffen eine Verlags-Insiderin, die sich seit Jahren um Unternehmensbücher kümmert. Erstaunlich offen erzählt sie, dass solche Corporate Books längst gängige Praxis sind.

Maria Akhavan, Springer Fachmedien, Wiesbaden: „Das Buch vermittelt eine andere Glaubwürdigkeit. Wenn Sie eine Unternehmensbroschüre machen, steht da immer das Branding oder als Absender das Unternehmen im Vordergrund. Bei Corporate Books arbeiten Unternehmen mit namhaften Verlagen in der Regel zusammen. Und diese Verlage stehen natürlich auch für Seriosität, für Neutralität und eben auch für einen hochwertigen Inhalt.“

Maria Akhavan ist Mit-Autorin eines Fachbuchs, einer Art Anleitung für Unternehmen auf dem Weg zum eigenen Corporate Book. Darin beschreibt sie, wie Unternehmen vorgehen können, um ihre Botschaften in Büchern zu platzieren - möglichst unauffällig.

Zitat: „(...) wenn Unternehmen Themen platzieren oder Debatten initiieren wollen, ziehen sie es vor, das Buchprojekt nicht unter eigener Flagge laufen zu lassen: Sie wählen einen neutralen Verlagspartner, der das Thema im Markt seriös und kompetent platzieren kann (...).“

Ein namhafter Verlag, der das Spiel mitmacht, ist Hoffmann und Campe. Zum Beispiel mit dieser Biografie über Reinfried Pohl, dem inzwischen verstorbenen Patriarchen der Deutschen Vermögensberatung, ein äußerst umstrittener Wirtschaftsboss. Auf fast dreihundert Seiten singt das Buch eine Lobeshymne, Kritiker werden als Neider abgetan. Und kein Wort darüber, dass zahlreiche Menschen sich von der Deutschen Vermögensberatung an den Rand ihrer Existenz gebracht fühlen. Autor des Buchs ist kein geringerer als der Biograf der Bundeskanzlerin.

Trailer Günter Jauch: „Hugo Müller-Vogg, Journalist, unter anderem für BILD...“

Nein, kamerascheu ist der Mann wirklich nicht, uns will er trotzdem kein Interview geben. Und auch auf unsere schriftlichen Fragen: keine Antwort. Die Deutsche Vermögensberatung lässt uns wissen, die Idee zum Buch habe Müller-Vogg gehabt, sie sei nicht der Auftraggeber gewesen.“

Nicht der Auftraggeber? Auf den Internetseiten von Hoffmann und Campe sah das bis vor kurzem noch anders aus. Die Verlagssparte für Corporate Publishing arbeitet für das Who-is-Who der deutschen Wirtschaft. Längst nicht alle davon agieren verdeckt. Auf der langen Kundenliste: auch die Deutsche Vermögensberatung. Und hier finden wir die Pohl-Biografie wieder. Kunde: die Deutsche Vermögensberatung. Im Buch - kein Hinweis dazu. Für Günter Bentele vom Deutschen Rat für PR ein klarer Verstoß gegen die Regeln, die sich die Branche selbst gegeben hat.

Günter Bentele, Deutscher Rat für Public Relations: „Der Leser wird getäuscht, ganz klar. Bei jeder Werbeanzeige weiß man als Leser, als Zuschauer, da steht eine Firma dahinter, die das bezahlt hat, die die Agentur bezahlt hat und so weiter. Wenn das fehlt bei einem solchen Produkt,

dann ist das ethisch nicht in Ordnung.“

Selbst vor Romanen machen die PR-Abteilungen nicht Halt. Zum Beispiel diese zweiteilige Bergarbeiter-Saga - bestellt und bezahlt vom Bergbaukonzern RAG. Hier ist die Kohle keine Dreckschleuder, sondern Energieträger der Zukunft. Und die RAG selbst wird lobend erwähnt.

Zitat: „Durch seine Wurzeln im Steinkohlebergbau fühlte sich der Konzern dem Gemeinwohl auf doppelte Weise verpflichtet.“

Die RAG antwortet uns, Zielgruppe sei „nicht die breite Öffentlichkeit, sondern die Belegschaft“. Nur: die Bücher gibt es auch im Buchladen - bis heute.

Dorothee Junck, Buchhändlerin: „Da steht kein Hinweis drin. Insofern würde ich es einschätzen als ganz normale Bergarbeiter-Serie. Es ist natürlich Betrug am Leser. Weil man natürlich eine Objektivität erwartet, die hier ja gar nicht gewährleistet ist.“

Wieder Hoffmann und Campe, der Verlag von so großen Autoren wie Siegfried Lenz. Wir konfrontieren den Verlag mit unseren Recherchen, doch die Verantwortlichen tauchen ab. Kein Interview, keine schriftliche Antwort.

Mit einem nicht erkennbaren Corporate Book von der großen Glaubwürdigkeit des Buchs profitieren. Dass diese zweifelhafte Werbestrategie möglich ist, liegt an einer Gesetzeslücke.

Günter Bentele, Deutscher Rat für Public Relations: „Der Gesetzgeber müsste mehr tun, was diese nicht geregelten Grauzonen im Bereich Schleichwerbung und so weiter anbelangt. Hier müssten klare Kennzeichnungsverpflichtungen gesetzlich eingeführt werden, dass solche Dinge nicht länger möglich sind.“

Denn sonst lässt sich irgendwann nicht mehr unterscheiden: Wissen oder Werbung?

Stand: 03.02.2015, 14:25 Uhr

Kommentare zum Thema

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5 Kommentare

  • 5 Ludwig Scholz 18.02.2015, 09:19 Uhr

    Ein Buch oder auch jeder sonstige verfasste Text ist eine Meinung oder folgt einer Intension. Jeder Autor macht für irgendetwas "Werbung" indem er einfach seine Meinung ausdrückt. Wenn Sie das nicht wollen, dann lesen sie ein Telefonbuch oder aber ein Lexikon.

  • 4 RickD 05.02.2015, 23:52 Uhr

    Werte(r) Digitommy, offensichtlich haben Sie die Botschaft des Beitrags nicht erfasst. Es geht nicht darum, dass Bücher grundsätzlich Werbung enthalten kann, sondern dass dies oftmals verdeckt/versteckt geschieht, unter dem Deckmantel eines Kindersachbuchs oder eines Trivialromans ....

  • 3 Marc Rennefeld 05.02.2015, 22:58 Uhr

    Gerade hat Herr Müller- Vogg einen Artikel im Cicero veröffentlicht, in dem er sich gegen eine Karenzzeit für Regierungsmitglieder beim Wechsel in die Privatwirtschaft ausspricht("Minister ohne Freiheit")- ein Schelm ist wer dahinter eine gewisse persönliche Einstellung des Autors vermutet. Was dem Autor für Politiker recht zu sein scheint, ist ihm anscheinend persönlich im Sinne von corporte publishing billig. Journalistische Glaubwürdigkeit- ade! Unglücklich, dass man diesem Gefälligkeitsjournalisten so viel Raum in den Medien gibt.

  • 2 Digitommy 05.02.2015, 22:43 Uhr

    Ganz toller Bericht - "Achtung Bücher enthalten nicht nur Wissen! - Manchmal werden auch andere Interessen verfolgt!!" ... das wissen wir schon seit erscheinen der Bibel! Warnt Ihr nächster Bericht davor, dass Essen Kalorien enthält oder die Luft vorwiegend aus Stickstoff besteht? Also etwas Dümmeres habe ich selten gesehen, da lese ich dann doch lieber "... da kann man doch davon ausgehen, dass jemand sich mal Gedanken gemacht hat!"

  • 1 Herr Pape 05.02.2015, 22:33 Uhr

    Ein sehr schwacher Beitrag. Seit wann ist Literatur KEINE Werbung für oder gegen etwas?