Retten um jeden Preis? Die Banken und ihre toxischen Papiere

Monitor 29.01.2009 05:14 Min. Verfügbar bis 06.06.2999 Das Erste

Monitor Nr. 588 vom 29.01.2009

Retten um jeden Preis? Die Banken und ihre toxischen Papiere

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Bericht: Monika Wagener, Andreas Orth

Moderation Sonia Mikich: "Bleiben wir bei Schrott, bei Schrottpapieren. Hochriskante Anlagen treiben weltweit die Banken an den Rand der Pleite. Regierungen versuchen, mit Milliardensummen die Banken zu retten. Monika Wagener und Andreas Orth zeigen Ihnen jetzt, wie die giftigen Anlagen der Banken ausgelagert werden sollen. Wie Sondermüll. Wir Steuerzahler sind dann die Müllmänner, die das Entsorgen auch noch aus eigener Tasche löhnen."

Ein Zeitungsartikel mit der Überschrift: Bankenverband drängt auf "Bad Bank"

Der wirkliche Sprengstoff der Finanzkrise. Er liegt noch immer in den Tresoren der Banken - natürlich streng geheim. Dubiose Finanzprodukte, mit denen Banker einst Milliarden verdienten, und die jetzt nicht mehr viel wert sind. Auch in Deutschland könnten sie so manches zum Einsturz bringen - längst nicht mehr nur die Banken. Denn die Finanzwirtschaft arbeitet Tag und Nacht daran, möglichst viele dieser Risiken loszuwerden. Risiken von mehreren hundert Milliarden Euro. Dafür einstehen soll am besten der Steuerzahler. Dafür hat die Branche erfolgreich das Modell einer so genannten Bad Bank ins Gespräch gebracht. Eine Bank, die mit Staatsgeldern alle schlechten - also toxischen - Papiere aufkaufen soll.

Prof. Udo Reifner, Institut für Finanzdienstleistungen: "Die toxischen Papiere, das sind einfach Forderungen, die die Bank bei sich aufgekauft hat, die nichts wert sind. Das bedeutet, lieber Staat, schenke uns Geld. Denn wenn ich für wertlose Dinge einen Kaufpreis haben will, ja, dann ist das eigentlich der Kaufpreis, das jenige, was ich haben will. Und das ist ein Geschenk."

Und die Regierung Merkel? Sie lässt sich von der Kampagne der Banken treiben. Ist mal für, mal gegen die Bad Bank, diskutiert über Ausgleichsforderungen und Kreditlaufzeiten. Erst heute brachte Finanzminister Steinbrück ein neues Modell ins Gespräch. Auch das soll den Banken ermöglichen, ihre giftigen Papiere aus den Bilanzen zu tilgen.

Prof. Udo Reifner im Portrait

Prof. Udo Reifner, Institut für Finanzdienstleistungen

Dafür soll jede Bank die Möglichkeit bekommen, ihre gefährdeten Papiere in einer eigenen kleinen Bad Bank zu sammeln. Der Staat bietet dafür der Good Bank, der Mutterbank, aus dem Rettungsfond Milliardenhilfen an. Über die Konditionen, ob und wie diese Staatsgelder abgesichert werden, dazu hat der Minister bislang nichts verlauten lassen.

Prof. Udo Reifner, Institut für Finanzdienstleistungen: "Alle Modelle, die im Augenblick diskutiert werden, werden den Steuerzahler in enormem Maße belasten, das ist nicht nur in Deutschland so, das ist überall so. Die Frage ist nicht, dass wir die umgehen können. Sondern die Frage ist, erstens, werden wir diese Ursachen dabei so behandeln, dass diese Krise nicht in zehn Jahren wiederkommt. Und zweitens, was werden wir in der Zukunft machen, damit dieses Geld wieder in den Staat zurückkommt und nicht von unseren Kindern bezahlt werden muss."

Die Befürworter der klassischen Bad Bank verweisen gerne auf Schweden. Dort habe man in den 90er Jahren gute Erfahrungen mit einer Bad Bank gemacht, als die heutige Nordea Bank ins Trudeln geriet. Am Ende habe der Steuerzahler sogar verdient.

Jan Kvarnström im Portrait

Jan Kvarnström, Bankberater

Jan Kvarnström hat damals die Bad Bank für die schwedische Regierung aufgebaut und später erfolgreich abgewickelt. Jetzt ist er Finanzberater in Hamburg. Kvarnström sieht aber einen entscheidenden Unterschied zur Situation in Deutschland.

Jan Kvarnström, Bankberater (Übersetzung MONITOR): "In Schweden wurde die Norbank damals vollständig verstaatlicht und dann erst wurde eine Bad Bank ausgegliedert, sodass man die gleichen Eigentümer hatte bei der guten wie bei der schlechten Bank. Das heißt der Staat, der die Verluste bei der Bad Bank trägt, profitiert auch von den Gewinnen, die die gute Bank macht."

Wenn jetzt möglicherweise Milliardenhilfen als Ausgleich für giftige Papiere an die Banken gehen, ohne dass der Steuerzahler in angemessener Weise an künftigen Gewinnen beteiligt wird, stößt das bei vielen Bürgern auf Unverständnis.

Bürger auf der Straße: "Ich halte es für einen schlechten Witz eigentlich, weil wieso muss der Steuerzahler für Dinge aufkommen, die so ein paar durchgeknallte und verrückte Banker zu verantworten haben?"

Bürgerin auf der Straße: "Man sollte schon die Banken mehr in die Pflicht nehmen. Und auch eben dann auch mehr die Aufsicht darüber haben."

2. Bürger auf der Straße: "Für mich ist es einfach der übliche Spruch, Gewinne werden privatisiert, Risiken und Schäden werden kollektiviert. Und damit wird letztendlich der Sozialstaat kaputt gemacht."

In den USA, wo die Krise begann, glauben viele Wissenschaftler inzwischen, dass an einer weitgehenden Verstaatlichung der Banken kein Weg mehr vorbeiführt. Das meint auch Nouriel Roubini, ein Ökonom von Weltruf, der die jetzige Finanzkrise lange vorausgesagt hat. Roubini geht sogar noch weiter.

Prof. Nouriel Roubini im Portrait

Prof. Nouriel Roubini, US-Ökonom

Prof. Nouriel Roubini, US-Ökonom (Übersetzung MONITOR): "Das erste, was der Staat machen muss, ist sicherzustellen, dass das Management keine Fehler mehr macht. Dafür sollte er die Vorstände entlassen - und zwar ohne große Abfindungen. Dann muss man die Anteilseigner entmachten. Und für die Zukunft sollte man ein System schaffen, das sicherstellt, dass das viele Geld, das die Regierung den Banken gibt, nicht wieder verzockt wird."

Die Banken verstaatlichen? In Deutschland ist das vor allem für viele Christdemokraten ein Tabu. Zu Unrecht, meint Roubini.

Prof. Nouriel Roubini, US-Ökonom (Übersetzung MONITOR): "Natürlich ist Verstaatlichung keine Lösung auf Dauer. Natürlich will man, dass die Banken langfristig wieder privat geführt werden. Aber in einer Systemkrise - wie auch damals in Schweden - ist es manchmal die beste Lösung, dass die Regierung die Banken vorübergehend übernimmt, dort aufräumt, und sie zwei, drei Jahre später an private Investoren wieder verkauft."

Jan Kvarnström, Bankberater (Übersetzung MONITOR): "Ich denke, für mich als Steuerzahler ist eines vernünftig: Wenn ich zahlen muss und das eine Investition für die Zukunft sein soll, dann will ich auch an den Gewinnen dieser Aktion beteiligt werden."

Kapitalismus bedeutet, wer was riskiert und investiert, der darf von den Gewinnen nicht ausgeschlossen werden. Das muss auch für den Steuerzahler gelten.

Moderation Sonia Mikich: "Schon jetzt sind Milliarden an Steuergeldern in die Hypo Real Estate gepumpt worden, ein Fass ohne Boden. Heute rief die Bank den Bund wieder zu Hilfe, es drohe die Pleite. Finanzminister Steinbrück schließt nicht aus, die Aktionäre zu enteignen, um die Bank komplett zu verstaatlichen. Das ausführliche Interview mit dem US-Ökonom Nouriel Roubini finden Sie auf unserer Internetseite."

Stand: 22.02.2014, 12:25 Uhr

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