Notruf aus dem Pflegealltag: Was muss die nächste Regierung tun?

Der Faktencheck zur Sendung vom 09.10.2017

Zu wenig Pfleger und Zuwendung, zu viel Pillen und Stress - die Zustände in der Pflege waren wichtiges Thema im Wahlkampf. Was muss jetzt angepackt werden? Bei „hart aber fair“ füllen Betroffene und Menschen aus der Praxis das Pflichtenheft für die Politik!

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Private Pflegezusatzversicherungen

Wie können die Kosten zukünftiger Pflege finanziert werden? Oftmals reicht die gesetzliche Pflegeversicherung nicht aus. Wer die Versorgungslücke schließen möchte, wird sich künftig nicht selten privat absichern müssen.

Wie bei allen privaten Versicherungen hängt auch bei Pflegezusatzversicherungen die Höhe der Beiträge von zahlreichen Faktoren ab. Bei der privaten Pflegezusatzversicherung spielen unter anderem das Alter bei Abschluss und die Höhe der Absicherung eine entscheidende Rolle. Und auch der Gesundheitszustand kann die Höhe des Beitrags beeinflussen. Grundsätzlich liegt der Beitrag höher, je älter man bei Vertragsabschluss ist. Darüber hinaus hängt die Höhe der Prämie von den gewählten Versicherungsleistungen ab. Reicht dem Versicherten eine geringe Absicherung, so zahlt er weniger als jemand, der höher abgesichert sein möchte.

Aufgrund der Vielfalt der privaten Versicherungsanbieter gibt es auf dem Markt eine Vielzahl von Angeboten. Darüber hinaus existieren verschiedene Modelle der privaten Pflegezusatzversicherung, wie zum Beispiel die Pflegetagegeld-Versicherung oder die Pflegekosten-Zusatzversicherung. Die Tarifvielfalt ist ebenso groß wie die Vielfalt der Leistungen.  

Einen ersten groben Überblick können Vergleichsportale im Internet geben, sagt Philipp Opfermann von der Verbraucherzentrale NRW. Diese reichten für die richtige Wahl einer Zusatzversicherung jedoch bei Weitem nicht aus: “Jeder Verbraucher sollte beim Abschluss einer Zusatzversicherung seine individuelle Lebenssituation berücksichtigen“, sagt der Versicherungsexperte. Zahlreiche Details seien zu beachten, damit eine private Zusatzversicherung richtig auf den Kunden zugeschnitten ist. Opfermann rät daher zu einer individuellen Beratung bei der Verbraucherzentrale.

Alexander Jorde über Pflege in Finnland

Der Krankenpfleger-Azubi Alexander Jorde plädiert für ein staatliches Pflegesystem nach skandinavischem Vorbild. Er sagt, Finnland beispielsweise gebe drei Prozent seines BIP für die Pflege aus.

Für die Ausgaben bei der Langzeitpflege ist die Größenordnung richtig. Im Jahr 2014 lag der Anteil der Ausgaben für die Langzeitpflege in Finnland nach Angaben der europäischen Statistikbehörde EUROSTAT bei vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Höher war der Anteil in diesem Jahr mit 4,3 Prozent lediglich in den Niederlanden. Deutschland liegt in dieser Statistik auf einem Niveau mit Frankreich, Großbritannien und Österreich. In diesen Ländern bewegte sich der Anteil am BIP für Langzeitpflege zwischen 1,5 und 1,9 Prozent.

Jochen Pimpertz über Ärzte und Pflegepersonal

Jochen Pimpertz, Gesundheitsökonom am IW Köln, sagt, seit der Wiedervereinigung ist die Zahl der Ärzte an Krankenhäusern um gut zwei Drittel gestiegen. Im Gegensatz hierzu aber habe sich die Zahl des Pflegepersonals nicht verändert.

Das stimmt. 1990 waren nach Angaben der Bundesärztekammer rund 118.000 Ärzte in Krankenhäusern beschäftigt. 2016 zählte die Bundesärztekammer bereits über 194.000 Ärzte. Das ist ein Plus von 64 Prozent. Dagegen ist die Zahl des Pflegepersonals laut statistischem Bundesamt sogar leicht zurückgegangen. 1991 waren 326.000 Tausend Menschen Vollzeit im Krankenhaus-Pflegedienst tätig. Bis 2016 hat sich deren Zahl kaum verändert. Das statistische Bundesamt zählte im vergangenen Jahr 325.000 Beschäftigte im Pflegedienst der Krankenhäuser.

Stand: 10.10.2017, 12:34 Uhr