Waschen, pflegen, trösten – wer kümmert sich um uns, wenn wir alt sind?

Der Faktencheck zur Sendung vom 12.06.2017

Pflege ist hart: Schichtdienst, Stress und schlechte Bezahlung. Die Folge: Überall fehlen Pflegekräfte. Was muss passieren, damit auch in Zukunft noch jemand alte Menschen im Heim oder zu Hause pflegt? Die Diskussion direkt nach der Reportage zum Thema!

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Karl Lauterbach über Pflegeausgaben

Karl Lauterbach sagt, die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren die Ausgaben für die Pflege um fast ein Viertel erhöht. Und selbst davor sei das Budget für Pflege das höchste in Europa gewesen. Hat er Recht?

Richtig ist, dass die Ausgaben für Leistungen der Pflegeversicherung zwischen 2011 und 2015 von rund 21 Mrd. Euro um 27 Prozent auf 26,6 Mrd. Euro gestiegen sind. Das geht aus dem sechsten Pflegebericht der Bundesregierung hervor.

Einen europäischen Vergleich der Gesamtausgaben für die Pflege hält Heinz Janssen, Professor für Gesundheits- und Pflegeökonomie an der Hochschule Bremen jedoch nur bedingt für möglich. “In die Ausgaben für Pflege fließen eine Reihe von Faktoren ein. Hierzu zählen beispielsweise öffentliche Pflege, private Pflege oder auch informelle Pflege.“ Darüber hinaus müsse festgelegt sein, ab wann überhaupt von Pflege gesprochen werden kann, so Janßen. Ein Vergleich der von privaten Haushalten getragenen Pflegekosten sei schon deshalb schwierig, weil sie in den europäischen Ländern unterschiedlich erfasst werden, sagt der Pflegeexperte. Nur in einem Bereich sei ein Vergleich möglich: “Bezüglich der öffentlichen Ausgaben für Pflege führen die skandinavischen Länder, nicht Deutschland“, stellt Janßen klar.  

Die öffentliche Finanzierung der Pflege in skandinavischen Ländern wie Schweden, Finnland und Dänemark ist traditionell höher als in Deutschland, wo in erster Linie auf die Solidarität in der Familie gesetzt wird. Einer Studie der Uni Oldenburg für die Friedrich Ebert-Stiftung zufolge gab Schweden im Jahr 2012 1.592 Euro pro Einwohner aus der öffentlichen Kasse für Pflege aus. In Dänemark waren es 1.123 Euro. Die öffentlichen Ausgaben pro Einwohner in Deutschland beliefen sich im gleichen Jahr auf 267 Euro.

Infos zur Reform der Pflegeausbildung

Bernd Meurer und Karl Lauterbach waren sich über den Nutzen der Reform der Pflegeausbildung nicht einig. Hier, wie angekündigt, ein kleiner Überblick über die Reform zur Pflegeausbildung.

Die Pflegeausbildung in skandinavischen Ländern ist schon seit vielen Jahren breiter angelegt als dies bisher in Deutschland der Fall war. Darüber hinaus sind auch die schulischen Zugangsvoraussetzungen für einen Pflegeberuf höher als hierzulande. Ausgebildet wird in Skandinavien an Universitäten und Fachhochschulen. Eine schwedische Krankenschwester beispielsweise besitzt also einen akademischen Grad.

In Bezug auf die inhaltlich breiter aufgestellte Ausbildung will Deutschland nun nachziehen. Das so genannte Pflegeberufegesetz sieht vor, dass es künftig nicht mehr drei verschiedene Ausbildungen in der Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege geben wird. Vielmehr werden diese drei Berufsfelder in der Ausbildung zum Pflegefachmann oder Pflegefachfrau zusammengefasst. Die Reform sorgte in den vergangenen Jahren für Diskussionen.

Befürworter wie der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sehen in der generalisierten Ausbildung eine Voraussetzung für eine zeitgemäße Pflege und bessere Chancen auf eine lange Berufslaufbahn. Durch den entstehenden Wettbewerb um Pflegefachkräfte zwischen Altenheimen und Krankenhäuern erwartet der Verband, dass Altenheimbetreiber gezwungen sein werden, ihre Pflegekräfte besser zu bezahlen.

Zu den Kritikern der Ausbildungsreform gehört unter anderem der Deutsche Verband für Leitungskräfte der Alten und Behindertenpflege (DVLAB). Er befürchtet den Verlust von speziellen Fachkompetenzen.  Zwar werde die Ausbildung breiter angelegt, so der Verband. Allerdings auf Kosten des für die Altenpflege spezifischen Fachwissens. Außerdem sieht er die Gefahr, dass zu viele Fachkräfte in Krankenhäusern arbeiten wollen, weil hier höhere Gehälter gezahlt werden. Die Folge sei ein Mangel an Pflegepersonal in Altenheimen, so der DVLAB. 

Der Pflegeökonom Heinz Janßen hält die Reform der Pflegeausbildung für notwendig. Seiner Ansicht nach wird der Pflegeberuf insgesamt gestärkt - gesellschaftlich, politisch und institutionell. Darüber hinaus gewinne er durch eine finanzielle Aufwertung deutlich an Attraktivität, so Janßen.

Karl Lauterbach über künftigen Pflegekraftbedarf

Karl Lauterbach geht davon aus, dass 200 bis 300.000 Menschen in der Pflege mehr benötigt werden, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der so genannten “Babyboomer“ einmal pflegebedürftig werden. Ist das realistisch?

“Diese Bedarfsprognose hängt davon ab, wie die Personalbemessung in der Pflege zukünftig definiert wird und damit auch, wie die Pflege in Zukunft angemessen und besser finanziert wird“, sagt Heinz Janßen. Darüber hinaus spiele eine Rolle, inwieweit die pflegenden Angehörigen gewonnen und mit einbezogen werden können, so der Experte. Unabhängig vom Bedarf rechnet Janßen zwar mit finanziellen Verbesserungen für Pflegende, jedoch nicht in dem Masse, dass der Pflegeberuf einen Boom erleben wird. “Wesentlicher und realistischer erscheint mir, die Betreuungskonzepte und die Art der Pflegeleistung weiter zu entwickeln“, sagt Janßen. Zu diesen Konzepten zählen seiner Ansicht nach gemischte Wohnformen, nachbarschaftliche Pflege oder auch Pflegenetze in der Gemeinde.

Unter der Annahme, dass der Personalbedarf nur vom Faktor der demografischen Entwicklung abhängt, geht das Bundesgesundheitsministerium von rund 200.000 fehlenden Pflegefachkräften im Jahr 2025 aus.

Stand: 13.06.2017, 12:32 Uhr