Außer Kontrolle – wie gefährlich ist Trump für die Welt?

Der Faktencheck zur Sendung vom 22.05.2017

Er plaudert Geheimnisse an die Russen aus, feuert den Chef der Bundespolizei und twittert sich ständig um Kopf und Kragen. Ist Donald Trump als Präsident ein weltweites Sicherheitsrisiko? Und wie könnten ihn die Amerikaner dann wieder loswerden?

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Alexander Graf Lambsdorff über Militäreinsätze und Kongress

Nach Ansicht von Alexander Graf Lambsdorff (FDP) ist das US-amerikanische Prinzip der "checks and balances" auf militärischer Ebene schon seit Jahrzehnten "kaputt". US-Präsidenten hätten in der Vergangenheit viel zu häufig eigenmächtig über Militäreinsätze entschieden. Dabei sehe die amerikanische Verfassung vor, dass der Kongress in solche Entscheidungen eingebunden werden muss. Hat er Recht?

"Der Kongress hat alle Kompetenzen, um den Präsidenten bei Militäreinsätzen zu kontrollieren“, sagt Christian Lammert, Professor für Innenpolitik Nordamerikas an der FU Berlin. Der Kongress nutze sie in den meisten Fällen jedoch nicht, erklärt der Politikwissenschaftler: "Die 'war powers resolution' hat dem Kongress nach dem Vietnamkrieg mehr Einflussmöglichkeiten bei Militäreinsätzen übertragen. Zudem hat der Kongress die Kontrolle über den Haushalt (power of the purse) und könnte dem Präsidenten jederzeit die Finanzmittel für seine Einsätze kürzen." Die Frage müsse vielmehr lauten, warum der Kongress seine Macht nicht nutzt und sich dem Präsidenten in vielen Fällen freiwillig unterordnet, so Lammert. Zwei Aspekte müssen nach Ansicht des Experten dabei besonders betrachtet werden: "Zum einen herrscht in den USA in außen- und insbesondere in militärpolitischen Entscheidungen ein breiter überparteilicher Konsens. Zudem kann der Präsident bei Militäreinsätzen in der Regel auf die Unterstützung der Bevölkerung bauen (rally around the flag). Zum anderen verhindert in jüngster Zeit die parteipolitische Polarisierung im Kongress ein handlungsfähiges Gegengewicht gegenüber dem Präsidenten." Dieses Machtvakuum könne von einem Präsidenten genutzt werden, sagt Lammert. Vor diesem Hintergrund sei die Aussage von Graf Lambsdorff plausibel, allerdings eher im Bereich informeller Wirkungsmechanismen, stellt Lammert klar.

Bastian Hermisson über eine gespaltene US-Gesellschaft

Nach Ansicht von Bastian Hermisson, Leiter der Böll-Stiftung in Washington, ist die US-amerikanische Gesellschaft so tief gespalten, wie noch nie. Es sei Donald Trump gewesen, der den Boden für diese Spaltung bereitet hat. Ist wirklich Donald Trump für die tiefen Gräben verantwortlich?

"Trump hat nicht den Boden dieser Spaltung bereitet, er hat sie für die eigene Mobilisierung genutzt", sagt Christian Lammert. Seiner Ansicht nach hat die Spaltung in der US-Gesellschaft schon eine längere Tradition. Bereits seit den 1990er Jahren zeigten sich die Spaltungs- und Polarisierungstendenzen, die zu den heute sichtbaren Problemen führen, so der Politologe: "In den 90er Jahren firmierten diese noch unter dem Begriff der 'culture wars' und betrafen in erster Linie Fragen nach Abtreibung, der Legalisierung von Drogen und der gleichgeschlechtlichen Ehe." Aber auch die Rolle der Bundesregierung sei in den USA schon immer kontrovers diskutiert worden und habe die Gesellschaft gespalten, sagt Lammert. Hinzu komme seit den 90er Jahren eine zunehmende Polarisierung der politischen Eliten. "Letztere scheint manchmal stärker ausgeprägt als die Polarisierung in der Gesellschaft und führt auch zu einer Blockade im politischen System." Lammert sieht in den USA gleich mehrere Spaltungen, die sich zum Teil verstärken, aber auch abschwächen. Neben der ideologischen in Form der genannten "culture wars" macht Lammert eine parteipolitische Spaltung aus, in der es in erster Linie um Macht geht. Darüber hinaus ziehe sich inzwischen ein Graben zwischen Globalisierungsgegnern und -befürwortern, so Lammert. Dabei verlaufe letztere nicht entlang der traditionellen links-rechts-Spaltung. Globalisierungsgegner fänden sich auf der linken und auf der rechten Seite, sagt der Experte.

Alexander Graf Lambsdorff über Sicherheitsrisiken

Alexander Graf Lambsdorff sieht eine echte Gefahr für die Sicherheit des Westens, sollte Trump tatsächlich sensible Geheimdienstinformationen an die Russen ausgeplaudert haben. Befreundete Geheimdienste würden künftig zweimal überlegen, ob sie Informationen, die der Bekämpfung von Terrorismus dienen sollen, weiter geben. Ist seine Einschätzung richtig?

"Mit dieser Einschätzung hat Graf Lambsdorff Recht", stimmt Christian Lammert zu. "Die Zusammenarbeit von Geheimdiensten und der Austausch sensibler Informationen setzt gegenseitiges Vertrauen voraus. Wird dieses Vertrauen verletzt, schadet das der Kooperation und kann letztendlich auch zu einem Sicherheitsrisiko führen." Lammert sieht aber die Chance, dass das direkte sicherheitspolitische Umfeld mäßigend auf Trump einwirken könne. "Normalerweise werden Präsidenten nicht mit extremen Detailinformationen versorgt, manchmal wollen sie auch gar nicht genau wissen, woher die Informationen genau kommen." Lammert erinnert daran, dass noch völlig unklar ist, inwieweit Trump wirklich sensible Daten weitergeleitet hat, die für andere Geheimdienste ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. Insgesamt aber führe Trumps Verhalten zu einer Verunsicherung nicht nur der Partnerstaaten, sondern auch innerhalb der eigenen Geheimdienste und des Sicherheits-Apparates, sagt der USA-Experte. "Diese müssen genau überlegen, welche Informationen und mit welcher Detailgenauigkeit diese an Trump weitergegeben werden." 

Stand: 23.05.2017, 07:45 Uhr