Trump macht ernst – wie warm müssen wir uns anziehen?

Der Faktencheck zur Sendung vom 30.01.2017

Nach zehn Tagen Trump wird klar: Er meint es ernst. Mauer gegen Mexiko, Barrieren für den Freihandel. Wie gefährlich ist das für uns? Macht Trump den ewigen Exportweltmeister Deutschland zum Verlierer? Oder bringt viel Veränderung auch viele Chancen?

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und überprüft einige Aussagen. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Ilse Aigner über Auswirkungen von Trumps Zoll-Forderungen

Für Ilse Aigner (CSU) denkt Donald Trump mit seinen Forderungen nach Zöllen für ausländische Produkte nicht weit genug. Auch amerikanische Produkte, die weltweit produziert werden, kämen den Amerikanern teurer zu stehen. Denkt Trump hier tatsächlich zu kurz?

"Zölle auf Importe in die USA schaden vor allem den Unternehmen, die Vorprodukte oder Dienstleistungen für die eigene Produktion importieren", sagt Dr. Laura von Daniels, Handelsexpertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Ein gutes Beispiel sei die US-Textil- oder Schuhindustrie, deren Produkte heute zu fast hundert Prozent aus eingeführten Waren bestehen und in den USA nur noch zusammengestellt und verkauft werden. "Auch in der Automobilindustrie, im Maschinenbau und in der Computerindustrie können US-Unternehmen ihre Kosten relativ gering halten, indem sie Teile aus Ländern mit niedrigeren Produktionskosten importieren", erklärt von Daniels. Bisher geschehe dies weitgehend ohne hohe Extrakosten durch Zölle.

Doch selbst wenn es nicht zu den von Donald Trump angedrohten "Strafzöllen" auf Waren aus China oder Mexiko kommt, aber die Importe über eine Anpassungsabgabe künftig steuerlich schlechter gestellt würden, schade das den Unternehmen mit integrierten Produktionsketten, sagt von Daniels . Ob durch Zölle oder Steuernachteile, die Importkosten würden steigen. Unternehmen können dabei ganz unterschiedlich auf diese Mehrkosten reagieren: "Übertrifft zum Beispiel die erhöhte Steuerlast eines Unternehmens die Gewinne, kommt es mit großer Wahrscheinlichkeit zur Schließung. Andere Unternehmen werden versuchen, die gestiegenen Kosten über einen Preisanstieg auf die Kunden abzuwälzen", sagt die Expertin der SWP.

Melinda Crain über die Kabinette Trump und Reagan

Die Journalistin Melinda Crane kann den immer wieder angebrachten Vergleich zwischen dem Amtsantritt von Ronald Reagan und Donald Trump nicht nachvollziehen. Im Gegensatz zur Reagan-Ära finde sich im Kabinett von Trump nicht eine Person, die auf Regierungserfahrung zurück blicken kann. Hat sie Recht?

"Je nach dem, wie man Regierungserfahrung definiert", sagt Crister S. Garrett, Professor für Amerikanische Studien an der Uni Leipzig. So habe etwa der designierte Justizminister Jeffrey Sessions in seiner 20-jährigen Tätigkeit im Senat Kenntnisse über den US-Kongress gewonnen, die für den Erfolg einer Administration unentbehrlich seien, so Garrett. Er erinnert daran, dass auch Vize-Präsident Mike Pence Gouverneur von Indiana war, ehe er ins Weiße Haus einzog. "Diese Kabinettsmitglieder haben keine formelle Erfahrung im Weißen Haus, richtig, aber sie haben viel Erfahrung damit, komplexe, politische und globale Institutionen zu führen", sagt Garrett. Dies gelte auch für Verteidigungsminister Jim Mattis, der als Leiter des U.S. Central Command für etwa 200.000 Soldaten verantwortlich war und für Außenminister Rex Tillerson, ehemaliger CEO von ExxonMobil mit seinen über 80.000 Mitarbeitern. Richtig sei, dass Teile der Reagan-Administration echte Erfahrung aus dem Weißen Haus mitbrachten. Als Beispiele nennt Garrett George P. Shultz und Alexander Haig, die bereits im Kabinett von Richard Nixon saßen und unter Reagan als Außenminister tätig waren.

Ilse Aigner über BMW in den USA

Ilse Aigner sagt, das größte Werk des bayerischen Automobilherstellers BMW stehe nicht in Deutschland sondern in den USA.

Das ist, gemessen am Produktionsvolumen, richtig. BMW produzierte im Jahr 2015 rund 401.000 Fahrzeuge In Spartanburg, South Carolina. Hier liefen gut 40.000 Fahrzeuge mehr vom Band als in Dingolfing, BMWs größtem Werk in Europa, Das Werk in den USA hatte laut Geschäftsbericht der BMW-Group einen Anteil an der gesamten Autoproduktion von 17,6 Prozent. BMW will den Produktionsstandort in Spartanburg wegen der hohen Nachfrage nach den X-Modellen sogar noch erweitern.

Melinda Crane über Gefahren für US-Mittelschicht

Melinda Crane ist sich sicher, dass besonders die Trump-Wähler aus der unteren Mittelschicht die Verlierer sein werden, wenn sich die USA einen "Handelskrieg" mit anderen Nationen liefert oder Trump seine Ankündigung nach mehr Deregulierung und niedrigeren Steuern wahr machen sollte. Hat sie Recht?

Nach Ansicht von Crister S. Garrett ist es schwer, eine Prognose über die künftige wirtschaftliche Situation der Trump-Wähler aus der unteren Mittelschicht abzugeben. Die wirtschaftliche Erholung, die bereits unter Obama begonnen hatte, gehe zunächst weiter, so Garrett. “Viele Inhaber von kleinen und mittleren Firmen erwarten durch Deregulierung und niedrigere Steuern eine Beflügelung der Nachfrage und eine Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen, kurzum mehr Arbeitsplätze.“ In den USA herrsche quasi Vollbeschäftigung, sagt Garrett. Dies bedeute weiter ansteigende Löhne. Vor dem Hintergrund der Produktion im Ausland – insbesondere in China – sei bei immer mehr multinationalen Unternehmen aus den USA schon vor Trump Ernüchterung eingetreten, sagt Garrett. Allerdings werde sich die Tendenz, nicht weiter outzusourcen sondern in den USA zu produzieren, unter Trump spürbar verstärken, zum Teil auch wegen seiner Handelspolitik, meint der Experte. “Es würde mich nicht überraschen, wenn wir in den nächsten Jahren erleben, dass globale Firmen aus Deutschland, Japan, China und sonst woher neue Fabriken in den USA bauen oder existierende Fabriken ausbauen, so wie es BMW in South Carolina plant.“ Dies würde den Trump-Wählern der unteren Mittelschicht spürbar helfen. Dennoch ist sich Garrett sicher, dass auch die USA unter Trump feststellen werden, dass Binnen- und Außenwirtschaft immer weniger voneinander zu trennen sind. Das wirtschaftliche Schicksal der Trump-Wähler hänge nach Einschätzung von Experten ohnehin mehr von Technologie-Entwicklungen als von der Politik ab, so Garrett. Denn auch in den USA greife im Zuge der so genannten Industrie 4.0 Automatisierung und Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen um sich.

"Die Geschichte lehrt, dass ein Handelskrieg für beide Seiten großen Schaden bedeutet", stellt Laura von Daniels klar. Produktionsabläufe würden gestört, Konsumentenpreise erhöht oder Firmen geschlossen, was zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führe. “Das schadet am wenigsten den Reichen in einer Gesellschaft, aber sicherlich den heute schon unzufriedenen Wählerinnen aus mittleren und unteren Einkommensklassen, die ihre Hoffnungen auf Trump gesetzt haben.“ Eine Abschottung von neuen Entwicklungen und die fehlende Konkurrenz der heimischen Unternehmen mit ausländischen Wettbewerbern senke langfristig die Fähigkeit neue innovative Produkte zu entwickeln, sagt von Daniels und verweist ebenfalls auf die Bedeutung technischer Innovationen, „die den Fortbestand und die positive Entwicklung der Unternehmen und der gesamten Volkswirtschaft ermöglicht.“ Nach Ansicht der Wirtschaftsexpertin machten Strafzölle und Abschottung die USA nicht “großartiger“. Vielmehr könne eine solche Politik die heutige Stärke der US-Wirtschaft unterwandern: “Die Trump-Wähler könnten eines Tages aufwachen und feststellen, dass Strafzölle auf Waren aus China oder Mexiko und auch die Beschränkung der Zuwanderung nicht dazu geführt haben, dass für sie und ihre Kinder mehr Arbeitsplätze und Aus- und Fortbildungsangebote geschaffen wurden.“ Ökonomen und auch die Trump-Regierung wüssten nicht sicher, ob hinter den Arbeitsplatzverlusten in Teilen der US-Industrie in den letzten Jahren allein die Konkurrenz mit günstig eingeführten Produkten aus China steht, oder ob die voranschreitende technische Entwicklung den Ausschlag gegeben hat, so von Daniels. “Selbst die Kritiker der US-Freihandelspolitik der vergangenen Jahrzehnte können nicht vorhersehen, ob bei einem Rückgang der Importe die Arbeitsplätze für ungelernte oder wenig qualifizierte Arbeitskräfte zurückkehren.“ Das wahrscheinlichere Szenario sieht nach Ansicht der Expertin so aus: “US-Unternehmen, deren Gewinne von erhöhten Produktionskosten bedroht sind, werden versuchen, die Lohnkosten in den USA weiter zu reduzieren, indem sie menschliche Arbeitskraft durch Roboter ersetzen.“

Stand: 31.01.2017, 08:58 Uhr