Neues Deutschland – bringt Härte gegen Zuwanderer mehr Sicherheit?

Der Faktencheck zur Sendung vom 09.01.2017

Terror zu Weihnachten, wieder Zusammenrottungen an Silvester, Deutschland diskutiert: Darf die Herkunft ein Verdachtsmerkmal sein? Brauchen wir härtere Gesetze, besonders bei der Abschiebung? Oder muss geltendes Recht nur konsequenter angewendet werden?

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und überprüft einige Aussagen. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Mehmet Daimagüler über Sexualstraftaten

Der Rechtsanwalt Mehment Daimagüler sagt, zwei Drittel aller Sexualstraftaten sind Beziehungstaten.

Die Größenordnung ist richtig. Laut polizeilicher Kriminalstatistik aus dem Jahr 2015 wurden rund 62 Prozent der erfassten Sexualdelikte von Verwandten oder näheren Bekannten der Opfer verübt. In 33,5 Prozent der Fälle hatten Opfer und Täter keinerlei Vorbeziehungen. 2015 wurden insgesamt 12.627 solcher Straftaten erfasst. Dies ist im Vergleich zu 2014 ein Rückgang um rund ein Prozent. Im Bereich der Sexualstraftaten verweisen Experten allerdings auf eine hohe Dunkelziffer, da viele Taten – besonders solche, in denen sich das Opfer in einer Beziehung zum Täter befindet - gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden.

Heribert Prantl über Terror-Abwehr und Flüchtlingspolitik

Der Journalist Heribert Prantl warnt vor dem Versuch, Gefahren durch den Terrorismus in Deutschland mit einer schärferen Flüchtlingspolitik zu begegnen. Die Vermischung von Anti-Terrorpolitik und Zuwanderungspolitik führe lediglich zu Pauschalisierungen. Ist seine Warnung gerechtfertigt?

Prof. Joachim Krause, Terrorismus-Forscher an der Uni Kiel, teilt die Einschätzung von Heribert Prantl. "Die Gegenstandsbereiche der Flüchtlings/Migrationspolitik und der Anti-Terrorpolitik sind unterschiedlicher Natur. Flüchtlinge sind in der Regel keine Terroristen und die überwiegende Zahl von ihnen wird das auch nie werden. Deswegen sollten Pauschalurteile vermieden werden", sagt Krause.

Schnittmengen vorhanden

Dennoch gebe es Schnittmengen, die – mit der notwendigen Differenziertheit – angesprochen werden können, so der Politikwissenschaftler. So habe etwa der so genannte Islamische Staat den faktischen Verlust der staatlichen Zugangskontrolle nach Europa genutzt, um Attentäter gezielt einzuschleusen, sagt Krause. Zwar seien es vermutlich nicht viele gewesen, aber diese hätten erheblichen Schaden angerichtet und weitere könnten folgen, befürchtet Krause. Eine Schnittmenge zwischen Anti-Terrorabwehr und Asylpolitik sieht Krause auch im Fall von Anis Amri. "Der Fall hat erkennen lassen, dass es Unzulänglichkeiten der deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik - d.h. der entsprechenden Gesetzgebung und deren Ausführung - waren, die dazu geführt haben, dass dieser Mann über Monate hinweg in Deutschland frei leben und einen Anschlag vorbereiten konnte." Die Behörden seien nicht in der Lage gewesen, ihn zu kontrollieren oder abzuschieben. "Die rechtlichen Hürden gegen die Abschiebung bzw. die Anordnung von Abschiebehaft sind derart hoch, dass inzwischen tatsächlich darüber nachgedacht wird, wie vergleichbare Fälle in der Zukunft verhindert werden können", so Krause.

Vermischung wäre gefährlich

Ein effektives Abschieberegime für abgelehnte und nicht geduldete Asylbewerber, hätte den Anschlag vom Dezember möglicherweise verhindert. "Da ist man mitten drin in der Instrumentalisierung der Ausländerpolitik für die Terrorismusprävention. Das lässt sich gar nicht vermeiden", sagt der Terrorismusforscher. Bei allen Überschneidungen von Flüchtlings- und Asylpolitik auf der einen und Anti-Terrorpolitik auf der anderen Seite, mahnt Krause jedoch Sorgfalt und Differenzierung an. "Ansonsten gibt es eine unheilvolle Vermischung, aus der heraus alles noch schlimmer zu werden droht."

Stand: 10.01.2016, 10:37 Uhr