Die Wut-Wahl: Verliert Deutschland die politische Mitte?

Der Faktencheck zur Sendung vom 14.03.2016

Drei Landtagswahlen, ein Ergebnis: Die AfD wird stark, die politische Mitte zerbröselt. Fehlen nun die Mehrheiten für starke Regierungen? Kann die Berliner Koalition einfach so weiter machen? Und wer schützt die Gesellschaft vor der Spaltung?

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und überprüft einige Aussagen der Gäste. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Thomas Oppermann über Nichtwähler

Thomas Oppermann (SPD) sagt, zwei Drittel der Wähler, die vor fünf Jahren noch zu Hause geblieben waren, hätten nicht die AfD gewählt.

Dass zwei Drittel der Nichtwähler ihre Stimme anderen Parteien gegeben haben, trifft lediglich auf die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz zu. Hier konnte die AfD rund ein Drittel der ehemaligen Nichtwähler (80.000 Stimmen) auf sich vereinen. 149.000 ehemalige Nichtwähler gaben ihre Stimmen den anderen Parteien. Lediglich die Grünen konnten hier keine Nichtwähler mobilisieren.

In Baden-Württemberg vereint die AfD gut die Hälfte der ehemaligen Nichtwähler auf sich. Die andere Hälfte verteilt sich auf Grüne, FDP, Linke und andere Parteien. CDU und besonders deutlich die SPD verloren am vergangenen Sonntag unter anderem auch, weil viele ihrer Wähler zu Haue geblieben sind.

Von den ehemaligen Nichtwählern hat die AfD besonders in Sachsen-Anhalt profitiert. Bei der Betrachtung der Wählerwanderungen der Nichtwähler wird deutlich, dass die AfD über zwei Drittel der Nichtwähler für sich gewinnen konnte. Der Rest gab seine Stimme der CDU und der FDP.

Nimmt man alle drei Landtagswahlen zusammen, so profitiert die AfD nach Auswertung von infratest dimap mit gut der Hälfte deutlich am stärksten von den Stimmen der ehemaligen Nichtwähler.

Jörg Meuthen über die AfD in Baden-Württemberg

Thomas Meuthen (AfD) sagt, die AfD habe insgesamt etwas für die Demokratie getan. Schließlich seien in Baden-Württemberg 200.000 Nichtwähler wieder zu den Wahlurnen gekommen.

Richtig ist, dass in Baden-Württemberg laut infratest dimap 209.000 bisherige Nichtwähler ihre Stimme der AfD gegeben haben. Das erklärt den Anstieg der Wahlbeteiligung von 66,3 Prozent im Jahr 2011 auf 70,4 Prozent aber nicht alleine. Denn außer der CDU und der SPD konnten alle anderen Parteien ebenfalls von den Nichtwählern profitieren – wenn auch nicht so deutlich wie die AfD. So konnten auch Grüne und FDP 129.000 bzw. 43.000 ehemalige Nichtwähler mobilisieren.

Noch deutlicher als in Baden-Württemberg ist die Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz gestiegen. In Sachsen-Anhalt lag sie bei 61,1 Prozent. Fünf Jahre zuvor gingen gerade einmal 51,2 Prozent der Wähler an die Urnen. Rheinland-Pfalz verzeichnet eine Beteiligung von 70,4 Prozent (2011: 61,8 Prozent)

Thomas Oppermann über AfD-Wähler

Thomas Oppermann sagt, nur ein Drittel der AfD-Wähler gab seine Stimme der Alternative für Deutschland, weil sie von der Partei überzeugt sind. Zwei Drittel hätten den anderen Parteien einen Denkzettel verpassen wollen.

Das jedenfalls geht aus den Umfragen hervor, die im Rahmen der drei Landtagswahlen von infratest-dimap erhoben wurden. In Baden-Württemberg gaben 70 Prozent der AfD-Wähler an, die Alternative für Deutschland aus Enttäuschung über die anderen Parteien gewählt zu haben. Lediglich 21 Prozent wählten die AfD aus Überzeugung zur Partei. Ähnliche Umfrageergebnisse gibt es in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. 62 bzw. 64 Prozent der Menschen, die AfD gewählt haben, taten dies, weil sie von anderen Parteien enttäuscht sind. 29 Prozent der AfD-Wähler gaben ihre Stimme in Rheinland-Pfalz der AfD, weil sie von der Partei überzeugt sind. In Sachsen-Anhalt waren es 27 Prozent.

Stand: 15.03.2016, 11:01 Uhr