Merkels Zwischenbilanz: Kanzlerin der leeren Hände?

Der Faktencheck zur Sendung vom 22.02.2016

Angela Merkel hat die angekündigte Zwischenbilanz ihrer Flüchtlingspolitik vertagt. Die Zahlen bleiben aber weiter hoch. „hart aber fair“ fragt: Hat Merkel wenigstens eines ihrer Ziele erreicht? Wie isoliert sind wir in Europa? Und: Wer glaubt noch an die Strategie der Kanzlerin?   

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und überprüft einige Aussagen der Gäste. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Jens Spahn über deutsche Solidarität

Jens Spahn (CDU) will den Vorwurf, Deutschland sei unsolidarisch, nicht gelten lassen. Neben Schweden und Österreich habe Deutschland die meisten Flüchtlinge aufgenommen.

Betrachtet man die absoluten Zahlen, so hat Deutschland tatsächlich die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Mehr als eine Million kamen im vergangenen Jahr nach Deutschland. In Relation zur Bevölkerungszahl steht Deutschland allerdings nicht an der Spitze der Aufnahmeländer. So wurden etwa im zweiten Quartal 2015 in Ungarn 3.317 erstmalige Asylbewerber je eine Million Einwohner gezählt. In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum 997. Damit lag Deutschland innerhalb der EU lediglich an vierter Stelle, denn auch in Schweden (1.467) und Österreich (2.026) wurden mehr Asylanträge pro eine Million Einwohner gestellt als hierzulande. Aktuelle Zahlen dieses Jahres liegen noch nicht vor. Sie dürften allerdings ein anderes Bild abgeben, nachdem Ungarn, Österreich und Schweden ihre Asylpolitik deutlich verschärft haben.

Katja Kipping über Heidenau und Polizeiführung

Katja Kipping (Die Linke) findet, dass bei Protesten und Übergriffen auf Asylbewerberheime auch die Polizeiführung falsche Signale aussendet. So habe es bei den gewaltsamen Protesten im sächsischen Heidenau im Sommer vergangenen Jahres nicht eine einzige Festnahme gegeben.

Es stimmt, dass es in den Tagen, an denen im Sommer des vergangenen Jahres mehrere hundert Asyl-Gegner zum Teil gewaltsam gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Heidenau protestierten, keine Festnahme gegeben hat. Das hat die Polizei in Sachsen in einer Pressemeldung bestätigt. Demnach sprachen die Einsatzkräfte lediglich 65 Platzverweise aus und stellten die Identitäten von 23 Personen fest. Allerdings hat die Polizei nach Angaben des MDR gut drei Monate nach den Ausschreitungen 48 Tatverdächtige ermittelt. Gegen sie wurde unter anderem wegen Volksverhetzung, gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch ermittelt. Kürzlich wurde im Zusammenhang mit den Krawallen ein erstes Urteil gefällt. Ein 45-jähriger wurde wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro verurteilt. Derzeit seien am Amtsgericht Pirna noch zehn bis 15 Verfahren anhängig, so ein Gerichtssprecher.

Wilfried Scharnagl über die Umverteilung in der EU

Auch der Journalist und CSU-Politiker Wilfried Scharnagl kann nur den Kopf schütteln, wenn er sich die Zahl der Flüchtlinge anschaut, die bislang innerhalb der EU verteilt wurden. Bei gerade einmal ein paar Hundert sei dies bislang gelungen.

Diese Größenordnung stimmt. Dass das Programm, mit dem 160.000 Flüchtlinge innerhalb der EU verteilt werden sollen, weit hinter den Erwartungen zurück liegt, bestätigten bereits unsere Experten Bernd Parusel und Claudia Engelmann im Faktencheck für die vergangene Sendung. Zwar sei das Programm noch neu und eingehende Forschungen hierzu noch nicht vorhanden, sagt Bernd Parusel. Allerdings gebe es Hindernisse, die möglicherweise für die sehr geringen Verteilungen mitverantwortlich sein könnten: "Für die in Italien und Griechenland ankommenden Flüchtlinge ist die Teilnahme am Programm freiwillig. Sie bekommen gesagt, dass Ihnen eine sichere und legale Einreise in ein EU-Land ermöglicht wird, in dem dann ein Asylverfahren durchgeführt wird." Wo dies jedoch sein wird, dürfen sie sich nicht aussuchen. Da laut Parusel aber viele Flüchtlunge eine Vorstellung davon haben, wo sie hin möchten, etwa weil sie Freunde oder Verwandte dort haben, wollen sie nicht in ein Land umverteilt werden, das sie nicht kennen. Daher zögen es viele vor, auf eigenes Risiko nach Mittel-, West- oder Nordeuropa weiterzureisen, ohne an dem Verteilprogramm teilzunehmen, sagt der Experte.

Wolfram Weimer über das Vertrauen in die Bundesregierung

Wolfram Weimar will den Beginn einer Staatskrise erkannt haben. Ein Indiz hierfür sieht er in der Skepsis der Deutschen: 81 Prozent der Bevölkerung würden der Bundesregierung nicht zutrauen, die Krise in den Griff zu bekommen.

Das jedenfalls ist das Ergebnis des aktuellen ARD-Deutschlandtrends. Tatsächlich glauben 81 Prozent der Befragten, dass die Bundesregierung die Flüchtlingssituation nicht im Griff hat. Lediglich 18 Prozent sehen das anders. Auch die CSU-Forderung nach Obergrenzen findet im aktuellen Deutschlandtrend vermehrte Zustimmung: 63 Prozent der Deutschen spricht sich für Obergrenzen aus – zwei Prozentpunkte mehr als noch im Vormonat. Lediglich 33 Prozent lehnen sie ab.

Stand: 22.02.2016, 16:53 Uhr