Blick in die Tunnelröhre

Mulmiges Gefühl im Kölner U-Bahntunnel

Journalisten im Untergrund

Stand: 24.03.2010, 15:45 Uhr

Am 24. März 2010 führten Vertreter der Baufirmen erstmals Journalisten auf längerer Strecke durch den Rohbau der Kölner Nord-Süd-U-Bahn . Die Blicke richteten sich vor allem auf Stellen, an denen der Beton feucht ist oder an denen Risse zu sehen sind.

Von Oliver Köhler

Die Luft ist staubig, Halogenstrahler tauchen die Szenerie aus Beton in gleißendes Licht. Wir wandern durch eine Betonröhre, sieben Meter im Durchmesser, ein Ende ist nicht in Sicht. Nach gut einer Viertelstunde tut sich über uns ein riesiges Bauwerk aus Treppen, Zwischendecken, Schächten und Treppen aus rohem Beton auf. Etwa 25 Meter über unseren Köpfen quälen sich Autos, LKW und Straßenbahnen durch den Kreisverkehr des Chlodwigplatzes in der Kölner Südstadt.

Wir Journalisten unten im künftigen Gleisbett der Kölner Nord-Süd-U-Bahn haben längst die Orientierung verloren. Der für den U-Bahnbau in diesem Bereich zuständige Projekteiter Stefan Roth weist in Richtung eines Durchlasses in der Decke hoch oben. "Das ist der Ausgang direkt vor der Severinstorburg. Wenn man da ans Tageslicht kommt, steht man direkt vor dem alten Stadttor". Der Rohbau der künftigen Haltestelle Chlodwigplatz ist so gut wie fertig, so wie die meisten U-Bahnbaustellen in der Kölner Südstadt.

Suche nach Unglücksursache wird noch Monate dauern

Dort hatte es am 3. März 2009 einen extremen Wassereinbruch in die Baustelle gegeben. Dabei waren das Historische Stadtarchiv und benachbarte Gebäude eingestürzt. Zwei junge Männer kamen ums Leben. "Wann wir endlich die Ursache für das Unglück kennen werden, kann heute niemand genau sagen", meint Projektleiter Roth. "Es wird ja viel darüber spekuliert, dass ein Loch in einer Baustellenwand dazu geführt hat, dass in kürzester Zeit riesige Massen Wasser und Erdreich in die Baustelle geschwemmt wurden und dadurch ein Hohlraum entstanden ist. Wenn es so gewesen wäre, hätte das Loch etwa fünf Quadratmeter groß sein müssen", sagt Roth. "Ein Loch von dieser Größe konnte mit den bisherigen Meßmethoden aber nicht gefunden werden."

Bis zum Herbst 2010 soll neben der mutmaßlich defekten Baustellenwand ein mit Betonwänden gesicherter, etwa 30 Meter tiefer Schacht gegraben werden. Von diesem Schacht aus soll die Baustellenwand genauer untersucht werden. "Möglicherweise wird man trotz dieses Aufwandes die Unglücksursache nicht finden können", meint Ingenieur Roth. "Denn es besteht durchaus die Möglichkeit, dass der Wassereinbruch durch den noch nicht betonierten Boden der Baustelle erfolgte - ein so genannter "Hydraulischer Grundbruch". Doch die Anzeichen dafür werden in der Baustelle nur schwer zu finden sein."

Sicherheitsmaßnahmen auf Baustellen verschärft

Kölner U-Bahn Besichtigung

01:39 Min. Verfügbar bis 31.12.2500

Projektleiter Roth berichtet, dass der Einsturz des Stadtarchivs für die Mannschaft der Baufirmen ein Schock war. "Wir haben nach dem Unglück den Projektleiter und viele Ingenieure ersetzt, damit eine neue Mannschaft hier unbelastet an der Aufklärung mitwirken kann", so Roth. Nachdem im Februar 2010 bekannt geworden war, dass Arbeiter Stahl gestohlen hatten, seien die Sicherheitsmaßnahmen auf allen Baustellen verschärft worden und das Personal werde nun intensiver kontrolliert, um weitere Diebstähle von Baumaterial und die Manipulation von Unterlagen zu verhindern, so Roth weiter.

Über der Tunnelröhre, die aus 40 Zentimeter starken Stahlbeton-Elementen besteht, liegen fast 20 Meter Erdreich und darauf stehen Häuser der Kölner Südstadt. An einem der Betonelemente der Tunnelwand irgendwo zwischen Chlodwigplatz und Waidmarkt spachteln Arbeiter Löcher zu. "Hier gab eine feuchte Stelle. Da wurde ein spezieller Kunststoff in den Beton gepresst. Jetzt kommt keine Feuchtigkeit mehr durch", erklärt Projektleiter Roth. "Das ist übrigens ganz normal beim Tunnelbau. Sie brauchen sich deshalb keine Sorgen zu machen". Je länger die Wanderung durch Kölns Unterwelt dauert, desto mehr schwindet das mulmige Gefühl. Denn die Bauarbeiter und Ingenieure, die hier unten beschäftigt sind, machen nicht den Eindruck, als hätten sie Angst vor einer weiteren Katastrophe beim U-Bahnbau.