Soziale Netzwerke

Interview zum Safer Internet Day 2011

"Sparsam mit Daten umgehen"

Stand: 08.02.2011, 02:00 Uhr

Mit vielen Aktionen wirbt die Europäische Kommission Dienstag (08.02.2011) am Safer Internet Day für eine sichere Internetnutzung. Informatik-Professor Torsten Strufe kennt die Lücken in sozialen Netzwerken und erklärt, wie sich User schützen sollten.

Torsten Strufe ist Informatik-Professor an der Technischen Universität (TU) Darmstadt. Er entwickelt mit Kollegen das soziale Netzwerk "Safebook". Es soll einen deutlich besseren Schutz privater Daten gewährleisten. Im Rahmen dieser Arbeit hat Strufe sich mit den Problemen sozialer Netzwerke intensiv auseinandergesetzt und deren Sicherheitslücken aufgedeckt.

WDR.de: Herr Strufe, Sie haben ein Facebook-Profil. Ihr Profilbild ist aber kaum erkennbar. Wie vorsichtig gehen Sie mit Daten von sich um?

Torsten Strufe: Ich gehe sehr sparsam damit um. Ein Profil habe ich nur, um festzustellen zu können, ob Leute Daten über mich veröffentlichen. Beispielsweise, wenn ein Foto von mir und meinen Freunden aus der Kneipe hochgeladen und mein Name darauf vermerkt wird. Als Facebook-Mitglied kann ich Bescheid sagen, dass das entfernt werden soll. Meine Regel lautet: Bei Facebook würde ich nur das als Statusmeldung, Nachricht oder auf eine fremde Pinnwand schreiben, was auch am nächsten Tag in der Zeitung stehen dürfte. Private Nachrichten oder private Fotos sind deshalb tabu.

WDR.de: Was sind die typischen Fehler, die zum Missbrauch von User-Daten führen?

Strufe: Usern sollte klar sein, dass ihre Daten für jeden sichtbar sind. Denn wenn ich eine vermeintlich private Nachricht schreibe, die aber jeder auf einer Netzwerk-Pinnwand sehen kann, ist sie auch für jeden Freund und für dessen Freunde zu sehen. Das funktioniert - je nach Sicherheitseinstellung - auch über eine Google-Suche. Zweitens muss klar sein, dass die Daten immer wieder auftauchen können. Denn bei den Netzwerk-Betreibern bleiben sie auf den Servern gespeichert.

WDR.de: Was kann denn mit den persönlichen Daten geschehen?

Strufe: Weil ich meine Daten dem Netzwerk zur Verfügung stelle, bekomme ich personalisierte Werbung. Das ist ganz legal, denn dass das Netzwerk Wohnort, Alter, Interessen und vieles mehr weitergeben darf, steht in den Lizenzbedingungen. Meine Bilder und Daten können aber auch von Fremden ganz einfach kopiert und dann verwendet werden. Zum Beispiel, um mir oder Netzwerk-Freunden E-Mails mit Links zu virenverseuchten Seiten zu schicken. Bei laufenden Bewerbungen können Personalchefs auf meine Daten stoßen. Umfragen haben gezeigt, dass das Internet in solchen Fällen durchforstet wird. Nicht zu vergessen ist, dass Betreiber von sozialen Netzwerken vom Verkauf von Bezahl-Accounts oder von Werbung leben. Wenn das wegbricht, das hat die Vergangenheit gezeigt, schlachten sie die User-Daten wirtschaftlich aus. Zum Beispiel Myspace. Seit es dort nicht mehr so gut läuft, kann man die gespeicherten Daten kaufen.

WDR.de: Ist es überhaupt möglich, dass User die volle Kontrolle über ihre Daten in sozialen Netzwerken behalten? Wie kann man selbst für Sicherheit sorgen?

Strufe: Die Privatsphäre-Einstellungen müssen aktiviert werden. Doch das ist selbst für findige User gar nicht so einfach. Denn die sind bei manchen Netzwerken gut versteckt. Das liegt am Geschäftsmodell der Betreiber. Sie wissen, dass viele User die Netzwerke nutzen, um andere zu beobachten, geradezu zu stalken. Sie wollen auf andere Profile zugreifen können, ohne dass es die betreffende Person merkt. Meine Theorie lautet: Deshalb versteckt Facebook die Privatsphäre-Einstellungen so gut. Bei Xing zum Beispiel ist es anders. Dort soll jeder die Business-Infos lesen können. Privates ist weniger interessant. Deshalb sind die Privatsphäreeinstellungen nicht schwierig zu finden.

WDR.de: Über fünf Millionen jugendliche User tummeln sich in schülerVZ. Gibt es dort besondere Probleme?

Strufe: Wir haben vor einiger Zeit studiVZ und meinVZ untersucht. Dort gab es Attacken in der Weise, dass die Computer der Nutzer von Fremden ausgespäht und deren Daten gestohlen worden waren. Im Allgemeinen geben die VZ-Netzwerke sich aber viel Mühe, um ihre User zu schützen. Kommerzielle Interessen oder der Stalking-Gedanke stehen dabei nicht so im Vordergrund wie bei anderen Netzwerken. Wir haben uns die Privatsphäre-Einstellungen angesehen. Die sind einfach zu bedienen und man kann gut einstellen, wer auf was zugreifen können darf. Die Standardeinstellungen sind sehr restriktiv. Man muss von sich aus freigeben - das ist ganz anders als bei Facebook. Regionale Netzwerke oder Spartennetzwerke sind bei Jugendlichen sehr darauf bedacht, sie zu schützen.

WDR.de: Wie können Eltern und Lehrer Schülern helfen?

Strufe: Kinder und Jugendliche können zwar oft besser und schneller mit der Technik umgehen. Aber ihnen ist noch viel weniger klar als Erwachsenen, welches Ausmaß die Veröffentlichung von privaten Informationen hat. Sie verstoßen während des Aufwachsens oft gegen Regeln. Das wird ihnen nachgesehen, weil sie ja noch so jung sind. Es ist aber etwas anderes, ob ein 14-Jähriger sich nach zu viel Alkohol auf dem Dorfplatz übergibt und dabei gesehen wird. Das ist nach einer Woche vergessen. Wird es aber fotografiert und im Internet veröffentlicht, können das Millionen Menschen immer wieder sehen und weiterverbreiten. Dieser Vorfall verschwindet nicht. Dass die Folgen also viel größer sind, müssen Eltern und Lehrer Kindern und Jugendlichen bewusst machen. Ich habe es zum Beispiel schon selbst erlebt, dass Kinder Kommentare geschrieben haben, die völlig verfehlt waren. Aber es wurde eben einfach mal von ihnen in dem Moment "so gesagt". Wer den Zusammenhang nicht kannte, war gelinde gesagt verblüfft, was dort geschrieben wurde.

WDR.de: Wie würde das ideale soziale Netzwerk aussehen? Ist es realistisch, dass es ein solches Netzwerk jemals geben wird?

Strufe: Wichtig ist, dass die Standardeinstellungen sehr restriktiv sind. Es muss den Leuten möglich sein, zum Beispiel einzelne Bilder bestimmten Usern freizugeben, ohne dass sie ein ganzes Fotoalbum veröffentlichen müssen. Es wird aber immer technische Möglichkeiten geben, Daten zu kopieren - das sollte man nie vergessen. Daten sollten auch nicht zentral gespeichert werden. Selbst wenn man den Unternehmen vertraut, kann es dort zu Einbrüchen und Datendiebstählen kommen. Bei Google haben Mitarbeiter auf fremde Mails zugegriffen. Davor ist kein Unternehmen sicher. Es gibt bereits soziale Netzwerke, die dezentral organisiert sind, Informationen verschlüsseln und restriktive Einstellungen haben. Das sind aber noch Prototypen. Zum Beispiel Diaspora oder Lifesocial. Wichtig ist es deshalb, mit seinen Daten weiterhin sparsam umzugehen.

Das Interview führte Lars Hering.