Gustav Schreiber, Geschäftsführer RRD

Kosten von mindestens einer halben Million Euro

PCB-Skandal schadet Nachbarfirmen

Stand: 20.08.2010, 02:00 Uhr

Die Reinigung des PCB-verseuchten Geländes der Dortmunder Firma Envio ist fast abgeschlossen. Doch auch wenn die Flächen wieder sauber sind, ist der Schaden längst noch nicht behoben. Die Nachbarfirmen sind finanziell hart getroffen.

Von Katrin Schlusen

Es war ein Freitagnachmittag Ende Mai. Gustav Schreiber war mit Geschäftspartnern unterwegs, als ihn ein Mitarbeiter auf dem Handy anrief. Da sei ein Journalist, der wolle ihn sprechen. Er rief zurück und erfuhr, dass eine Nachbarfirma von den Behörden dichtgemacht worden sei. Und damit begann der Albtraum. Der Name der Firma: Envio. Der Schaden für Gustav Schreibers Unternehmen, die Rohstoff Recycling Dortmund (RRD): mindestens eine halbe Million Euro.

PCB-verseuchte Schrottlieferungen

Envio Verwaltungsgebäude Dortmund im August 2010

Envio in Dortmund

Die Rohstoff Recycling GmbH hat zwei Standorte in Dortmund und lebt davon, dass sie Stahlschrott aufkauft, klein schneidet und weiterverkauft. Die Kunden schmelzen den Stahl dann ein. Das ist ein hartes Geschäft mit viel Konkurrenz. Über einen Zwischenhändler hat RRD auch Transformatoren von Envio bezogen. Die Trafos wurden inklusive einer Unbedenklichkeitsbescheinigung von Envio geliefert, erinnert sich Geschäftsführer Gustav Schreiber. Es stellte sich heraus: Die sogenannten Spülbescheinigungen waren nichts wert - die Trafos mit PCB belastet. Schreiber ließ den Betrieb an der Hartmannstraße in Dortmund sofort vorsorglich stilllegen.

Lange Liste an Folgekosten

Firmenschild RRD

RRD: vier Wochen Betriebsstilllegung

"Wir stellen gerade alle Kosten zusammen", sagt Schreiber. Die Rechnung ist lang: Blutuntersuchungen der 14 Mitarbeiter, die am Standort Hartmannstraße tätig waren, durch ein externes Labor (pro Untersuchung etwa 650 Euro); Reinigung des Betriebsgeländes; vier Wochen unfreiwillige Betriebspause (die monatlichen Betriebskosten liegen bei 100.000 Euro); um vereinbarte Lieferungen einzuhalten, mussten teure Streckengeschäfte abgeschlossen werden. "Der Stahl musste anderweitig beschafft und direkt an die Kunden geliefert werden", erklärt Schreiber. Dazu kommen die Anwaltskosten. Unterm Strich macht das eine halbe Million Euro - oder mehr. "Ob wir davon etwas vom Verursacher zurück bekommen, weiß keiner." Die Schuldfrage muss erst juristisch geklärt werden. Zurzeit geht die Staatsanwaltschaft Dortmund mehreren Anzeigen gegen die Envio AG nach.

Alle Firmenräume werden untersucht

Geschlossene Kantine von ABP Induction Dortmund

Werkskantine geschlossen

Auch der Maschinenbauer ABP Induction, der auf dem Envio-Gelände produziert, befürchtet einen Image-Schaden. "Wir möchten nicht mit den Geschehnissen bei Envio in Verbindung gebracht werden", sagt Personalleiter Sven Hille. ABP hat nie Produkte von Envio gekauft - aber die Nachbarschaft reicht schon aus. "Mittlerweile geht etwa 50 Prozent meiner Arbeitszeit dafür drauf", berichtet Hille. Ständig gibt es Gespräche mit den Behörden, PCB-Untersuchungen und Reinigungsarbeiten. Vor zwei Wochen dann der Schock: Die Werkskantine ist - obwohl erst als unbedenklich eingestuft - dreimal so stark mit PCB belastet, wie es für Wohnräume erlaubt ist. Seitdem ist sie geschlossen. Die Firmenspitze beschloss jetzt, jeden einzelnen Raum untersuchen zu lassen.

Existenzbedrohliche Situation für kleine Firmen

Hans-Dieter Kahleyß, Geschäftsführer der Gasrußwerke Dortmund

Sprecher der Hafen-Firmen: Hans-Dieter Kahleyß

Der Sprecher der Anliegerfirmen im Hafen, Hans-Dieter Kahleyß, hat mittlerweile einen dicken Aktenordner mit Unterlagen zum PCB-Skandal. Er ist der Geschäftsführer der Gasrußwerke, die etwa einen Kilometer von Envio entfernt liegen, und macht sich große Sorgen über das Image des Industriegebiets. "Für kleine Firmen mit großen Flächen kann die jetzige Situation existenzbedrohlich sein", sagt er. Die Frage ist, ob sich die Geschädigten das Geld zurückholen können.

Wut und Angst bei den Mitarbeitern

"So oder so", sagt Gustav Schreiber von RRD: "Die Kosten gehen voll ins Ergebnis - und das während der Wirtschaftskrise." Beim diesjährigen Firmen-Grillfest war die Wut der Mitarbeiter groß. Immerhin fiel das Ergebnis aller Blutproben gut aus: Die festgestellten PCB-Werte lagen weit unter dem Grenzwert. Trotzdem: "Ich kann nicht verstehen, warum da noch keine Handschellen geklickt haben."