Vorzeitige Schließung der Getriebefertigung bei Opel

Das letzte Getriebe läuft vom Band

Teil-Schließung bei Opel Bochum

Stand: 07.10.2013, 13:25 Uhr

Am Montag (07.10.2013) sind die letzten Getriebe im Bochumer Opel-Werk gefertigt worden. Die rund 300 Beschäftigten müssen nun über ihre Zukunft entscheiden und werden vor Ort beraten. Wie ihre Perspektiven aussehen, berichtet WDR-Wirtschaftsexperte Olaf Biernat.

WDR.de: Am Montag ist das letzte Getriebe bei Opel vom Band gegangen. Der Betrieb läuft aber noch bis Ende Dezember. Was passiert in den nächsten drei Monaten in der Getriebefertigung?

Olaf Biernat: Jetzt beginnt die Abwicklung der Restproduktion. Es werden nur noch die Getriebe ausgeliefert, die in den Lagerhallen liegen. Darum stehen heute auch nur noch ganz wenige Opelaner in der Getriebefertigung wirklich am Band.

WDR.de: Dafür beginnt aber etwas anderes. Die 300 Mitarbeiter müssen über ihre Zukunft entscheiden und werden beraten. Wie muss man sich das vorstellen?

Olaf Biernatt

Olaf Biernat

Biernat: Die Arbeitsagentur und die Personalabteilung von Opel sind im Betrieb vor Ort und führen Einzelgespräche. Für jeden Mitarbeiter will man sich etwa 1,5 Stunden Zeit nehmen, um seine persönlichen Perspektiven auszuloten. Dabei spielt natürlich eine Rolle, wie alt jemand ist und welche Chancen es generell noch auf dem Arbeitsmarkt gibt. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Solange sind die Mitarbeiter dort auch noch im Betrieb und offiziell bei Opel beschäftigt.

WDR.de: Welche Möglichkeiten haben die 300 Beschäftigten denn?

Biernat: Sie können sich sofort für eine Abfindung entscheiden und Opel Ende des Jahres verlassen. Die zweite Möglichkeit wäre der Wechsel in das Bochumer Hauptwerk – also in die Fahrzeugfertigung. Aber da hängt auch das Damoklesschwert über ihnen, denn da wird spätestens Ende 2014 auch Schluss sein. Die dritte Möglichkeit wäre ab Januar 2014 für ein Jahr in eine Transfergesellschaft zu wechseln.

WDR.de: Was bedeutet denn Transfergesellschaft in der Praxis – da entsteht ja keine neue Firma …

Biernat: Es gibt schon eine Transfergesellschaft bei Opel. Die befindet sich im Werk selber. Die Mitarbeiter haben dort Computerarbeitsplätze. Sie informieren sich über Stellenangebote und können sich weiterqualifizieren. Denn das, was sie im Moment machen - viele sind Industriemechaniker und arbeiten am Band - diese Tätigkeit werden sie nirgendwo anders mehr so ausüben können, wie jetzt bei Opel. In der Transfergesellschaft können sie sich ein Jahr weiterbilden und bewerben und bekommen in der Zeit noch 80 Prozent ihres Lohns.

WDR.de: Wie werden die Beschäftigten sich denn entscheiden?

Biernat: Darüber gibt es noch gar keine Informationen. Die Entscheidungen werden ja erst nach und nach fallen. Aber der Betriebsrat sagt, dass die Beschäftigten in der Getriebefertigung durchschnittlich ein bisschen älter sind als im Hauptwerk. Das Durchschnittsalter liegt bei 47 Jahren. Da werden sich viele überlegen, ob sie direkt die Abfindung nehmen oder noch ein Jahr im Hauptwerk überbrücken. Ich denke, dass relativ viele Mitarbeiter sich für die Abfindung entscheiden werden, zumal das Angebot von Opel nicht so schlecht ist.

WDR.de: Wie hoch werden die Abfindungen denn sein?

Biernat: Es gibt einen Abfindungsschlüssel, der erst mal kompliziert klingt: Da wird das Alter des Mitarbeiters mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Bruttogehalt multipliziert. Und diese Summe wird dann durch 35 geteilt. Das bedeutet für einen 40-Jährigen, der etwa 15 Jahre bei Opel gearbeitet und ein durchschnittliches Gehalt bekommen hat, eine Abfindung von etwa 50.000 Euro. Und jemand, der Mitte 50 ist und schon entsprechend länger bei Opel gearbeitet hat, bekommt dann um die 100.000 Euro. Die IG Metall nannte das ein "faires Angebot".

WDR.de: Das hört sich viel an. Doch bei Nokia zum Beispiel waren die Abfindungen deutlich höher. Warum?

Biernat: Nokia war ein Sonderfall. Die Firma hat Bochum von heute auf morgen verlassen. Vielleicht hatte die Geschäftsleitung ein schlechtes Gewissen und hat deshalb extrem hohe Abfindungen gezahlt. Das war einzigartig, und das wird es so schnell nicht mehr geben. Man darf auch nicht vergessen, dass es Nokia wirtschaftlich sehr gut ging. Opel dagegen geht es wirtschaftlich schlecht, da gibt es hohe Verluste.

WDR.de: Etwas zynisch liest sich heute die Nachricht, dass Opel und die Stadt Bochum das Gelände zurzeit auf der Münchner Immobilienmesse Expo Real zum Kauf anbieten. Gibt es darauf Reaktionen?

Biernat: Der Betriebsrat steht dahinter, denn Opel lässt sich von dem Plan nicht mehr abbringen, das Bochumer Werk zu schließen. Und jetzt versucht man eben, Investoren für das Gelände, das eigentlich ein Filetstück im Ruhrgebiet ist, zu interessieren.

Die Fragen stellte Conny Crumbach.