T-Shirt-Motiv der Band "Weiße Wölfe" bei einer Berliner NPD-Demonstration (Aufnahme vom 10.10.2009)

Rechte NRW-Bands und ihre Nähe zum Terror

Stand: 17.02.2016, 06:00 Uhr

  • Die beiden Rechtsrock-Bands "Oidoxie" und "Weiße Wölfe" aus NRW machen nicht nur Musik
  • Sie unterstützen auch militante Neonazi-Strukturen
  • Was das möglicherweise mit dem NSU zu tun hat, erklärt am Mittwoch (17.02.2016) der Musikexperte Jan Raabe vor dem NSU-Ausschuss

WDR.de: Herr Raabe, wie ist die rechte Musikszene in NRW aufgestellt?

Jan Raabe: Die neonazistische Musikszene in Nordrhein-Westfalen ist vielfältig. Es gibt einerseits Rock-Bands wie die Gruppe "Sleipnir" aus dem Raum Gütersloh, die schon fast 25 Jahre existiert. Und wir haben andererseits den neonazistischen Rapper Makss Damage, der auch Hiphop macht. Einige Bands sind von den Texten her sehr weichgespült. Sie gehören zwar zur extremen Rechten, sind aber nicht offen neonazistisch. Dann gibt es wiederum Bands, die  sich in ihren Texten durch Gewalt und Vernichtungsphantasien hervorgetan haben.

WDR.de: Welche sind das?

Raabe: Deutlich heraus stechen dabei die Band "Weiße Wölfe" aus dem Hochsauerland und die Band "Oidoxie" aus dem Raum Dortmund. Auf ihrer Debüt-CD haben die "Weißen Wölfe" 2002 von tausenden zu ermordender Juden gesungen. Die 1995 gegründete Band "Oidoxie" wiederum propagiert in ihren Texten das Konzept des "Leaderless Resistance", den "führerlosen Widerstand", und "Race War", den "Rassenkrieg". Diese beiden NRW-Bands sind über Jahre mit radikalen, militanten und gewaltverherrlichenden Texten an die Öffentlichkeit gegangen. Und sie haben für die Terrorgruppe "Combat 18" geworben, die für eine Vielzahl von Anschlägen verantwortlich gemacht wird. Damit sind sie bundesweit fast die Einzigen.

Der Musikexperte Jan Raabe (Jahrgang 1965) ist Referent beim Bielefelder Verein "Argumente & Kultur gegen Rechts". Der Diplom-Pädagoge befasst sich seit den 1990er Jahren mit der extremen Rechten, insbesondere mit neonazistischer Musik. Er ist Herausgeber und Mitautor des Sammelbandes "RechtsRock - Bestandsaufnahme und Gegenstrategien" (2002). Das Buch gilt bis heute als Standardwerk. 2013 erschien "RechtsRock - Made in Thüringen".

WDR.de: Wer steckt hinter "Combat 18"?

Raabe: "Combat 18" ist der bewaffnete Arm des Neonazi-Netzwerks "Blood and Honour", das 1985 in England gegründet wurde und als internationale Organisation rechtsextreme Konzerte veranstaltet und CDs produziert. "Blood and Honour" propagiert aber auch den Nationalsozialismus als politisches System. Deshalb wurde das Netzwerk in der Bundesrepublik im Jahr 2000 verboten. "Combat 18" wiederum ist aufs Engste mit "Blood and Honour" verbunden und agiert nach dem Konzept des "führerlosen Widerstands" – offenbar ähnlich wie der NSU.

WDR.de: Was haben NRW-Bands mit den beiden Organisationen zu tun?

Die Band "Oidoxie" um Sänger Marco Gottschalk (M) aus Dortmund-Brechten spielt vor Rechtsextremisten auf einer Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung (Aufnahme vom 29.09.2003)

Konzert der Dortmunder Band "Oidoxie"

Raabe: Gerade die beiden Bands "Weiße Wölfe" und "Oidoxie" sind in diese internationalen Netzwerke seit circa 15 Jahren eingebunden. Sie treten international bei Konzerten unter der Überschrift "Combat 18" auf. Sie verherrlichen in ihren Liedtexten die Terrorkonzepte dieser Organisation. Und es ist bekannt, dass einzelne Akteure aus dem direkten Umfeld dieser Bands internationale Kontakte zu Personen haben, die mit Waffen und rechtsterroristischen Aktivitäten in Erscheinung getreten sind.

WDR.de: Im Jahr 2003 wurde bei einer Razzia in Schleswig-Holstein die Neonazi-Zelle "Combat 18 - Pinneberg" ausgehoben. Im Dezember 2015 hat ein Vertreter des NRW-Verfassungsschutzes vor dem Düsseldorfer NSU-Untersuchungsausschuss abgestritten, dass es damals solche terroristische Strukturen auch in NRW gegeben habe. Wie sehen Sie das?

Raabe: Meines Erachtens hat es um diese Zeit herum im Raum Dortmund eine "Combat 18"-Zelle gegeben. Es gibt Aussagen von Aussteigern und es gibt interne Kommunikation aus der neonazistischen Szene, die klar darauf hindeutet, dass es diese Bestrebungen und solche Personenzusammenhänge gegeben hat. Inwieweit diese Dortmunder Zelle in terroristische Planungen involviert war oder wie weit sie bei Anschlagsvorbereitungen gekommen sind, kann ich nicht sagen. Aber es hat Aussagen über Schießtrainings dieser Gruppe gegeben, die der Journalist David Schraven publiziert hat. Wenn das tatsächlich der Fall ist, dann muss man natürlich durchaus von einer terroristischen Struktur sprechen.

WDR.de: Im April 2006 erschoss vermutlich der NSU den Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık und zwei Tage später den Kasseler Internetcafé-Betreiber Halit Yozgat. Gibt es Verbindungen zwischen Neonazis in Dortmund und Kassel?

Raabe: Es gibt sehr enge Verbindungen zwischen der Dortmunder Szene und der Kasseler Szene - und zwar interessanterweise genau aus einem Personenkreis rund um die Dortmunder Band "Oidoxie". Es handelt sich dabei um eine Art Saalschutz der Band, der einerseits als Security agiert und andererseits auch Konzerte organisiert hat. In dieser sogenannten Oidoxie-Streetfighting-Crew waren mehrere Personen organisiert, die in Kassel ansässig waren. Die Band ist auch in Kassel in der Nähe des späteren Tatorts aufgetreten. Es hat also eine enge Verbindung zwischen Dortmunder und Kasseler Rechtsextremisten gegeben.

WDR.de: Gab es denn auch Verbindungen zwischen der Band "Oidoxie" und dem NSU?

Raabe: Es ist bekannt, dass Personen aus dem Unterstützkreis des NSU durchaus Kontakte hatten zu Personen aus der rechten Dortmunder Musikszene. Es gibt Adress-Einträge in gefundenen Notizbüchern, die nahe legen, dass man sich gekannt hat. Es wurden auch "Oidoxie"-CDs von Personen produziert, die dem NSU-Umfeld zugerechnet werden.

Es gab zum Beispiel am 27. Dezember 1997 - also noch bevor die drei mutmaßlichen NSU-Haupttäter Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe untergetaucht sind - ein "Oidoxie-Konzert" in einer Kneipe im Landkreis Saalfeld. Also genau dort, wo auch der neonazistischen "Thüringer Heimatschutzes", dem auch das Trio nahe stand, seine Aktionsbasis hatte. Ob die drei auch direkten Kontakt mit der Band hatten, ist allerdings nicht bekannt.

WDR.de: Gibt es jetzt noch Anzeichen für "Combat 18"-Strukturen in NRW?

Raabe: Die internationalen Netzwerke von "Combat 18" bestehen bis heute. Es hat zwar in einigen Ländern polizeiliche Maßnahmen gegen diese Strukturen gegeben, bei denen auch Waffen gefunden worden sind. Es hat auch Verurteilungen gegeben. Das hat aber nicht zu einer kompletten internationalen Zerschlagung der Netzwerke geführt. Es gibt bis heute Auftritte und Besuche von Personen aus dem Dortmunder Netzwerk rund um die Band "Oidoxie" in diesen internationalen Netzwerken - aktuell, vor allem in Skandinavien.

WDR.de: Was unternehmen die Behörden dagegen?

Raabe: Das ist sehr schwierig. Von den Behörden könnte dann eingeschritten werden, wenn deutlich strafbare Handlungen vorliegen. "Blood and Honour" ist zwar in Deutschland verboten, "Combat 18" jedoch nicht. Wir haben Bands aus NRW, die treten im Ausland für "Blood and Honour" und "Combat 18" auf. Das, was in Deutschland verboten ist, findet im Ausland statt – und zwar ohne, dass das polizeiliche oder juristische Maßnahmen nach sich zieht.

Wir haben über Jahre eine Situation gehabt, wo die "Combat 18" beziehungsweise "Blood and Honour" zuzurechnenden Konzerte in Belgien gelaufen sind, von denen wir wissen, dass sie von Personen aus NRW mitveranstaltet wurden. Meines Erachtens ist das ein Zustand, den ich juristisch nicht beurteilen kann, den ich aber hochgradig problematisch finde. Vom NSU-Untersuchungsausschuss erhoffe ich mir, dass mehr Licht in die Rolle der Musiknetzwerke und deren möglichen Unterstützungsleistungen für den neonazistischen Terror gebracht wird.

Das Interview führte Dominik Reinle.