Günter Pröhl von den Liberalen Demokraten verteilt Wahlkampfmaterial

Hohe Hürden im Wahlkampf

Kleine Parteien, große Probleme

Stand: 23.04.2012, 16:20 Uhr

Jetzt können die Wahlzettel gedruckt werden: Seit Freitag (20.04.2012) steht fest, welche Parteien zur Landtagswahl zugelassen sind. Damit ist eine erste, große Hürde genommen. Viele kleinere Parteien haben sie nur mit Mühe genommen, nun steht ihnen ein stressiger Wahlkampf bevor.

Von Marion Kretz-Mangold

"Et kütt wie et kütt" - Günter Pröhl versucht, den Dingen mit rheinischer Gelassenheit ins Auge zu schauen. Dabei hätte er allen Grund, in Hektik zu verfallen: Nicht allein deshalb, weil er nur zwei Jahre nach der letzten Landtagswahl schon wieder einen Wahlkampf führen muss - ein Kraftakt für den Kandidaten der Liberalen Demokraten, der keinen großen Parteiapparat im Rücken hat. Nein, diesmal musste er die 100 Unterstützerstimmen aus seinem Wahlkreis Köln VII, ohne die er gar nicht erst antreten kann, innerhalb weniger Tage zusammen tragen: Am Osterdienstag (10.04.2012) musste die Liste beim Kreiswahlausschuss vorliegen. Er hat es geschafft, trotz der Zitterpartie nach Gründonnerstag, wo er gerade mal 85 Stimmen beisammen hatte, am Ende waren es 149 Namen auf der Liste. Aber jetzt muss er um Wähler werben - und dafür hat er nur noch ein paar Wochen. "Et hät noch immer god gegange", macht er sich Mut.

Weniger Zeit, die gleichen Anforderungen

Ein enormer Zeitdruck lastet auf den Parteien, nachdem sich der Landtag am 14. März selbst auflöste. Innerhalb von 60 Tagen muss ein neuer gewählt werden, und vorher müssen nicht nur Slogans gefunden und Plakate gedruckt werden. Die Parteien mussten Versammlungen einberufen, Kandidaten benennen und Landeslisten erstellen. Das brachte schon die Etablierten in Schwierigkeiten. Kleine Parteien, die in keinem Parlament vertreten sind, mussten aber auch noch 1.000 Unterstützerstimmen für eine Landesliste und 100 Stimmen für jeden Direktkandidaten nachweisen. Formulare besorgen, Unterschriften einholen, die Listen beim Wahlamt beglaubigen lassen: Dafür hatten sie diesmal deutlich weniger Zeit als sonst. Landeswahlleiterin Helga Block drückte es vorsichtig aus, als sie nach einer Begründung dafür suchte, warum sich diesmal nur 21 Parteien (2010: 29) mit einer Landesliste um die Zulassung bewarben: "Bei diesem Rückgang dürfte auch die bei dieser vorgezogenen Landtagswahl notwendigerweise enge Terminvorgabe eine Rolle gespielt haben." Zugelassen wurden schließlich 17 Parteien, acht weniger als 2010.

Rennen gegen die Zeit

Dabei haben manche Parteien, wie die ÖkoLinx oder die Rentnerpartei, gar nicht erst auf die Herausforderung reagiert und sich jegliche Mitgliedermobilisierung erspart. Andere haben sich auf die Landesliste konzentriert, wie ProNRW, oder umgekehrt von vornherein nur Direktkandidaten ins Rennen geschickt, wie die Liberalen Demokraten Günter Pröhl - übrigens der einzige Kandidat seiner Partei im ganzen Land. Die Kandidatenkür war dabei weniger das Problem. Eher machte den Kleinen die Unterschriftensammlung zu schaffen, das sich zum Rennen gegen die Zeit entwickelte.
Morgens Parteitag in Detmold, mittags nach Düsseldorf, um die Formulare abzuholen, und dann gleich in die Fußgängerzone: So hat es zum Beispiel die "AUF - Partei für Arbeit, Umwelt und Familie" auf 1.585 Stimmen und auf den Wahlzettel geschafft. "Zehn Tage sind da schon sehr knapp", formulierte es Gerd Kersting von der ÖDP. "1.000 Unterschriften, das ist schon eine Bank." Trotz der Bedenken: 1.600 bekam die ÖDP trotzdem zusammen.

Haben die Wahlorganisatoren geschlampt?

Andere hatten weniger Glück. Die Partei Bibeltreuer Christen, PBC, brachte es gerade mal auf 145 Stimmen, vor allem deswegen, wie Vize-Vorsitzender Georg Pietzko sagt, weil die Unterlagen zu spät vom Wahlamt kamen. Die "Soziale Gerechtigkeit - Nordrhein-Westfalen" (SG) will falsche Formulare bekommen haben. Die Landeswahlleiterin bestreitet das zwar entschieden, am Ergebnis ändert es nichts: Die Liste, die die SG einreichte, hatte nicht eine einzige Unterschrift, die SG wurde prompt nicht zugelassen. Und die Violetten schickten zwar zehn Mitglieder zum Unterschriftensammeln. Aber Landessekretär Roland Bromann hatte schon vorher geahnt: "Es ist eigentlich klar, dass es zu knapp wird." 350 Unterstützerstimmen brachten die Violetten schließlich zusammen, etwa ein Drittel von dem, was sie für eine eigene Landesliste brauchten. "Die haben wir gar nicht mehr abgegeben, die interessieren ja keinen mehr."

Protest - und Prozesse?

Unabhängig davon, ob sie die Vorgaben doch erfüllen konnten oder nicht: Damit, wie es abgelaufen ist, ist keine der befragten Parteien zufrieden. "So wie es jetzt gelaufen ist, geht es eigentlich nicht", moniert Michael Siethoff von der Tierschutzpartei. "Das hat mit Demokratie nur wenig zu tun." Und Klaus Stein von der DKP, die früh einen schriftlichen Protest eingelegt hatte, sagt sogar: "In Belorussland oder Serbien wären möglicherweise schon die Wahlbeobachter auf dem Plan gewesen" - ein Vorwurf, den die Landeswahlleiterin für "absolut unangemessen hält".

Aber wie hätte die Wahl anders geregelt werden können? "Man hätte die Verfassung vorher ändern können, damit die Wahl erst nach 90 Tagen abgehalten werden muss", sagt ÖDP-Kandidat Kersting. "Oder man hätte die Zahl der Unterschriften auf 500 senken können." Denn eigentlich, sagen auch andere Parteien, wären die Unterstützerstimmen von der letzten Wahl noch gültig. Stimmt nicht, sagt die Landeswahlleiterin: "Eine Art Bestandschutz" sei im Wahlrecht nicht vorgesehen, die Ernsthaftigkeit eines Wahlvorschlages müsse jedes Mal aufs Neue nachgewiesen werden. Schlechte Aussichten für Parteien wie ÖDP, Soziale Gerechtigkeit oder PBC, die daran denken, die Frage vor Gericht klären zu lassen: Die Chancengleichheit der Parteien, sagen sie, sei wegen der unangemessen hohen Hürden nicht gegeben.

"Et hät noch immer god gegange"

Wer es trotzdem geschafft hat, wirft sich jetzt in den Wahlkampf, den die großen Parteien schon lange führen. Auch da wird es eng: "Kaum hat er angefangen, ist er schon wieder vorbei", sagt ÖDP-Kandidat Kersting, der als Beamter nicht so schnell Urlaub einreichen konnte und deswegen die Mittagspausen und Wochenenden für die Organisation nutzen muss. Viel Zeit für Neues bleibt nicht mehr, nur wenige Parteien kommen dazu, Radio- oder Fernsehspots zu entwickeln oder neue Plakate zu entwerfen.

Die Tierschutzpartei hat noch alte im Fundus, "die Themen bleiben ja dieselben" - zum Glück. Auch der Kölner Liberaldemokrat Pröhl, der extra bis zum Wahltag Urlaub genommen hat, hat die Vorlage noch im Computer. Ausdrucken und zusammenkleben kann er sie selbst, er weiß nur noch nicht, wohin damit: "Die besten Plätze sind ja schon weg." Aber die Flyer von 2010 hat er schon bearbeitet, mit dem alten Foto, aber neuem Datum und den neuen Themen Verschärfung des Rauchverbots (contra) und Flugverbot (pro). Die wird er in den kommenden Tagen in die Briefkästen einwerfen, so, wie er es vor zwei Jahren gemacht hat. 99 Stimmen hat er damals bekommen, und die will er wieder haben, Zeitdruck hin oder her. Aber wie sagte der Kölner doch gleich? "Et hät noch immer god gegange."