Monheim und der Fluch des Erfolges

Kommunal-Soli für arme Städte

Stand: 22.08.2013, 07:35 Uhr

Monheim am Rhein soll sein Geld mit ärmeren Städten teilen. Der Bürgermeister ist sogar dazu bereit, aber nicht mit 46,5 Millionen Euro. Der Innenminister rechne seine Stadt künstlich reich. Der Soli-Beitrag sei so hoch, dass Monheims Haushalt ins Minus rutsche.

Von Sabine Schmitt

Wenn man in Monheim auf der Straße fragt, wofür die 43.000 Einwohnerstadt am Rhein bekannt ist, überlegen die Leute. Für den Schelmenturm, ein 600 Jahre altes Bauwerk vielleicht, sagt einer. Ein zweiter: Hier gab es mal eine Brauerei, die hat Kölsch und Alt gebraut. Ein dritter: Die Stadt engagiert sich für die Kinder. Gibt es da noch etwas? Man kann es nicht sehen und nicht spüren. Denn Monheim ist weder protzig noch schick. Doch nach Berechnung des Innenministers Ralf Jäger hat Monheim Geld. Viel Geld.

Monheim zahlt für arme Städte

Die Stadt liegt lauf Platz eins von Jägers Liste der 60 Kommunen mit den jährlich höchsten Steuerkraftüberschüssen im Land. Deshalb soll Monheim den Armen geben, und zwar mehr als jede andere Kommune. 46,5 Millionen Euro jährlich und vom kommenden Jahr an bis 2021. Als Solidaritätsbeitrag. So wie der Westen an den Osten zahlt, sollen reiche NRW-Städte an arme zahlen. Das Geld soll unter anderem an Essen gehen. Das ist die Stadt am anderen Ende der Liste.  Essen hat Schulden, lebt auf Pump und kommt da nicht alleine raus. Deshalb soll die knapp 567.000 Einwohner-Kommune an der Ruhr 55 Millionen Euro aus dem Kommunal-Soli erhalten. Insgesamt erhält die Stadt sogar pro Jahr 90 Millionen Euro, inklusive der Zahlungen des Landes.

Daniel Zimmermann führt auch eine Liste an. Er ist der Bürgermeister von Monheim. Als er 2009 ins Amt gewählt wurde, war er 27 Jahre alt und der jüngste Bürgermeister Nordrhein-Westfalens, angetreten für eine Jugendpartei namens PETO. 2012 stellte Zimmermann mit seiner Stadt einen weiteren Rekord auf: Der Rat senkte die Gewerbesteuer auf den niedrigste Quote in NRW. Möglich wurde das, weil die städtischen Haushalte 2011 und 2012 nach Gewerbesteuer-Nachzahlungen ausgeglichen waren.

Erst seit Juni schuldenfrei

Der Plan der Stadt ging auf: Die niedrige Gewerbesteuer lockte Unternehmen, die Einnahmen stiegen. Im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 86 Prozent. Seit Juni 2013 ist Monheim schuldenfrei. Kindergartenplätze zum Beispiel sollen deshalb ab 2015 für über Zweijährige gratis werden.

Der Boom in Monheim freut aber nicht jeden. Manche sagen, Monheims Konkurrenzkampf um die Ansiedlung von Unternehmen sei schädlich für die Region, so Bürgermeister Zimmermann. Ralf Jäger selbst behauptete, die Stadt habe mit einem unterdurchschnittlichen Hebesatz bei der Gewerbesteuer viele Unternehmen angelockt, die dort nur einen Briefkasten aufgestellt hätten.

Solche Aussagen ärgern den Bürgermeister. „Briefkastenfirmen sind verboten, so etwas gibt es bei uns nicht“, sagt Zimmermann und erklärt, dass in der Stadt 1.500 sozial-versicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden seien. Und was ist mit dem Wettbewerb? „Drei Viertel der neu angesiedelten Betriebe stammen aus anderen Bundesländern oder dem europäischen Ausland“, so der Stadtchef.

„Das Land rechnet uns künstlich reich“

Ihn verstimmt aber noch etwas: die Art und Weise mit der Jäger die Höhe der Solidaritätsumlage berechnet. So rechne das Land bei der Ermittlung der Steuerkraft beispielsweise aus, wie viel Geld die Stadt theoretisch einnehmen könnte, wenn sie ihre Hebesätze auf einem vom Landtag beschlossenen fiktiven Durchschnittsniveau festgesetzt hätte. Dieser Durchschnittshebesatz läge bei der Gewerbesteuer mit 412 Punkten rund 37 Prozent über dem tatsächlichen Monheimer Hebesatz von 300 Punkten, so Zimmermann. „Aus den 161 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen, die Monheim im relevanten Zeitraum vereinnahmt hat, macht das Land auf diese Weise 221 Millionen. Man tut also so, als könnten wir über 60 Millionen Euro zusätzlich verfügen, die aber de facto nicht vorhanden sind.“

Was unterm Strich bleibt

Zudem unterstelle das Land für Monheim am Rhein einen Finanzbedarf in Höhe von fünfzig Millionen Euro. Dies sei ein theoretischer Wert, der den tatsächlichen Finanzbedarf nicht abbilde. „Dass wir im kommenden Jahr 89 Millionen Euro Kreisumlage an den Kreis Mettmann und 46 Millionen Euro Gewerbesteuerumlage an das Land zahlen müssen bleibt völlig unberücksichtigt“, sagt Zimmermann.

Unterm Strich würde Monheims Haushalt so ins Minus rutschen. Denn ziehe man von 161 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen Monheims 89 Euro Kreisumlage, 46 Millionen Euro Gewerbesteuerumlage und die geplanten 46 Millionen Solidaritätsbeitrag ab, muss die Stadt 20 Millionen Euro durch Rücklagen ausgleichen. Zimmermann spricht von einer Strafzahlung für den niedrigen Hebesatz. Erhöhen will er ihn trotzdem nicht. „Das wäre der falsche Weg.“ Und:  Wo bleibt hier der Anreiz für eine Kommune wie Monheim am Rhein, überhaupt noch eigene Steuereinnahmen zu akquirieren?“

Jetzt geht es vor Gericht

Und er sieht die Hohen Werte in NRW als ein Problem des Landes. NRW sei im Durchschnitt das Flächenbundesland mit dem höchsten  Hebesatz der Gewerbesteuer. Zimmermann will nun vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster klagen. Er habe nicht generell etwas gegen den Kommunal-Soli. Aber die „unausgegorene Berechnungssystematik“ des Ministeriums müsse korrigiert werden. Doch der Bürgermeister von Monheim zeigt sich überraschend großzügig: "Bis zu 20 Millionen Euro können wir verkraften."