Forschungsprojekt der katholischen Kirche

Sexueller Missbrauch soll aufgeklärt werden

Stand: 24.03.2014, 19:38 Uhr

Die katholische Kirche will in einem zweiten Anlauf den sexuellen Missbrauch an Minderjährigen wissenschaftlich aufarbeiten. Das Forschungsprojekt stellte die Kirche am Montag (24.03.2014) in Bonn vor. 2013 war die Zusammenarbeit mit dem Kriminologen Pfeiffer aufgekündigt worden.

Neuer Versuch zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche: Die Deutsche Bischofskonferenz startet ein zweites Forschungsprojekt. nach dem Kriminologischen Forschungsinstitut Hannover beauftragte die Deutsche Bischofskonferenz diesmal ein aus vier Instituten bestehendes Forschungskonsortium. Sieben Professoren - Forensiker, Soziologen, Kriminalisten und Psychologen - sollen den Missbrauchsfällen auf den Grund gehen.

Der Leiter des Forschungskonsortiums, Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, erklärte am Montag (24.03.2014), Ziel der auf dreieinhalb Jahre angelegten Studie sei es, "den sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche sowohl für die Betroffenen als auch für die Öffentlichkeit so transparent wie möglich aufzuarbeiten". Quelle für die Untersuchungen sollen aber nicht nur Kirchenarchive sein. Auch Opfer sollen angefragt werden, ob sie für ein Interview zur Verfügung stehen. Neun Bistümer sollen den Wissenschaftlern für ihre Arbeit Daten zu Missbrauchsfällen seit 1945 zugänglich machen. 18 Bistümer sollen Akten seit dem Jahr 2000 öffnen. Parallel wollen die Forscher auch eventuelle Strafakten damit abgleichen.

Krach mit Kriminologen Pfeiffer

Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen

Der Kriminologe Christian Pfeiffer hatte der Kirche Zensur vorgeworfen

Der erste Versuch zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals war Anfang 2013 unter gegenseitigen Vorwürfen des Projektleiters Christian Pfeiffer und der Bischöfe gescheitert. Der Kriminologe hatte der Kirche vorgeworfen, sie haben Zensur ausüben und seine Forschung kontrollieren wollen.

Der Beauftragte der Bischofskonferenz für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, erklärte nun zum Neustart, die Bischöfe wollten "Klarheit und Transparenz über diese dunkle Seite in unserer Kirche - um der Opfer willen, aber auch, um selbst die Verfehlungen zu sehen und alles dafür tun zu können, dass sie sich nicht wiederholen".

WDR-Experte: "Viel Zeit verloren"

Die Initiative "Eckiger Tisch" bemängelt, dass es in der einjährigen Vorbereitungszeit des Projektes keinen Versuch der Kirche gegeben habe, auf die Betroffenen zuzugehen. Das Betroffenen-Netzwerk fordert eine kirchen-unabhängige Kommission, die das Kapitel sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Familien, Heimen und Institutionen aufarbeiten solle.

Theo Dierkes

WDR-Kirchenexperte Theo Dierkes

"Durch den Streit um das erste Projekt sind mindestens zwei Jahre Zeit verloren gegangen", sagte WDR-Kirchenexperte Theo Dierkes. Inhaltlich sei das neue Vorhaben mit einem Finanzetat von etwa eine Million Euro sogar noch besser ausgestattet als das eingestellte Projekt mit Pfeiffer. Zudem seien jetzt mehr Wissenschaftler verpflichtet worden. "Der neue Ansatz erscheint mir außerdem realistischer", sagte Dierkes. Vorab sei nun bereits erklärt worden, man wisse einfach nicht, wie viele Kirchenakten mit brisantem Material vernichtet worden seien. Ehrgeizig sei das Vorhaben, für die Forschungen 70 Täter und 100 Opfer für Befragungen zu gewinnen. "Diese Zahl von Personen muss man erst mal gewinnen. Von daher wird das ganze Projekt viel Zeit erfordern", sagte Dierkes.