Abschluss der Bischofskonferenz

Die Angst der Bischöfe

Stand: 24.09.2010, 16:47 Uhr

Kann die katholische Kirche weiter ihren eigenen Weg beim Arbeitsrecht gehen? Wieviel Geld zahlt sie Missbrauchsopfern? Es gab viel zu besprechen bei der Deutschen Bischofskonferenz. Theo Dierkes von der WDR-Religionsredaktion über die Ergebnisse.

WDR.de: Der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof hat am Donnerstag (23.09.2010) den Rauswurf eines Essener Chorleiters beanstandet und damit das Kündigungsrecht der Kirchen wegen Ehebruchs eingeschränkt. Wie hat die Deutsche Bischofskonferenz darauf reagiert?

Theo Dierkes: Bischof Franz-Josef Overbeck vom Bistum Essen hat gesagt: Ganz klar, die katholische Kirche wird ihre Linie fortsetzen. Also weiterhin den dritten Weg gehen, dass die Kirche ihr Arbeitsverhältnis mit ihren Angestellten selbst klärt.

WDR.de: Trotzdem wird nach diesem Urteil darüber spekuliert, ob die katholische Kirche langfristig an ihrem Sonderarbeitsrecht festhalten kann. Was glauben Sie?

Theo Dierkes

Theo Dierkes

Dierkes: Selbstverständlich. Der europäische Gerichtshof hat nicht gesagt, dieses Sonderarbeitsrecht geht nicht. In einem zweiten Fall eines Mormonen haben die Richter sogar deutlich gemacht, dass bestimmten Mitarbeitern, die in einer wichtigen Rolle für ihre Kirche stehen, durchaus gekündigt werden darf, wenn sie nicht nach den Regeln der Kirche leben. Es ist wahrscheinlich, dass jetzt genauer hingeguckt wird. Die Bistümer werden sich fragen, ob sie schon einer Putzfrau kündigen, weil sie geschieden und wiederverheiratet ist. Oder einer Kindergärtnerin. Das wird jetzt ganz genau geprüft werden müssen, denn die Kirche weiß: Den deutschen Arbeitsgerichten ist es jetzt aufgegeben, zu kontrollieren, warum die Kirche jemanden entlassen hat.

WDR.de: Ein Thema der Bischofskonferenz waren die Missbrauchsfälle und ihre Konsequenzen. Die Jesuiten haben in der vergangenen Woche konkrekte Zahlen zur Entschädigung der Opfer genannt. Gibt es die auch von der Bischofskonferenz?

Dierkes: Gesellschaft und innerkirchliche Kreise haben die Bischöfe gedrängt, hier einen konkreten Betrag zu nennen. Die Bischöfe haben das verweigert. Sie haben gesagt: Grundsätzlich sind wir bereit zu Entschädigungen. Aber wir finden, dass das ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, darum muss das Konkrete beim Runden Tisch in Berlin entschieden werden, wo alle gesellschaftlichen Kräfte zusammen sitzen. Denn es sei nicht nur ein Problem der katholischen Kirche.

WDR.de: Wie reagieren die Opferverbände?

Dierkes: Opferverbände, die Kirchenvolksbewegung 'Wir sind Kirche' und andere Organisationen sagen, die Bischöfe hätten da weiter gehen können. Offenbar gibt es sowohl sehr fortschrittliche Bischöfe, wie den Missbrauchsbeauftragten Bischof Ackermann, als auch Bischöfe, die deutlich bremsen und die sich nicht darauf einlassen wollen. Die Bischofskonferenz hätte sehr viel mehr für ihren Ruf getan, hätte sie ganz deutlich gesagt: Wir legen einen großen Fonds an und irgendwelche unabhängigen Berater oder Rechtsanwälte bestimmen dann, welche Beträge daraus gezahlt werden sollen.

WDR.de: Warum diese vertane Chance?

Dierkes: Das ist eine Angst der Bischöfe: Wenn wir mit konkreten Zahlen kommen, haben wir sofort noch mehr Knatsch im Haus. Es ist auch eine Unsicherheit der Bischöfe. Wir wissen ja gar nicht, wie viele Opfer es sind. Die Jesuiten wissen genau, bisher haben sich 200 Opfer gemeldet, die müssen wir irgendwie entschädigen. Die Bischöfe haben überhaupt noch keine Zahlen. Bundesweit haben sich 3.000 Menschen bei der Hotline gemeldet. Aber wie viele Opfer es insgesamt gibt und wie hoch die Entschädigungssumme sein müsste, das ist den Bischöfen nicht klar.

WDR.de: Statt konkreter Zahlen hat die Konferenz einen Maßnahmekatalog vorgelegt.

Dierkes: Das ist gar nicht schlecht. Sie haben sich Rat geholt bei Opferschutzverbänden, um ein Präventionskonzept aufzustellen. Darin heißt es zum Beispiel: Wir verlangen von allen, die in der katholischen Jugendarbeit angestellt sind, polizeiliche Führungszeugnisse. Die Ehrenamtlichen müssen eine Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben. Es wird viel bei der Aus- und Fortbildung gemacht, vor allem bei der Priesterausbildung. Es tut sich was. Man merkt, dass die Bischöfe wahrgenommen haben, dass viel falsch gelaufen ist. Indirekt ist das auch ein Schuldeingeständnis: Ja, wir haben bisher zu wenig getan. Es muss mehr Offenheit her.

WDR.de: Mehr Offenheit, mehr Austausch hat Erzbischof Robert Zollitsch auch im Abschlussgottesdienst angemahnt. Er sprach von einem "breiten Dialogprozess". Was meint er konkret?

Dierkes: Der Dialogprozess ist in der Kirche ins Stocken geraten. Es gab zum Bespiel in den 70er Jahren die Würzburger Synode. Das war ein Dialog, an dem die Gemeindevertreter beteiligt waren, das Zentralkomitee der Katholiken, also die obersten Laienvertreter, und die Bischöfe und Priester. An einen solchen Dialogprozess wird jetzt gedacht. Sie wollen einen Gesprächsprozess mit ihren eigenen Angestellten, mit den Laien, mit den Vertretern in den Gremien. Man kann es sich kaum vorstellen, aber Bischöfe und Zentralkomitee der Katholiken haben kaum Kontakt und sind über strittige Fragen nur wenig im Gespräch. Das Zentralkomitee hat wiederholt Papiere veröffentlicht mit der Forderung: Wir müssen reden! Und die Bischöfe haben das abgelehnt. Jetzt sieht das anders aus. Von Fulda geht ein Gesprächsangebot an die eigenen Leute aus.

Das Gespräch führte Silke Wortel.