Auschnitt aus einer Karte von Sizilien und Kalabrien/Italien

Hintergrund zur Bluttat in Duisburg

'Ndrangheta-der kalabrische Mafiazweig

Stand: 16.08.2007, 16:46 Uhr

Lange Zeit stand die 'Ndrangheta - der kalabrische Arm der Mafia - im Schatten der sizilianischen Cosa Nostra. Doch im Zuge der Fahndungserfolge in Sizilien seit Beginn der 90er Jahre hat sich das Blatt gewendet.

Heute gilt die 'Ndrangheta mit einem geschätzten "Jahresumsatz" von 35 Milliarden Euro als eine der mächtigsten Mafiaorganisationen Europas. Entsprechend ausgeweitet hat sich auch das Betätigungsfeld, längst haben die Mafiosi die schwer zugänglichen Bergregionen Kalabriens verlassen und sind in Deutschland, Frankreich und Belgien tätig, sogar bis in die USA reicht ihr Aktionsradius. Als Spezialgebiet der 'Ndrangheta nennen Fahnder immer häufiger den Kokainhandel.

Die Wurzeln der Organisation reichen bis ins 19. Jahrhundert. Angeblich leitet sich das Wort 'Ndrangheta vom griechischen "andragathos" ab, was "tapferer Mann" bedeutet. In den Ursprungsjahren der sogenannten 'Ehrenwerten Gesellschaft' verdienten die 'Tapferen' ihr Geld vor allem mit Entführungen und Erpressung.

Geldwäsche, Waffenhandel, Erpressung

Inoffiziellen Angaben italienischer Ermittler zufolge stehen etwa 7.000 Mann im Dienst der 'Ndrangheta, unterteilt in etwa 100 Familienclans. Die traditionell mächtigsten Familien stammen noch immer aus der Hochburg San Luca.

Die europäischen Drogenfahnder zählen die 'Ndrangheta mittlerweile zu den mächtigsten Gruppen im europäischen Kokainhandel. Es heißt, die Organisation habe bereits die kolumbianischen Drogenkartelle in den Schatten gestellt. Weitere Einnahmequellen seien Geldwäsche, Waffenhandel und Erpressungen.

Wie stark die 'Ndrangheta aber immer noch ihrer Heimat verbunden ist, beweisen jüngste Zahlen, nach denen 70 Prozent aller Unternehmer in Kalabrien den verhassten "pizzo", das Schutzgeld, zahlen sollen. Die restlichen 30 Prozent der Unternehmen und Geschäfte befänden sich direkt in der Hand der Mafia.

Beide verfeindeten Clans in Duisburg ansässig

Mafia-Experten betonen, dass die 'Ndrangheta immer versucht habe, so wenig wie möglich aufzufallen. Auch Blutfehden wurden ausschließlich in der Heimatregion der Clans ausgetragen. Die Gewalttat in Duisburg gilt als sehr untypisch für die Organisation. Wahrscheinlichstes Motiv ist eine wieder aufgeflammte Fehde zwischen zwei verfeindeten Mafia-Clans im kalabresischen San Luca: Dem Familienverband Strangio-Nirta und dem Familienverband Vottari-Romeo-Pelle.

Die Fehde begann im Karnevalstreiben 1991, als die Mitglieder eines Clans Eier auf die Mitglieder des anderen schmissen. Der nichtige Anlass führte bis 1993 zu Auseinandersetzungen, bei denen täglich bis zu vier Menschen getötet wurden. Trauriger Höhepunkt der blutigen Fehde war der Sechsfachmord von Duisburg. Zwei der Opfer gehörten dem Clan Vottari-Romeo-Pelle an. Er ist seit 20 Jahren in Duisburg vertreten. Auch Mitglieder des Clans Strangio-Nirta leben in der Stadt. Dort hatte es bislang keine gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den 'Ndrangheta-Familien gegeben.