Ein mit Kohle beladenes Schiff auf dem Dortmund-Ems-Kanal vor der Baustelle des Kohlekraftwerks Datteln 4

Geschichte eines Konflikts

Kampf um "Datteln 4"

Stand: 17.09.2010, 02:00 Uhr

Der umstrittene Neubau des Steinkohle-Kraftwerks "Datteln 4" sorgt immer wieder für Auseinandersetzungen. Denn im September 2009 wurde der Bebauungsplan für ungültig erklärt. WDR.de zeichnet die Vorgeschichte des Projekts nach.

Von Dominik Reinle

Das Kraftwerk Datteln im Kreis Recklinghausen erzeugt schon seit langem Energie aus Steinkohle: Drei Kraftwerksblöcke gingen in den 1960er-Jahren in Betrieb. Seither produzieren sie Strom für die Deutsche Bahn und Fernwärme für die Stadt Datteln. Da die drei bestehenden Anlagen mittlerweile ihr technisches Laufzeitende erreicht haben, will der Betreiber Eon sie ersetzen: durch einen vierten Block. Dessen Bau hat im Februar 2007 am süd-östlichen Stadtrand von Datteln begonnen, unmittelbar am Dortmund-Ems-Kanal und an der Grenze zu Waltrop. "Dafür investieren wir über 1,2 Milliarden Euro", sagt Eon-Sprecher Sebastian Heindrichs.

Mit einer Leistung von 1.100 Megawatt soll der Neubau über drei Mal mehr Strom als seine Vorgänger produzieren. Rund 40 Prozent davon will die Deutsche Bahn abnehmen. "Datteln wird damit zum größten Einspeisepunkt für Bahnstrom in Deutschland", sagt Heindrichs. "Block 4 wird 25 Prozent des gesamten Bahnstrom-Bedarfs decken." Zusätzlich soll das neue Kraftwerk - über Datteln hinaus - insgesamt 100.000 Haushalte im mittleren Ruhrgebiet mit Fernwärme versorgen. Das entspreche knapp einem Drittel der von Block 4 erzeugten Energie, so Heindrichs. Der restliche Strom werde ins öffentliche Netz eingespeist.

Höherer Wirkungsgrad als alte Blöcke

Eon ist überzeugt, dass Datteln der richtige Standort für den Neubau ist: "Der Dortmund-Ems-Kanal, die Anbindung ans Schienennetz der Bahn und die Nähe zur A2 bieten eine hervorragende Infrastruktur", sagt Heindrichs. Damit sei ein optimaler Transport des Brennstoffs möglich - unabhängig davon, ob die Steinkohle aus heimischem Abbau oder Importen stamme. Auch für die Region sieht Eon nur Vorteile: Der Neubau soll in Betrieb insgesamt 500 Arbeitplätze schaffen, rund 80 davon im Kraftwerk selbst und die restlichen bei Zulieferfirmen.

Zudem hält Eon das neue Steinkohle-Kraftwerk für ökologisch sinnvoll: Wegen seines hohen Wirkungsgrades von über 45 Prozent produziere es rund 20 Prozent weniger CO2 pro Kilowattstunde Strom als ein durchschnittliches deutsches Steinkohle-Kraftwerk. Der Wirkungsrad von "Datteln 1 bis 3" liegt laut Eon bei 38 Pozent.

Umweltschützer kritisieren CO2-Ausstoß

Greenpeace-Aktivisten protestierten mit Transparent und brennendem CO2-Schriftzug vor dem Neubau des Kraftwerks Datteln 4

Greenpeace-Protest gegen "Datteln 4"

Doch "Datteln 4" ist umstritten: Seit die Stadt Datteln im März 2005 beschlossen hat, einen Bebauungsplan aufzustellen, gibt es Proteste. Umweltschützer kritisieren, dass der neue Kraftwerksblock jährlich über sechs Millionen Tonnen CO2 ausstoßen werde - während der voraussichtlichen Betriebszeit von 40 Jahren. Zudem werde - auch bei einem Wirkungsgrad von über 45 Prozent - mehr als die Hälfte der in der Kohle enthaltenen Energie ungenutzt über den 180 Meter hohen Kühlturm verpuffen.

Der NRW-Landesverband des BUND klagte gegen den Bau eines neuen Hafens, die Verlegung eines Bachs und den Bau einer neuen Hochspannungsleitung. Obwohl die Gerichtsverfahren noch laufen, sind die drei Vorhaben mittlerweile weitgehend fertiggestellt. Denn diese Klagen haben keine aufschiebende Wirkung.

Ungültiger Bebauungsplan

Die erste zu Ende verhandelte Klage gegen den Neubau war hingegen erfolgreich: Am 3. September 2009 erklärte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster den Bebauungsplan für unwirksam. Die Klage war von einem Anwohner - einem Landwirt aus Waltrop - eingereicht worden. Nach Ansicht der Richter verstößt die Planung am vorgesehenen Ort gegen die Landesplanung. Der Landesentwicklungsplan sehe als Standort für ein Großkraftwerk ein weiter von der Wohnbebauung entfernt liegendes Gebiet im Nordosten der Stadt vor. Zudem sei sowohl der Naturschutz als auch der Schutz der Bevölkerung bei einem Störfall nicht ausreichend beachtet worden.

"Alle der Stadt seit 2005 bekannten Einwände wurden mit dem Urteil bestätigt", erklärt Thomas Krämerkämper, Experte des BUND für Datteln. "Datteln hat sich als Erfüllungsgehilfe von Eon erwiesen, weil die Ratsmitglieder nur auf der Grundlage von Konzern-Unterlagen entschieden haben, anstatt externen Sachverstand heranzuziehen."

Zweiter Neubau geplant?

Kraftwerk Datteln, Baustelle von Block 4

Für "doppelte Kapazität" ausgelegt?

Offenbar plante Eon zu Anfang, in Datteln nicht nur einen, sondern zwei Blöcke neu zu bauen. WDR.de liegt eine Eon-Bauzeichnung von 2005 vor, in der ein zweiter Kraftwerksblock und ein zweiter Kühlturm erkennbar sind. Eon will jedoch zu der Zeichnung und der damit verbundenen Absicht keine Stellung nehmen: "Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass wir nur ein Kraftwerk planen", sagt Sprecher Heindrichs.

Der BUND NRW geht hingegen davon aus, dass diese Zusicherung nur Taktik ist: "Die bereits neu gebaute Infrastruktur in Datteln ist für die doppelte Kapazität ausgelegt", sagt Experte Krämerkämper. "Das betrifft nicht nur die insgesamt genutzte Baufläche, sondern auch die Dimensionen des Hafens, des Bahnhofs, der Hochspannungsleitungen und der Aschelager."

Rohbau doch genehmigungsfähig?

Trotz der Widerstände gibt sich Eon zuversichtlich, dass "Datteln 4" doch noch ans Netz geht: "Wir sind von der Genehmigungsfähigkeit überzeugt", sagt Heindrichs. "Wir gehen für 2012 von einer Aufnahme des kommerziellen Leistungsbetriebes aus."

Voraussetzung dafür ist, dass zuvor die Stadt Datteln einen neuen Bebauungsplan erstellt. Ein entsprechendes Verfahren hat der Rat der Stadt am 17. März 2010 auf den Weg gebracht - einen Tag, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das OVG-Urteil aus Münster bestätigt hatte, wonach der alte Bebauungsplan ungültig ist. Der BUND NRW hat bereits angekündigt, gegen einen neuen Bebauungsplan zu klagen, weil dieser "offenkundig rechtswidrig" sein werde.

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