Das Eon-Steinkohle-Kraftwerk in Datteln

Stadtrat stimmt für Kraftwerksbau

Grünes Licht für Datteln IV

Stand: 14.05.2014, 20:30 Uhr

Geht das Mega-Kraftwerk Datteln IV irgendwann ans Netz? Die Chancen sind gestiegen. Am Mittwochabend (14.05.2014) stimmte der Stadtrat von Datteln einem neuen Bebauungsplan zu. Die gravierenden Mängel des Meilers sollen "geheilt" werden. Doch ist das überhaupt möglich?

Von Rainer Kellers

Mit großer Mehrheit genehmigte der Dattelner Stadtrat am Mittwochabend (14.05.2014) einen veränderten Flächennutzungsplan und einen veränderten Bebauungsplan, wie ein Stadtsprecher mitteilte. Das erlaubt die Vollendung des zu rund 90 Prozent fertiggestellten Milliardenprojektes. Allerdings steht jetzt noch eine immissionsrechtliche Betriebsgenehmigung aus.

Dattelns Bürgermeister Wolfgang Werner (parteilos) äußerte sich nach der Sitzung erfreut: "Diese Entscheidung trägt dazu bei, dass Datteln auch in Zukunft Kraftwerksstandort bleiben wird und dass wichtige Industriearbeitsplätze erhalten bleiben." Auch Eon begrüßte den Beschluss des Stadtrates. "Damit sind die planungsrechtlichen Grundlagen für das Steinkohlekraftwerk Datteln IV wieder hergestellt", sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung von Eon Deutschland, Ingo Luge. "Wir gehen davon aus, dass wir im Frühjahr 2015 alle notwendigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen erhalten, um Datteln IV schnellstmöglich fertigstellen und betreiben zu können", so Luge weiter.

Kraftwerksgegner sehen in dem Projekt einen Schwarzbau und fordern den vollständigen Abriss. Das Kraftwerk stehe zu nahe an Wohnvierteln, einer Kinderklinik und einem naturschutzrechtlich geschützten Waldgebiet.

Ein Kraftwerk am falschen Ort

Eigentlich sollte das 1.100-Megawatt-Kraftwerk längst am Netz sein und Strom vor allem für die Züge der deutschen Bahn liefern. Seit Jahren ist der Bau zu rund 90 Prozent fertig, rund eine Milliarde Euro hat Bauherr Eon investiert. Doch wegen gravierender Planungsmängel hat das Oberverwaltungsgericht Münster 2009 den Bau gestoppt und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Der Hauptgrund: Das Kraftwerk ist am falschen Ort gebaut worden. Es steht zwar strategisch günstig gleich neben dem Dortmund-Ems-Kanal, aber viel zu nah an benachbarten Wohnhäusern. Die in Landesplänen vorgesehene Stelle für das Kraftwerk ist mehrere Kilometer vom jetzigen Standort entfernt. So gehe es nicht, urteilten die Richter damals - ließen aber eine Hintertür offen. Und diese heißt Zielabweichungsverfahren.

Mit einem solchen Verfahren lassen sich Planungsmängel nachträglich "heilen", wie es so schön heißt. Was nicht passt, soll passend gemacht werden. Nach langem politischem Zank zwischen SPD und Grünen hat die Landesregierung als oberste Planungsbehörde Ende vergangenen Jahres dem Zielabweichungsverfahren zugestimmt. Zum Leidwesen der Kraftwerksgegner, die Datteln IV aus klimaschutzpolitischen Gründen ablehnen, aber auch bezweifeln, dass der "Schwarzbau" legalisiert werden kann.

Abstimmung vor den Kommunalwahlen ist kein Zufall

Am Mittwoch gaben die Kommunalpolitiker nun grünes Licht für den Kraftwerks-Weiterbau. Dass die Abstimmung kurz vor den Kommunalwahlen stattfand, ist im Übrigen kein Zufall. Die Verwaltung hatte nach Aussage des Fachbereichleiters Stadtplanung, Karl-Heinz Marscheider, "gute Gründe", noch den bisherigen Stadtrat über das Vorhaben abstimmen zu lassen. Einer dieser Gründe: Die amtierenden Politiker seien gut im Thema. Bereits vor vier Jahren hatten sie gemeinsam beschlossen, den neuen Plan aufzustellen.

Lärmschutzwand für den Kühlturm

Das Eon-Steinkohle-Kraftwerk in Datteln

Das 1.100 Megawatt-Kraftwerk ist fast fertig, aber längst nicht in Betrieb

Seither hat die Stadt nach eigenen Angaben 24 Fachgutachten erstellen lassen und drei Beteiligungsverfahren mit Betroffenen, Behörden und Nachbargemeinden durchgeführt. Der neue Bebauungsplan enthält eine Reihe von Änderungen. Unter anderem ist festgelegt, dass aus Lärmschutzgründen in den Nachtstunden, an Sonn- und Feiertagen keine Kohle angeliefert werden darf. Der riesige Kühlturm soll zudem Richtung Wohnbebauung mit einer 15 Meter hohen Lärmschutzwand abgeschirmt werden. Die wohl entscheidende Änderung betrifft jedoch die so genannte Störfallproblematik.

Verdünntes Ammoniak-Gemisch

Ursprünglich war geplant, das Rauchgas, das stetig aus dem Kühlturm entweicht, mit Ammoniak zu reinigen. Damit fällt die Anlage aber automatisch unter eine Verordnung, nach der das Kraftwerk mindestens 1,5 Kilometer von Wohnbebauung entfernt stehen muss. Diese Voraussetzung wird aber nicht erfüllt, bis zum nächsten Haus sind es nur 400 Meter. Jetzt will Eon verdünntes Ammoniakwasser zur Rauchgasreinigung einsetzen. Damit, so Stadtplaner Marscheider, fiele die Anlage nicht mehr unter die so genannte Störfallverordnung. Der geringere Abstand wäre akzeptabel.

Kraftwerksgegner haben Klagen angekündigt

Gegner des Kraftwerks bezweifeln das und haben bereits angekündigt, gegen den neuen Bebauungsplan zu klagen. Auch die Nachbargemeinde Waltrop hat im März beschlossen, vor Gericht zu ziehen. Damit ist klar: Die Verabschiedung des neuen Plans am Mittwoch markiert noch längst nicht das Ende des jahrelangen Kampfes um Datteln IV. Erstens fehlen noch wichtige Genehmigungen - unter anderem von der Bezirksregierung Münster. Zweitens könnten Gerichtsklagen das Projekt auf weitere Jahre hinauszögern. Oder auch ganz verhindern.