Im Bergwerk Lohberg/Osterfeld in Dinslaken läuft Steinkohle über ein Förderband

Kohlegipfel will Zukunft der Zechen klären

Sockelbergbau - Pro und Contra

Stand: 28.01.2007, 06:00 Uhr

Auf dem Kohlegipfel am Sonntag (28.01.2007) in Berlin wird der erneute Versuch unternommen, die Zukunft der Steinkohlenförderung in Deutschland zu klären. Vor allem die Forderung der SPD nach einem Sockelbergbau gilt als Hindernis. WDR.de stellt das Für und Wider eines solchen reduzierten Bergbaus vor.

Das RWI in Essen ist ein entschiedener Gegner eines Sockelbergbaus. Für das Wirtschaftsforschungsinstitut ist klar: der Bergbau in Deutschland ist zu teuer. Für das RWI hat Manuel Frondel die wichtigsten Fragen beantwortet. Frank Umbach arbeitet bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Auch er hält den Bergbau aus wirtschaftlicher Sicht für schwierig, sieht aber angesichts der weltweit zunehmenden geopolitischen Risiken aus Gründen der Versorgungssicherheit keine Alternative zum Erhalt des heimischen Bergbaus.

WDR.de: Ist der Fortbestand der Steinkohleförderung in Deutschland als so genannter Sockelbergbau sinnvoll?

Manuel Frondel: Nein, weil er einer Geldvernichtung gleichkommt. Die Förderung einer Tonne heimischer Steinkohle kostet mehr als 160 Euro, der Import einer Tonne gleicher Qualität etwa 60 Euro. Es wäre volkswirtschaftlich gesehen wesentlich sinnvoller, den heimischen Bergbau einzustellen, um damit weitere Umwelt- und Bergbauschäden zu verhindern, und den Bergleuten die Differenz von 100 Euro je Tonne direkt auszuzahlen. Das unmittelbar an die Beschäftigten ausgezahlte Geld könnte zum Beispiel an Weiterqualifizierungsmaßnahmen gekoppelt werden oder für Anreize etwa in Form von Abfindungen verwendet werden, damit die in diesem Sektor bekanntermaßen gut ausgebildeten Beschäftigten einen Arbeitsplatz in anderen Bereichen aufnehmen, in denen Facharbeiter und gut ausgebildete Beschäftigte bereits seit längerer Zeit dringend gesucht werden.

Frank Umbach: Der Fortbestand der Steinkohleförderung ist in jedem Fall sinnvoll. Bisher wird die Steinkohlediskussion ausschließlich unter wirtschaftlichen oder umweltpolitischen Gesichtspunkten geführt. Viel wichtiger ist aber die Frage der Versorgungssicherheit. Ich denke, dass die Ökonomen hier von veralteten Rahmenbedingungen ausgehen, weil geopolitische Faktoren nicht oder nicht ausreichend einfließen. Fast alle Preis-Prognosen der fossilen Energieträger der vergangenen Jahre haben sich als falsch erwiesen. Oft, weil eben politische Faktoren wie innenpolitische Konflikte in den Produzentenstaaten aus einer rein ökonomischen Sicht nicht vorherzusehen waren.

WDR.de: Sollte der Bergbau wegen der damit verbundenen Arbeitsplätze erhalten werden?

Manuel Frondel: Nein, denn zum einen ist es keineswegs so, dass alle Beschäftigten restlos arbeitslos bleiben würden, wenn der Bergbau eingestellt würde. Vielmehr arbeiten mehr als die Hälfte der Beschäftigten über Tage und haben Qualifikationen, die in anderen Bereichen dringend gesucht werden. Und zum anderen benötigt man viele Beschäftigte weiterhin, um - so gut es geht - diejenigen Schäden zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren, die der Bergbau hinterlassen hat. Beispielsweise werden aus Kostengründen seit Jahren die leeren Kohleflöze nicht mehr mit Gestein aufgefüllt, wodurch der Umfang der Bergbauschäden an Häusern und Gebäuden erheblich zugenommen hat.

Frank Umbach: Das ist für mich nicht das entscheidende Argument. Aus Subventionssicht ist der Steinkohlenbergbau bestimmt nicht sinnvoll. Aber das Argument der Versorgungssicherheit wiegt für mich hier viel schwerer.

WDR.de: Verliert Deutschland ohne Bergbau Anschluss an eine Zukunftstechnologie?

Manuel Frondel: Keineswegs. Die in der Bergbautechnologie führenden deutschen Unternehmen, allen voran die DBT (Deutsche Bergbau Technologie) aus Lünen, erzielen ihren Umsatz angesichts des in den vergangenen Jahrzehnten erfolgten Rückgangs des heimischen Absatzmarkts längst fast ausschließlich im Ausland, insbesondere in China. Heimische Museums- und Demonstrationsbergwerke sind zum Erhalt der führenden Position der deutschen Unternehmen sicher nicht nötig.

Frank Umbach: Wir drohen bei der Steinkohle in eine ähnliche Falle zu tappen wie bei der Koksherstellung: Davon haben wir uns in Deutschland ja weitgehend verabschiedet. Kaum waren wir raus, stiegen die Preise auf dem Weltmarkt enorm an und wir hätten auch daran verdienen können. Dazu kommt, dass zum Beispiel in den USA gerade massiv in Forschung rund um Kohletechnologien investiert wird. Es ist ja auch kein Zufall, dass die Bergbautechnologietochter der RAG ausgerechnet an ein US-Unternehmen ging. Hier muss unbedingt ein eigener Bergbau erhalten bleiben, sonst verliert Deutschland die Technologieführerschaft.

WDR.de: Brauchen wir die heimische Steinkohle im Energiemix, um Unabhängigkeit vom Weltenergiemarkt zu behalten?

Manuel Frondel: Nein. Dazu genügt es, die importierte Kohle "auf Halde zu legen", das heißt Vorräte zu horten. Dies ist wesentlich kostengünstiger als den heimischen Bergbau aufrechtzuerhalten und wird von den Energieversorgern und Stahlerzeugern tatsächlich bereits so praktiziert. Schließlich ist in liberalisierten Energiemärkten die Versorgungssicherheit eindeutig Aufgabe der privaten Unternehmen. Versorgungssicherheit mit Kohle als nationale Aufgabe zu bezeichnen, wäre neun Jahre nach der Liberalisierung der Strommärkte purer Anachronismus. Darüber hinaus wächst der weltweite Handel mit Steinkohle beinahe Jahr für Jahr mit fast zweistelligen Wachstumsraten. Die Zunahme des weltweiten Handels und der Zahl der Kohleförderländer sorgt für eine immer stärkere Verringerung der Abhängigkeit einzelner Nachfrageländer. Diesen Vorteil ungehinderten weltweiten Handels sehen nicht nur Ökonomen.

Frank Umbach: Die EU-Kommission und eigentlich alle Experten gehen davon aus, dass der Energiemix mittelfristig so breit wie möglich angelegt sein soll - und dazu gehört auch die Kohle. Es ist kurzsichtig, die heimische Kohle aufzugeben mit der Hoffnung, es sei ja genügend auf dem Weltmarkt zu kaufen. Es stimmt zwar, dass die Kohlevorräte viel länger halten als zum Beispiel beim Öl. Aber gerade die großen Förderländer wie die USA, China und Russland werden als Exporteure immer weniger in Erscheinung treten, da sie die Bestände selber brauchen. Diese Länder betrachten die Kohle als strategische Reserve. Geben wir in Deutschland den Bergbau ganz auf, haben wir aber keine Basis, von der aus wir diese Reserve auch nutzen können, denn wo nichts mehr ist kann man auch nichts mehr schnell hochfahren.

Das Interview führte Bodo Scheffels.