Förderberg in der Prosper Maschinenhalle (2005)

Bergbautechnik auch ohne Steinkohle

Gute Zeiten für Bergbau-Ingenieure

Stand: 29.01.2007, 13:39 Uhr

Die Einigung im Steinkohlepoker ist in Sicht und das Ende des Kohlebergbaus in NRW damit auch: 2018 werden die letzten Zechen schließen. Trifft das auch die Zulieferindustrie und die Bergbau-Technologie? WDR.de sprach mit Per Nicolai Martens, dem Leiter des Instituts für Bergbaukunde an der RWTH Aachen.

WDR.de: Kritiker des Steinkohleausstiegs sagen, Deutschland brauche als Marktführer in der Bergbautechnik eigene Förderstandorte. Teilen Sie diese Meinung?

Per Nicolai Martens: Es ist schon höchst bedauerlich, wenn man nicht mehr im eigenen Vorgarten experimentieren kann. Das lässt sich auch am Beispiel Kernenergie zeigen: Wenn man einmal aus Vorzeigeprojekten ausgestiegen ist, wird es schwieriger, Kunden von den eigenen Produkte zu überzeugen. Es wird für die deutsche Zulieferindustrie für den Untertage-Bergbau schwieriger werden, ihre Produkte zu erproben. Und gerade in dieser Branche ist NRW weltweit führend.

WDR.de: Steht die Branche vor einer Katastrophe? Müssen wir damit rechnen, dass die Zulieferindustrie ins Ausland abwandert?

Per Nicolai Martens: Die Zuliefererindustrie wird sich den Markterfordernissen anpassen. Wenn tatsächlich in Deutschland 2018 die letzte Steinkohlezeche schließt, hat man zehn Jahre Zeit gehabt, sich darauf einzustellen. Das wird auch einschließen, dass manche Firmen ihre Produktion ins Ausland verlagern. Aber es gibt auch Gegenbeispiele: Die Deutschen sind weltweit Marktführer bei der Herstellung großer Tagebaubagger, die hierzulande gar nicht eingesetzt werden. Es wird also keinen schlagartigen Einbruch geben.

WDR.de: Und wie steht es um Ihre Forschung? Kann man in Technologien Weltspitze sein, die man nicht mehr im eigenen Land anwendet?

Per Nicolai Martens: Wir bekommen eine Reihe von Forschungsaufträgen direkt aus dem Steinkohlebergbau und von der Zulieferindustrie. Weil wir diesem Bereich räumlich nahe sind, haben wir hier natürlich auch die längsten engen Beziehungen aufgebaut. Also wird es auch für uns schwieriger werden, in diesem Segment Industrieaufträge zu bekommen. Es wird einen Wandel geben.

WDR.de: Fürchten Sie um die Attraktivität ihres Studienangebots?

Per Nicolai Martens: Nein. Bergbau ist nicht gleich Steinkohle. Wir bilden sogenannte "Rohstoffingenieure" aus, Fachleute für den Abbau von Stein- und Braunkohle, von Industriemineralien wie Kalisalz, von Baurohstoffen, Kies, Sand, aber auch Fachleute für die Erdöl- und Gas-Fördertechnik. Mehr als 50 Prozent unserer Absolventen gehen gar nicht in den engeren Bergbau. In der Steinkohleindustrie finden schon seit Jahren nur noch sehr wenige ihre Stelle. Viele gehen auch zu Banken, in die Beratung oder die Verwaltung. In der Braunkohleförderung ist Deutschland immer noch weltweit die Nr. 1, bei Kalisalz Nr. 4, bei Baurohstoffen einer der wichtigsten Produzenten. Die Steinkohle ist viel in den Medien, aber für uns einer von mehreren Bereichen in Forschung und Lehre.

WDR.de: Bilden Sie mehr für das Ausland aus als für den heimischen Markt?

Per Nicolai Martens: 10 bis 15 Prozent unserer Absolventen kommen aus dem Ausland, die meisten aber aus Deutschland. Zur Zeit haben wir viel zu wenige Absolventen; wir könnten viel mehr auf dem Markt unterbringen. Die Rohstoffbranche boomt international. Unsere Studentenzahlen steigen seit drei Jahren wieder, aber die werden eben erst in einigen Jahren fertig sein. Die Chancen für sie sind im Ausland, aber auch im Inland optimal.

Das Gespräch führte Gregor Taxacher.