Karstadt Logo an der Zentrale der Warenhauskette

Ein Jahr nach Verkauf an Benko

Wenig Hoffnung für Karstadt

Stand: 15.08.2015, 00:00 Uhr

  • Karstadt-Management gibt sich trotz schlechter Zahlen optimistisch
  • Im Kernmarkt NRW geht es um das Überleben von 23 Filialen
  • Nach der geplatzten Fusion mit Kaufhof fehlt die Perspektive

Unter dem Strich ist die Karstadt-Sanierung seit dem Verkauf an die Immobiliengesellschaft Signa des Tirolers René Benko kaum vorangekommen. Für das Geschäftsjahr 2014/15, das bis September läuft, erwartet Karstadt "nach wie vor einen Jahresfehlbetrag im mittleren zweistelligen Millionenbereich", heißt es in einer Pflichtveröffentlichung im Bundesanzeiger. Im vorangegangenen Geschäftsjahr hatten die 83 Warenhäuser einen Verlust von 191 Millionen Euro gemacht. Damit schreibt das Unternehmen seit 2003 rote Zahlen.

Fokus auf Sparen

Das auf drei Jahre angelegte Sparprogramm "Fokus" soll die Wende bringen. Unrentable Häuser wie die in Recklinghausen und Bottrop werden geschlossen, Premium-Standorte verkauft. Der Abbau von 1.400 Arbeitsplätzen entlastet langfristig die Bilanz, kostet zunächst aber viel Geld. In der Vergangenheit hat Karstadt bereits rund 80 Millionen Euro für Abfindungen und Sozialpläne aufgewendet. Das Unternehmen ist aus der Tarifbindung ausgestiegen und hat dadurch mehr Spielraum bei Gehältern und Arbeitsbedingungen. Ein Beispiel sind die Serviceteams für die Warenversorgung, die schlechter bezahlt werden als die Mitarbeiter in Verkauf und Beratung. Auch die Vermieter tragen einen Teil zur Sanierung bei, indem sie Rabatte gewähren.

Die Kunden laufen weg

Trotzdem überrascht die Prognose, die Karstadt im Bundesanzeiger abgibt: "Für das darauffolgende Geschäftsjahr 2015/2016 erwarten wir durch den Volljahreseffekt der eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen erstmals wieder ein positives Jahresergebnis." Professor Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach hält das für "betriebswirtschaftlich kaum umsetzbar". "Bei diesem Vorhaben regiert allein das Prinzip Hoffnung", sagt der Handelsexperte. Das Sparprogramm könne zwar die Verluste eindämmen, führe aber zu überproportional hohen Umsatzeinbußen. Ausgedünntes Personal und Filialen, von denen einige den Charme der 70er versprühen, verjagen die Kunden.

Online-Trend verschlafen

Die Dauerkrise ist hausgemacht, ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell fehlt. "Während Warenhäuser in Großbritannien und Nordamerika bis zu 30 Prozent ihres Umsatzes im Internet machen, hat Karstadt diese Entwicklung total verschlafen", sagt Heinemann. "Die angelsächsischen Unternehmen haben massiv in neue Technologien investiert. Sie haben systemtechnisch geklotzt statt gekleckert." Die britische Handelskette John Lewis zeigt, wie es geht: Die Kunden informieren sich im Internet, vereinbaren online einen Beratungstermin, reservieren die Ware und holen sie sich am selben Tag in der Filiale ab – oder lassen sie sich nach Hause liefern.

Kaufhof macht’s besser

So weit sind die Wettbewerber in Deutschland – zum Glück für Karstadt – noch nicht. Dass Warenhäuser aber auch hier und heute überleben können, beweist Kaufhof. Die Kölner haben sich über die Jahre im stationären Einzelhandel recht gut behauptet. Im Juni gab der Mutterkonzern Metro bekannt, dass er das Unternehmen an die kanadische Hudson’s Bay Company verkauft. "Kaufhof wird vom Know-how der Kanadier profitieren", sagt Heinemann. "Der Druck auf Karstadt wird also weiter steigen."

Hochzeit ist geplatzt

Für René Benko ist der Kaufhof-Deal doppelt ärgerlich, weil er eigene Pläne mit dem Wettbewerber hatte: Er wollte Karstadt mit Kaufhof zur Deutschen Warenhaus Holding verschmelzen und den Markt aus einer Position der ungefährdeten Nummer eins aufrollen. Drei Jahre lang habe man sich intensiv darauf vorbereitet, diese "historische Chance" zu ergreifen, teilt Signa mit. Das legt den Schluss nahe, dass die Komplettübernahme von Karstadt im August 2014 wesentlich durch die Vision der Warenhaus Holding begründet war. Anders ausgedrückt: Jetzt, da die Hochzeit geplatzt ist, weiß Benko nicht mehr so richtig, was er mit Karstadt anfangen soll. Für seine Motivation, in das Unternehmen wie versprochen zu investieren und es strategisch weiterzuentwickeln, ist das sicher nicht förderlich.

Nur Beruhigungspillen?

Vor diesem Hintergrund wirken die wenigen positiven Nachrichten, die Signa über seine kränkelnde Tochtergesellschaft verbreitet, wie Beruhigungspillen: Im Juli konnte die angekündigte Schließung der Filiale Mönchengladbach-Rheydt doch noch abgewendet werden, nachdem die Stadt Mönchengladbach die Immobilie gekauft und Karstadt im Gegenzug die Fortführung des Geschäftsbetriebs zugesichert hatte. Dies soll einen Großteil der 100 Arbeitsplätze retten. Ebenfalls im Juli erhielten alle Karstadt-Beschäftigten ihr Urlaubsgeld, das im Zuge der Sanierung gestundet worden war.