Praxisgebühr

Abschaffung der Praxisgebühr

Viel Stress für 10 Euro

Stand: 05.11.2012, 12:03 Uhr

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich auf die Abschaffung der Praxisgebühr ab dem 1. Januar 2013 geeinigt. In einer Kölner Arztpraxis kommt der Beschluss gut an. Zugleich sehen Mitarbeiter und Patienten den Wegfall als wahltaktisches Manöver der FDP.

Von Martin Teigeler

"Wir sind froh über die Abschaffung. Die Gebühr war uns damals aufgedrückt worden", sagt der Internist Peter Ensel. Der Mediziner sitzt in seiner Praxis in der Kölner Innenstadt. Vor Beginn der Sprechstunde hat er im Internet gelesen, dass die Abschaffung der Praxisgebühr beschlossene Sache ist. Das Ziel, Patienten mit der vierteljährlichen Gebühr zu weniger Arztbesuchen zu bekommen, sei ja ohnehin "komplett gescheitert", sagt Ensel. "Der Deutsche geht nun einmal oft zum Arzt - eine Gebühr ändert daran nichts."

Praxisgebühr

Die Praxisgebühr wurde 2004 mit der Gesundheitsreform der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführt. Seitdem werden bei Arztbesuchen zehn Euro pro Vierteljahr erhoben. Wer innerhalb der drei Monate von einem Arzt zum anderen überwiesen wird, muss den Betrag nicht noch einmal zahlen. Dazu benötigen Patienten aber eine schriftliche Überweisung. Wer diese zunächst nicht vorlegen kann, muss zehn Euro Kaution zahlen. Beim Zahnarzt fallen noch mal zehn Euro an. Die Gebühr entfällt für Kontrollbesuche beim Zahnarzt, Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sowie bei Schutzimpfungen. 2011 nahmen die Kassen durch die Praxisgebühr knapp zwei Milliarden Euro ein. Ziel der Gebühr war bei ihrer Einführung, vor allem die Zahl unnötiger Arztbesuche zu verringern. Mehrere Studien haben jedoch gezeigt, dass dieser Effekt nicht eingetreten sei.

Kritik an Bürokratie

Am Anfang jedes Quartals habe die Gebühr "viel Bürokratie und einigen Erklärungsbedarf gegenüber den Patienten" ausgelöst, berichtet Ensel. "Obwohl es die Gebühr schon seit 2004 gibt, haben wir hier immer wieder Diskussionen mit den Patienten." Viele Kranke würden denken, die zehn Euro gingen an die Ärzte. Tatsächlich leiten die Mediziner das eingenommene Geld weiter an die Krankenkassen.

"Das ist mit viel Büroarbeit verbunden, die zukünftig dann erfreulicherweise wegfällt", beschreibt Ensels Arzthelferin Christiane Zimmers das Ausstellen von Quittungen, das Anlegen einer Buchhaltung für die gezahlten Beträge, das Führen einer Bargeldkasse. "Die Gebühr lähmt zeitweise den Praxisbetrieb", sagt Doktor Ensel.

Arzt

Im Wartezimmer der Praxis sitzen an diesem Montagmorgen nur wenige Patienten. "Es ist gut, dass die Gebühr wegfällt, denn zehn Euro sind für manche Leute viel Geld", sagt ein Mittfünfziger. Ärgerlich sei zudem, wenn man in der Krankenhaus-Ambulanz noch einmal zehn Euro bezahlen müsse. "Die Abschaffung ist doch nur Stimmenfang der FDP", schimpft ein Rentner. Es sei schon seltsam, dass die Gebühr ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl 2013 gekippt werde. Andere Patienten haben keine Meinung zu dem bald wegfallenden Obolus. "Die Politiker machen doch sowieso, was sie wollen", sagt eine ältere Frau achselzuckend.

Selbst 20 Euro würden nicht abhalten

Auch bislang würden "mittellose" Patienten in Notfällen nicht abgewiesen, wenn sie die zehn Euro nicht zahlen können, berichten der Mediziner Ensel und seine Helferin Zimmers. "Der Betrag von zehn Euro ist aber andererseits auch so niedrig, dass die allermeisten Patienten ihn aufbringen könnten." Selbst bei 20 Euro pro Vierteljahr würde es nicht weniger Arztbesuche geben, glaubt Ensel. Mit einem Ansturm auf die Arztpraxen ab dem 1. Januar 2013 rechnet er schon deshalb nicht.

Arzthelferin

Alle sind irgendwie froh, dass die lästige und unnütze Gebühr bald weg ist, so lautet in etwa der Konsens in der Kölner Arztpraxis. "Meine Kollegin wird sich freuen. Die musste neulich zum Quartalsbeginn erstmals die Praxisgebühren abwickeln und war danach mit den Nerven fertig", sagt Arzthelferin Zimmers über den "Stress", der bald abgeschafft wird. Der Beschluss hat zugleich auch bei ihr keine große Begeisterung für die Gebührengegner von der FDP entfacht. "Dazu gefallen mir zu viele andere Dinge bei dieser Partei nicht."

Einnahmen aus der Praxisgebühr seit 2005.

Weitere Themen