Gert Mittring

Bonner ist Weltmeister im Kopfrechnen

Wurzeln ziehen in Sekunden

Stand: 30.08.2011, 21:54 Uhr

Der Bonner Gert Mittring ist am Dienstag (30.08.2011) zum achten Mal Weltmeister im Kopfrechnen geworden. Ob Primzahlen oder Wurzelziehen – schneller und fehlerfreier als der 45-Jährige rechnet niemand. Im Interview mit WDR.de spricht er über sekundenschnelle Lösungswege und verrät einen supermarkttauglichen Rechentrick.

Schon im Alter von vier Jahren beherrschte er alle Grundrechenarten, mit zwölf entwickelte Gert Mittring eine Formel zur Berechnung des Wochentags zu einem beliebigen Datum. Inzwischen hält der Rechenkünstler, der mit einem Intelligenzquotienten von weit über 145 Mitglied in mehreren Hochbegabten-Vereinen ist, zwanzig Weltrekorde im Kopfrechnen. Bei der 15. Denksport-Olympiade in London musste der Diplom-Informatiker und promovierte Psychologe in drei Stunden 218 Rechenprobleme im Kopf lösen.

WDR.de: Glückwunsch, Herr Mittring! Was war das Schwerste bei der Weltmeisterschaft in London? 

Gert Mittring: Besonders schwierig war eine Aufgabe, bei der wir einen sehr komplizierten Bruch mit einem weiteren komplizierten Bruch multiplizieren und dann durch einen weiteren Bruch teilen mussten. Da gab es dann im Kopf ein unglaubliches Gewirr an Zwischenrechnungen.

WDR.de: Wie lange brauchen Sie bis zur Lösung einer solchen Aufgabe?

Gert Mittring: Viele sind innerhalb weniger Sekunden zu lösen. Einige sind aber auch so komplex, dass es mehrere Minuten dauert. Dabei darf ich natürlich keine Notizen und keinen Taschenrechner nutzen.

WDR.de: Was sind das für Kandidaten, die mit Ihnen um den Titel des weltbesten Kopfrechners konkurrieren?

Gert Mittring: Die Teilnehmer in London sind mehr oder weniger ganz normale Menschen wie Sie und ich. Sie sind neugierig und haben Spaß bzw. ein großes Interesse daran, Dinge numerisch zu erfassen ohne sich dabei von Zahlen beherrschen zu lassen. Es sind aber fast ausschließlich Männer, was ich sehr schade finde. Im Rahmen der deutschen Kopfrechenmeisterschaft für Kinder und Jugendliche, die Ende Oktober in Münster stattfindet, versuchen wir deshalb, auch verstärkt Mädchen und junge Frauen anzusprechen. Denn die rechnen ja nicht schlechter als wir Männer.

WDR.de: Gibt es bei einem solchen Wettbewerb auch Schummelversuche, indem der eine versucht beim anderen abzugucken?

Gert Mittring: Nein, das ist eigentlich unmöglich. Es gab Einzeltische und man durfte nur alleine auf Toilette gehen – eigentlich genau wie bei einer Schulklausur. Und außerdem habe ich mich bewusst ganz nach hinten an den Rand gesetzt, da konnte keiner bei mir gucken. Umgekehrt wäre ich wahrscheinlich schlecht beraten gewesen, bei meiner Konkurrenz abzuschreiben (lacht).

WDR.de: Können Sie beschreiben, was sich beim Rechnen in Ihrem Kopf abspielt?

Gert Mittring: Ich bin darauf spezialisiert, mithilfe der sogenannten Zahlentheorie Vereinfachungen kombiniert zu nutzen. Außerdem gibt es auch weitere Rechenhilfsarten, durch die zum Beispiel die Wurzelrechnung stark vereinfacht wird. Wenn man sehr viele dieser Anwendungsvorteile miteinander kombiniert, kommt man damit erheblich schneller ans Ziel.

WDR.de:  Lässt sich diese Begabung auch im Alltag nutzen? Wären Sie zum Beispiel an der Supermarkt-Kasse in der Lage live nachzurechnen, ob alles stimmt?

Gert Mittring: Ja natürlich, meinen Eltern hab ich dadurch früher die ein oder andere Mark gespart. Das ist für mich immer noch Standard.

WDR.de: Seit Kindestagen beschäftigen Sie sich mit Mathematik - und zwar mit wachsender Begeisterung. Generationen von Schülern hingegen geht es überwiegend anders. Was muss sich in der Schule ändern?

Gert Mittring: Ich arbeite daran, dass Mathematik den Schülern wieder mehr Spaß macht. Vor Ihrer Einschulung machen Kinder ja eigentlich keine negativen Erfahrungen mit Zahlen. Man muss mehr dafür tun, dass diese frühkindlichen Erlebnisse im weiteren Schulverlauf pädagogisch erhalten bzw. aufgegriffen werden. Man sollte jedem Schüler seinen individuellen Matheweg einräumen.

WDR.de: Geben Sie doch all denjenigen Menschen, die im Alltag auch mit trivialen Rechenaufgaben ohne Taschenrechner Probleme haben, einen Tipp: Wie macht man es sich leichter?

Gert Mittring: Gerne: Denken Sie an Ihren üblichen Supermarkteinkauf. Die Produktpreise enden meist auf der Ziffer 9. Die Tüte Chips kostet 1,49 Euro, die Tafel Schokolade 89 Cent und der Gurkentopf 1,29 Euro. Zugegebenermaßen eine merkwürdige Zusammenstellung, aber es geht ja um die Zahlen. Eine Vorgehensweise ist nun aus meiner Sicht zum Addieren besonders effektiv: Rechnen Sie nicht mit Ein-Cent-, sondern mit Zehn-Cent-Einheiten. Also rechnen Sie 15 Einheiten für die Chips plus 9 für die Schokolade plus 13 für die Gurken. Das ergibt?

WDR.de: 37.

Gerd Mittring: Sehr gut (lacht). Und von der Summe 37 = 3,70 ziehen Sie dann noch 3 Cent ab und haben als Ergebnis 3,67 Euro.

WDR.de: Zum Schluss eine Testaufgabe. Schummeln ist nicht erlaubt. Sie rechnen und ich stoppe die Zeit bis zur Lösung?

Gert Mittring: Kein Problem. Ich bin im Auto unterwegs und hab keinerlei Hilfsmittel zur Hand.

WDR.de: Was ist die 7. Wurzel aus 5.784.766.121 ?

Gert Mittring: OK. [knapp sieben Sekunden später:] Die Lösung lautet: Etwa 24,8.

WDR.de: Das stimmt: 24,8091713043.

Das Interview führte Stefan Domke