Ahmet Özcan gibt Türkisch-Unterricht

Schulen zwischen Integration und Ausgrenzung

Mit Schulfach Türkisch Richtung Abi

Stand: 09.04.2006, 10:44 Uhr

Türkisch als Schulfach - am Duisburger Clauberg-Gymnasium ist das nichts Neues. Was der nordrhein-westfälische Integrationsbeauftragte flächendeckend für das ganze Land gefordert hat, ist hier schon seit rund 15 Jahren Praxis.

Von Christiane Jacke

Die Klasse ist munter. Die Schüler gestikulieren, lachen viel zwischendurch. Sie sprechen mit ihrem Lehrer über "Kilim", Teppichkunst aus Anatolien. Eine zehnte Klasse am Clauberg-Gymnasium in Duisburg hat Türkischunterricht. Ein paar Mädchen tragen Kopftuch, viele andere sind geschminkt, tragen Schmuck und moderne Kleidung. Alle haben einen türkischen Hintergrund, sind entweder selbst in der Türkei geboren, oder aber ihre Eltern.

In der Integrationsdebatte ist der Ansatz umstritten. Fördert eine größere Sicherheit in der Muttersprache auch das Lernen der deutschen Sprache? Und erleichtert das Wissen um die Herkunft die Eingliederung in eine neue Kultur? Oder verschärft der Türkischunterricht gar die Ausgrenzung türkischstämmiger Schüler? In der Praxis zeigt sich im Augenblick zumindest ein Dilemma: Solange nur wenige Schulen den Türkischunterricht anbieten, werden sie von überdurchschnittlich vielen türkischen Schülern besucht, was zu seiner Ausgrenzung innerhalb der Schullandschaft führt und manche Eltern abschreckt.

"Einige Probleme entstehen gar nicht erst"

In den Türkisch-Stunden nehmen die Schüler Geschichte, Kultur und Literatur des Heimatlandes durch. "Es spielt eine große Rolle für die Identitätsbildung, dass man weiß, wo man herkommt", sagt Ahmet Özcan. Der 46-Jährige ist selbst Türke und unterrichtet seit zwölf Jahren an der Duisburger Schule.

"Er ist für uns nicht nur ein Lehrer, sondern wie ein Vater oder ein großer Bruder", sagt Tugba. Sie sitzt auch bei ihm im Kurs der zehnten Klasse. Özcan weiß, dass er als türkischer Lehrer eine wichtige Brücke für seine Schüler ist. "Ich habe einen ganz anderen Zugang zu ihnen", sagt er. Wenn Konflikte aufkommen, ist er oft derjenige, der vermitteln soll. "Einige Probleme entstehen dadurch erst gar nicht."

Als "Türkenschule" verschrien

Problem-Potenzial gäbe es genug am Clauberg-Gymnasium. 577 Schüler, 67 Prozent davon mit ausländischer Herkunft. 20 Nationen lernen hier unter einem Dach, die meisten von ihnen sind Türken. "Natürlich kann es da mal Spannungen geben - oder Gruppenbildung je nach Muttersprache", sagt Schulleiter Hartmut Roth. Von dem Vorschlag, Deutsch als Pflichtsprache auf dem Schulhof einzuführen, hält er aber nichts. Das sei Diskriminierung, meint er.

Schon seit rund fünfzehn Jahren gibt es Türkisch als Schulfach am Clauberg-Gymnasium. Mit dem Angebot ist auch der Anteil der türkischstämmigen Schüler gewachsen. In Duisburg sei das Clauberg-Gymnasium als "Türkenschule" verschrien, sagen die Lehrer. Roth stört das nicht. Er steht zu seinem Schulprogramm, ist stolz, dass jedes Jahr 60 bis 70 Prozent seiner Abiturienten aus Migrantenfamilien kommen.

Türkisch bis ins Abitur

Nur um die Zukunft ist er besorgt. Schon jetzt meiden Eltern die Schule, die sich für ihre Kinder ein Lernumfeld mit möglichst niedrigem Ausländeranteil wünschen. Das gelte genauso für bildungsbewusste türkische Eltern, sagt er. Eine Verbreitung von Türkisch als Schulfach wäre für Roth ein Segen. "Das würde der Gettoisierung der Schulen abhelfen", meint er.

"Manche Schüler, die in anderen Fächern sehr still sind, blühen in den Türkisch-Stunden richtig auf", sagt Lehrer Özcan. Als Grundkurs können die Schüler das Fach mit ins Abitur nehmen. Das bieten außer der Duisburger Schule nur noch elf andere Schulen in NRW an. Aus Özcans zehnter Klasse wollen alle Türkisch als Abiturfach wählen. "Für uns ist es ein Vorteil", sagt Tugba. Eine Aussicht auf gute Noten - und auf ein Erfolgserlebnis.