Bundeswehr-Kaserne Königswinter

"Für Schwarzmalerei besteht kein Anlass"

Interview zur Bundeswehrreform

Stand: 27.10.2011, 14:10 Uhr

Nun ist raus, welche Bundeswehrstandorte geschlossen oder reduziert werden. Aber was bedeutet das konkret für Kommunen wie Kerpen oder Augustdorf? Lars Wirkus, Experte für die Umnutzung militärischer Gelände, gibt Auskunft.

Insgesamt 31 der rund 400 Standorte der Bundeswehr in Deutschland werden in den kommenden Jahren geschlossen, an weiteren 90 wird die Beschäftigtenzahl erheblich gesenkt. Auch NRW ist betroffen. Was kommt auf Kommunen wie Kerpen, Königswinter und Augustdorf jetzt zu? Das BICC (Bonn International Center for Conversion), das sich hauptsächlich mit Friedensforschung und Sicherheitspolitik, aber auch mit der Neubestimmung ehemaliger Militärgelände auseinandersetzt, sieht in der Reform auch eine Chance. WDR.de sprach mit Lars Wirkus, der am BICC als Experte für Konversion, sprich Umnutzung, arbeitet.

WDR.de: Herr Wirkus, in Kommunen wie Kerpen und Augustdorf, in denen Bundeswehrstandorte geschlossen beziehungsweise stark reduziert werden, geht die Angst um: Die Verwaltungen rechnen mit verwaisten Stadtteilen, Einzelhandel und Gastronomie mit massiven Umsatzeinbrüchen. Ist das Schwarzmalerei?

Lars Wirkus: Im gewissen Sinne ja. Ein solcher Aufschrei ist zwar ein normales Reaktionsmuster und sicherlich auch im Einzelfall verständlich, aber im Grunde zeigt die Geschichte der letzten 20 Jahre, in der wir es mit der Nachnutzung militärischer Standorte zu tun hatten, dass für Existenzängste kein Anlass besteht.

WDR.de: Wie muss man sich das zeitlich vorstellen: Werden morgen schon die Kasernentore geschlossen?

Lars Wirkus

Lars Wirkus

Wirkus: Nein, glücklicherweise nicht. Da hat sich seit den 90er Jahren doch einiges geändert. Damals waren wir in Deutschland von Schließungen militärisch genutzter Flächen der Alliierten betroffen. Diese Entscheidungen kamen relativ ad hoc und wurden auch zeitnah umgesetzt. Der "Vorteil" dieser Bundeswehrstrukturreform ist, dass die Ankündigung relativ frühzeitig erfolgt, bevor die tatsächliche Freigabe der Flächen stattfindet. Ich gehe davon aus, dass noch zwei bis vier Jahre ins Land gehen, bis die betroffenen Standorte tatsächlich geschlossen werden. Das Zeitfenster, das vom Verteidigungsministerium aufgemacht wurde, ist meines Erachtens 2017.

WDR.de: Was passiert in diesem Zeitrahmen noch? Wie werden die Kasernen abgewickelt?

Wirkus: An einigen anderen Standorten muss sicherlich erstmal Raum und Platz geschaffen werden, um Soldaten und Einheiten, die versetzt werden, auffangen zu können. Erst, wenn das erfolgt ist, können die betroffenen Kasernen endgültig abgewickelt werden. Die Aufgabe, die freien Gelände zu verwalten und zu vermarkten, übernimmt die BImA, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Bis dahin müssen sich die Kommunen Gedanken machen, was sie mit den neuen Flächen anfangen wollen. Deren Engagement ist ebenfalls gefragt.

WDR.de: Der Bund möchte die Gelände dann gerne loswerden. Geht dann ein Geschacher los?

Bundeswehr-Kaserne Königswinter

Eingang zum Materialdepot der Bundeswehr in Könisgwinter Eudenbach

Wirkus: Geschacher würde ich das nicht nennen. Aber es ist auf jeden Fall ein interessanter Prozess, weil der Wert der Gelände davon abhängt, was den Kommunen, denen die Planungshoheit obliegt, für eine Nutzungsform der Flächen vorschwebt. Landwirtschaftliche Fläche hat einen anderen Wert als ein Gelände, das für Wohnbebauung oder Gewerbe genutzt wird. Dieser Aspekt ist für potenzielle Interessenten wie Kommunen oder private Investoren wichtig. Zu berücksichtigen ist aber auch der Wert der Immobilien, die auf diesen Flächen stehen. Den wiederum kann die BImA in die Verhandlungen mit einbringen. Wie solche Verhandlungen ausgehen ist völlig offen.

WDR.de: Muss man sich die Verhandlungen zwischen Bund und Land beziehungsweise Kommunen genauso hart vorstellen wie zwischen dem Bund und einem privaten Investor?

Wirkus: Würde ich schon sagen, ja. Ich will aber auch kein Schreckensbild zeichnen. Natürlich hat der Bund ein Interesse, schnell zu verkaufen. Gründe dafür sind vor allem die anhaltenden Unterhaltskosten und eine fortschreitende Wertminderung der Flächen. Deswegen wird der Bund schon bereit sein, mit den Kommunen zusammen zu agieren. In der Vergangenheit hat sich der Bund beispielsweise nicht gesperrt, sich an den Kosten für Sanierung oder Machbarkeitsstudien zu beteiligen.

WDR.de: Welche Chancen bieten solche Flächen jetzt eigentlich konkret?

Wirkus: Das muss man im Einzelfall gucken, was sich realisieren lässt. In der Vergangenheit gab es ein buntes Spektrum an Nutzungen: Erstmal klassische Maßnahmen wie der Umbau von Kasernengebäuden zu Ein- und Mehrfamilienhäusern. Teilweise wurden die Komplexe auch komplett abgerissen, um Reihenhaussiedlungen zu errichten. Oder es entstanden Gewerbeflächen. Es gibt aber auch speziellere Nutzungen, beispielsweise dass man auf ehemaligen Kasernenflächen ein Landesgartenschaugelände umgesetzt hat. Oder ein Munitionsbunker in eine Trabrennbahn mit Pferdeställen und Ferienwohnungen umgewandelt wurde. Das kann dauern. Aber die Zahlen zeigen, dass ein Großteil ehemaliger Militärflächen anderweitig genutzt werden konnte.

Das Interview führte Sven Gantzkow.