Fußgängerzone in Rheine

Truppenabzug aus Rheine

Schleichender Abschied

Stand: 26.10.2011, 17:30 Uhr

Die Bundeswehr zieht aus Rheine ab. Auf dem Papier bleiben noch 120 Soldaten, faktisch wird der Standort geschlossen. Damit gibt es in der ehemals größten Garnisonsstadt in NRW bald keine Soldaten mehr.

"Ich bin sehr enttäuscht, jetzt geht eine Ära zu Ende", betont Bürgermeisterin Angelika Kortfelder im Gespräch mit WDR.de. Bis zur Entscheidung hatte sie gehofft, dass der Standort erhalten bleibt. Immerhin ist die Infrastruktur gut, die Bundeswehr hat in den vergangenen Jahren 50 Millionen Euro investiert und wollte weiter bauen. Drei Hubschrauber der Heeresflieger sind zurzeit noch in Afghanistan. Jetzt ist die Zukunft unklar. Bisher heißt es nur, dass die Reform innerhalb der nächsten sechs bis sieben Jahre vollzogen sein soll. Am 20.11.2011 soll es ein Treffen mit den örtlichen Landtags- und Bundestagsabgeordneten, den Fraktionen und der Bundeswehr geben. Bis dahin soll es einen Zeitplan geben.

Keine Soldaten mehr in der früher größten Garnisonsstadt NRWs

Rund 1.950 Soldaten dienen noch in der Theodor-Blank-Kaserne. Weitere 400 Zivilisten sind beim Bund beschäftigt. Die 120 Soldaten, die am Standort verbleiben, werden aber ins nahegelegene Ochtrup verlegt. "Wir verlieren damit die Identität als Garnisonsstadt", sagt Bürgermeisterin Kortfelder. Denn Rheine war einmal mit 9.000 Zivilbeschäftigten und Soldaten, weiteren britischen und niederländischen Soldaten die größte Garnisonsstadt in NRW. Viele Bürger erinnern sich noch gut daran. So war die Münsterstraße in der Innenstadt vor allem donnerstags immer ein beliebter Treffpunkt für das Militär. Heute gibt es die "Tenne" nicht mehr. Der Bau ist vernagelt.

Fast jeder hat was mit der Bundeswehr zu tun

Mann im Bekleidungsgeschäft

Klaus Westhoff befürchtet keine wirtschaftlichen Nachteile

Aber die Bundeswehr ist noch immer in den Köpfen der Menschen. Angesprochen auf den Abzug, erzählen viele ihre eigene Geschichte. Zum Beispiel der ältere Herr, der mit seinem Enkel unterwegs ist. Inzwischen ist er pensioniert, hat aber zwölf Jahre gedient, vor allem in Rheine und Münster. Für ihn ist der Abzug ein Fehler. Genauso, wie für das Ehepaar, dass zum Einkaufen in der Fußgängerzone unterwegs ist: "Erst baut man den Standort für Millionen um, und dann wird Feierabend gemacht. Das sind doch unsere Steuergelder", ärgert sich der Mann. Andere sehen vor allem Probleme für die heimische Wirtschaft.

'Ich erwarte keinen Nachteil'

Angesprochen auf die möglicherweise wegbrechende Kundschaft reagiert Klaus Westhof, Mitglied des Einzelhandelsverbands und Chef eines Bekleidungsgeschäfts, jedoch entspannt. Er befürchtet für sich keine Konsequenzen und spricht damit aus Erfahrung: "Früher habe ich Angst gehabt, als angekündigt wurde, Truppen abzubauen. Ich habe dann aber davon nichts nachhaltig gespürt", so Westhoff. Der Unternehmer vermutet aber, dass es andere Branchen treffen wird, zum Beispiel Lebensmittelgeschäfte. Auswirkungen sind auch auf dem Immobilienmarkt denkbar.

Bisher sind das Spekulationen. Auch Stadtsprecher Bernd Weber erklärt, dass er sich im schulischen Bereich und bei den Kindergärten Veränderungen vorstellen kann. Das sei aber ein schleichender Prozess. Aus der Vergangenheit wisse er, dass wahrscheinlich etwa die Hälfte der Soldaten gar nicht in Rheine, sondern im Umland wohnt.

Zu erfolgreich in der Vergangenheit?

Hinzu kommt, dass in Rheine auch viele neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Es gibt neue Gewebegebiete und zum Beispiel ein Gesundheitszentrum mit angeschlossener Fachhochschule. Stark sei die Stadt auch auf dem Sektor der regenerativen Energien, zum Beispiel der Windenergie. In dem Bereich seien in den vergangenen Jahren 2.000 Arbeitsplätze entstanden, so Weber. Die Arbeitslosenquote liegt in Rheine bei 4,3 Prozent.

Doch die Folgen eines weiteren Truppenabzugs seien jetzt nicht mehr ohne zusätzliche Hilfe zu stemmen, erklärt Bürgermeisterin Angelika Kortfelder. In Rheine gibt es noch brach liegende Kasernenstandorte. Für eine Kaserne gebe es Vorschläge, ein EU-Projekt zu entwickeln. "Die Politik ist allerdings aufgrund der angespannten Haushaltslage distanziert", so Kortfelder. Und das Gelände der Theodor-Blank-Kaserne sei viel größer, zu groß für die Stadt.